Franziskaner Mission 2 | 2020

Die monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam entstammen dem Vorderen Orient mit vielen trockenen Wüstengebieten. Wasser wird zum Zeichen von Leben, Fruchtbarkeit, Heilung und Segen. Alle Paradiesvorstellungen haben daher mit Gärten zu tun, in denen es ausreichend Wasser gibt. Im Islam beispielsweise finden sich im Paradiesgarten neben Flüssen erfrischende Springbrunnen. Wasser steht stets auch für die (innere) Reinigung und die Verge- bung von Schuld. Wasser im Christentum In den katholischen Kirchen befindet sich im Eingangsbereich das Weihwasserbecken. Es lädt ein, mich mit dem geweihten Wasser zu bekreuzigen und mich an meine Taufe zu erinnern. Bei der Taufe wurde ich mit Wasser übergossen. Es ist Zeichen des neuen Lebens in der Liebe des drei- faltigen Gottes. Heute ist dieses Zeichen meist verkürzt, indem nur der Kopf des Täuflings mit einer Handvoll Wasser übergossen wird. In einigen Freikirchen ist es dagegen üblich, die Taufe nach urchristlichem Ritus durch das Untertauchen der ganzen Person zu vollziehen. Symbolisch stirbt der Mensch in seiner alten Existenz und der neue Mensch wird hineingenommen in die Gemeinde der durch Christus Erlösten. Er erhält Anteil an Jesus Christus, der von sich sagte, dass er die Quelle lebendigen Wassers und somit des Lebens sei. Als Zeichen des Dienens wusch er beim letzten Abendmahl seinen Jüngern die Füße (Johannes 13,5). Nach seinem Tod floss Blut und Wasser aus seiner Seite, was die Kirche als Ursprung der Sakramente gedeutet hat. Die heilende Kraft des Wassers wird insbesondere an Wallfahrtsorten wie Lourdes deutlich, wo die Pilger entweder ganz in die heilige Quelle hineinsteigen oder von dem Wasser trinken. Bevor der Priester die Eucharistie feiert, bekommt er seine Hände mit Wasser übergossen und betet dabei in Anlehnung an Psalm 51,4: »Herr, wasche ab meine Schuld und von meiner Sünde mache mich rein.« Dies erinnert an die Verheißung des Propheten Ezechiel (36,25): »Ich gieße reines Wasser über euch aus, dann werdet ihr rein.« Wasser im Judentum Für die christlichen Gläubigen haben sich keine rituellen Waschungen entwickelt, wie wir sie im Judentum und im Islam finden. In jüdischen Gemeinden dient die sogenannte »Mikwe« (leben- diges Wasser), eine kleine gemauerte Steinwanne, den rituellen Waschungen. Die Mikwe – oder auch Mikwa genannt – muss sich aus natürlichem, fließendem Wasser (Quell- oder Flusswasser) oder aus Regenwasser speisen. Es geht um Reinheit im kultischen Sinn. Die körperliche Reinigung hat vorher zu erfolgen. Von Frauen wird die Mikwe nach der Menstruation und nach der Geburt, von Männern beispiels- weise vor dem Schabbat oder vor Feiertagen wie Jom Kippur genutzt, indem man unbekleidet drei Mal vollständig untertaucht. Laut der Tora macht unter anderem Ausfluss, Samenerguss und Blutfluss unrein (vergleiche Levitikus 15). Wer einen Toten berührt, muss sich mit Reinigungs- wasser entsündigen. Eine symbolische Reinigung in der Mikwe erfolgt auch beim Übertritt zum Judentum. Wasser ist Leben. Ohne Wasser kann kein Leben existieren. Der Mensch selbst besteht über- wiegend aus Wasser. Wasser ist materiell gesehen notwendiges Lebensmittel. Wasser ist spirituell verstanden Ausdruck der Sehnsucht nach Leben und Lebendigkeit, nach Heilung und Heil. Als belebendes Element und Ur-Quelle allen Lebens wird es als Ort des Göttlichen verehrt. Es ist daher nur folgerichtig, dass gerade das Wasser in den Religionen eine große Rolle spielt. TEXT: Stefan Federbusch ofm | FOTO: Lukas Brägelmann Quelle allen Lebens Wasser in den Religionen 6

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