Franziskaner Mission 2 | 2020

Franziskus von Assisi dichtete zwei Jahre vor seinem Tod, im Winter 1224/25 in San Damiano, den Sonnengesang. Mit diesem Lied dankt er Gott für die sichtbare Schöpfung, lobt Sonne, Gestirne, Luft und Wetter, Wasser, Feuer, die Erde, Geschöpfe, Früchte und Blumen als seine Geschwister. Und er preist das Wasser als »nützlich, demütig, kostbar und rein«. TEXT: Thomas Kleinveld | FOTOS: TV NBR, CC BY 3.0 /commons.wikimedia.org ; Franciscans International Bei der Auswahl der scheinbar widersprüchlichen Eigenschaften schätzt Franziskus Schwester Wasser sowohl als Gut, das täglich ohne großes Nachden- ken gebraucht wird, als auch als Grundlage allen Lebens, das geschützt und erhalten werden muss. Diese von Franziskus erkannte Notwendigkeit des Wassers ist auch in unserer Zeit ein lebenswichti- ges Thema. Von diesem Lobpreis ließ sich Papst Franziskus im Jahr 2015 in seiner Umwelt-Enzyklika »Laudato si’« (Sei gepriesen) inspirieren, um zum geschwisterlichen Umgang mit der Schöpfung aufzurufen. Weltweit leiden heute über 2,2 Milliarden Menschen an Wassermangel oder sind im täglichen Gebrauch auf verunreinigte Wasserquellen, die diverse Krankheiten verursachen, angewiesen. Diese Situation wird sich weiter verschlechtern, wenn der Klimawandel sich verstärkt auswirkt: In nur fünf Jahren könnte die Hälfte der Weltbevölkerung unter wasserbelasteten Bedingungen leben. Kurz gesagt, Wasser teilt auch heute die Menschheit ein in dieje- nigen, die Zugang dazu haben, und in diejenigen, denen er verwehrt ist. Menschenrecht Das Recht auf sauberes Wasser wurde 2010 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen als grundlegendes Menschenrecht anerkannt: Es sei für die Verwirklichung aller anderen Menschenrech- te von wesentlicher Bedeutung. In »Laudato si’« wiederholt Papst Franziskus diese Erklärung und fügt hinzu: »Unsere Welt lädt eine schwere soziale Schuld gegenüber den Armen auf sich, die keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, weil ihnen das Recht auf ein Leben verweigert wird, das ihrer unveräußerlichen Würde entspricht.« Er warnt davor, der Zugang zum Wasser könne zu einem Privileg der Reichen werden und der Privatisierung oder Kontrolle großer multinationaler Unternehmen unterliegen. Dieses Thema ist vielen franziskanischen Schwestern und Brüdern, die in Pfarrgemeinden leben und arbeiten, deren Wasserquellen ver- schmutzt oder gefährdet sind, sehr wichtig. Deswe- gen wurden sie bei den Vereinten Nationen vorstel- lig, da es ja weltweit eine der wichtigsten Fragen ist: Inwieweit müssen einzelne und Gemeinschaften ihre Gesundheit auf Kosten von Wirtschaftswachs- tum und Fortschritt gefährden lassen? Dammbruch in Brasilien Der brasilianische Franziskaner Rodrigo Péret weist darauf hin, dass der Bergbau zum Beispiel soge- nannte »Opferzonen« fordert, indem man die dort lebenden Menschen beschwichtigt – mit folgenden Entschuldigungen: »Wir werden zwar ein bestimm- tes Gebiet zerstören, aber es dient dem Gemein- wohl!« Oder: »Wir können nicht wählen, wo sich Mineralien befinden!« Franziskanerbruder Rodrigo meint, auch beim Wasser sollten Gemeinschaften informiert, konsultiert und an Entscheidungen, die sie betreffen, beteiligt werden. Und es sollte gesetz- liche Garantien geben, die ihre Rechte respektieren! Rodrigo Péret hat während der letzten zehn Jahre die Vereinten Nationen wiederholt aufgefor- dert, strengere Maßnahmen zu ergreifen, um das Recht auf Wasser durchzusetzen und diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die dagegen verstoßen. Recht auf Wasser Internationales Engagement der Franziskanischen Familie Die Luftbildaufnahme zeigt die durch Eisenoxid rot gefärbte Schlamm- lawine bei der zerstörten Eisenbahnbrücke nach dem Dammbruch in Brumadinho im Januar 2019. 14

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