Franziskaner Mission 4 | 2020

Franziskus und Klara von Assisi sind auch heute noch aktuell und prophetisch. Angesichts der augenblicklichen Belastung, in der wir leben, sind beide sowohl im Wort als auch im Stillen Propheten des Gemeinwohls. Sie zeichnen sich durch eine tiefe Sensibilität für die Natur aus, die aus einer bedingungslosen Liebe zum armen Jesus erwuchs. 30. September 2020 hat die Europäische Kommission, zur Verfolgung ihrer wirt- schaftlichen Interessen, eine industrielle Allianz geschlossen. Ziel dieser Allianz ist es, »strategische Autonomie« in soge- nannten kritischen Rohstoffen wie den »Seltenen Erden« zu gewährleisten. Die Reaktion darauf kam von 230 europäischen Organisationen der Zivil- gesellschaft, kommunalen und akademi- schen Initiativen. In einem offenen Brief forderten sie die Europäische Kommis- sion auf, ihre Pläne zur Gewinnung von Rohstoffen zu überdenken: Es würde riskiert, klimakritische Ökosysteme zu zerstören und soziale Konflikte in Europa und im globalen Süden zu provozieren. Die Unterzeichner bitten darum, den Plan entsprechend den Bedürfnissen des Planeten und der Menschheit neu auszurichten. Der Aktionsplan enthält eine grüne Rhetorik und spricht von der Notwendigkeit, die von den Vereinten Nationen befürworteten Ziele für eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Der besagte Aktionsplan erkennt auch den »großen Appetit der EU auf Ressourcen« an und stellt fest, dass »das Problem [...] durch Reduzierung und Wiederverwendung von Materialien, statt durch Recycling, gelöst werden muss«. Er sieht jedoch keine verpflich- tenden Maßnahmen zur Reduzierung des allgemeinen Ressourcenverbrauchs und damit auch eine Änderung des Lebensstils vor, sondern rückt eine Politik der Sicherheit, Souveränität und des Marktschutzes in den Mittelpunkt, um gewohnte Geschäfte fortsetzen zu können. Angesichts dieser Realität kehren wir mit den Heiligen von Assisi – Franzis- kus und Klara – zur Prophezeiung einer Deshalb sind Gerechtigkeit, Frieden und die Integrität der Schöpfung wesentli- che und untrennbare Dimensionen des franziskanischen Charismas. Zuallererst geht es um einen Lebensstil und eine klare Haltung gegenüber Menschen und der uns umgebenden Natur. Franziskus und Klara waren offen für Versöhnung, Frieden und Gerechtigkeit und sorgten sich um die Schöpfung. Es ist eine neue Art, in der Welt zu leben und Änderun- gen der Werte hinsichtlich des Umgangs mit der Natur vorzuschlagen. Heute löst der Klimawandel mit seinen negativen Auswirkungen und die COVID-19-Pandemie eine beispiel- lose sozio-ökologische Krise aus. Es ist notwendig, die Beziehung zwischen Mensch und Natur neu zu interpretie- ren. Wir stehen vor der Herausforde- rung, unseren Lebensstil zu ändern, einer Ausweitung der Vermarktung der Natur und der Privatisierung gemeinsa- mer Güter im Namen von Entwicklung zu überwinden. Rohstoff-Aktionsplan Am 3. September dieses Jahres veröf- fentlichte die Europäische Kommission einen Aktionsplan, der ihre Rohstoff­ politik ändert. Der Plan konzentriert sich vor allem auf gemeinsame Güter oder sogenannte natürliche Ressourcen wie Mineralien. Er fördert die Umsetzung von Bergbauprojekten in europäischen Ländern und im globalen Süden. Als scheinbare Antwort auf die Klimakrise will er Rohstoffe garantieren. Damit soll die Nachfrage nach neuen Technologien gedeckt werden, die als nachhaltig gel- ten und für die Europäische Union (EU) erforderlich sind, um einen grünen und digitalen Wandel zu ermöglichen. Am Ein Teil vom Ganzen Franziskanisch-klarianische Geschwisterlichkeit neuen Beziehung zu den gemeinsamen Gütern zurück, ebenso wie Papst Franzis- kus in den Enzykliken »Laudato si’« und »Fratelli tutti«. Der Lebensstil und die Art und Weise, wie Franziskus und Klara mit Menschen und Dingen umgingen, können bei der Suche nach einem alter­ nativen Gesellschaftsmodell und zum richtigen Umgang mit unserem Planeten hilfreich sein. Der Papst erklärt in »Laudato si’« (LS), es sei notwendig, das Verständ- nis von Natur als bloßem Objekt zu überwinden. Wir können die Natur nicht weiterhin als reines Objekt außerhalb von uns ansehen, das beherrschbar und manipulierbar sei (vgl. LS 106), auch wenn es um die Förderung menschlicher Interessen oder besser gesagt einiger Menschen geht! Der tiefere Wert der Natur darf nicht ignoriert werden. Die Prophezeiung von Franziskus und Klara drückt sich bereits in der Mög- lichkeit aus, das vom Evangelium inspi- rierte Verständnis von Schwestern und Brüdern zu leben: Das heilige Evangeli- um beobachten – ohne Eigentum leben. Es geht um die Annahme der »evange- lischen Nachfolge Christi«, die sich auf die Beziehung zur materiellen Welt und unsere menschlichen Beziehungen aus- wirkt. Anfang des 13. Jahrhunderts gab es in Europa bereits zahlreiche Konzepte wie Eigentum, Erbe, Güter, bewegli- ches Gut. Einige Formen des Eigentums waren gemeinschaftlich, begünstigend, zensierend und unterwürfig. Letztere, die Knechtschaft, kennzeichnete das feudale Eigentum. Dies ist auf die soziale Organisation der persönlichen Abhän- gigkeit zwischen Herr und Vasall zurück- zuführen, die auf dem Zugang zu Land beruht. Eine andere Realität in Bezug TEXT: Rodrigo de Castro Amédée Péret ofm | MALEREI: João Batista Bezerra da Cruz 10

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