Franziskaner Mission 1 | 2021

Sobald die Intensivphase der Therapie beendet ist, kehrt der von seinem Kreuz Befreite in die Gemein- schaft der Familie und der Gesellschaft zurück. Für ihn beginnt eine neue Geschichte, ein ständiges Bemühen, der eigenen Familie und der Gesellschaft zeigen zu wollen, dass er nun bereit ist, seine Stelle verantwortungsvoll einzunehmen. Für die Gesell- schaft ist es nicht leicht, einen Drogenabhängigen nach erfolgreicher Entziehungskur zu akzeptieren. Man glaubt nicht an die Fähigkeit des Menschen, sich zu verändern. Das ist ein weiteres schweres Kreuz, dem der Betroffene sich stellen muss. Nach der Entziehungskur auf dem Monte Tabor hat er genug innere Kräfte gesammelt, die ihm helfen, sein Kreuz zu tragen, mit der Gewissheit: »Gott geht mit euch, er lässt euch nicht ohne Schutz. Verliert nie die Hoffnung! Lasst sie in euren Herzen niemals erlöschen!« (Papst Franziskus) Das Projekt Monte Tabor möchte Leben erhalten und fördern. Hier ist man fest davon überzeugt: Das Leben ist ein hohes Gut und steht im Einklang mit Jesu Mission, die lautet: »Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.« (Joh 10,10) Die Schöpfung kommt von Gott, aber die Aufgabe, Menschen von ihren schweren Lasten zu befreien und Leben zu retten, liegt bei uns. Das Kreuz ist ein uraltes barbarisches Folterinstru- ment, mit dem im Alten Orient und in der Antike die zum Tode Verurteilten vielfach hingerichtet wur- den. Auch Jesus musste sein Kreuz, den schweren Holzbalken, auf seinen Schultern zur Hinrichtungs- stätte schleppen. Das therapeutische Sozialprojekt »Monte Tabor« in Piripiri, im nordostbrasilianischen Bundes- staat Piauí, versteht sich wie eine Umarmung der Betroffenen, die Leben verändert. Seit zwei Jahr- zehnten werden hier die Schmerzen vieler Familien gelindert, die mit ihren drogen- oder alkoholabhän- gigen Angehörigen ein schweres Kreuz zu tragen haben. Jugendliche und junge Männer, die auf dem Monte Tabor willkommen geheißen werden, errei- chen die Einrichtung oft mit einem völlig entstellten Leben. Die Zeichen der Abhängigkeit sind nicht zu übersehen, da der Drogenkonsum der Gesundheit und dem menschlichen Leben insgesamt große Schäden zufügt. Es braucht Zeit, bis die Gesichter der Betroffenen wieder menschlichere Züge anneh- men. Für den Abhängigen ist es nicht leicht, die Trennung von Familie und Gesellschaft auszuhalten. Die Abhängigkeit lastet auf ihm wie ein schweres Gewicht. Die ersten Tage der Entziehungskur sind die schwierigsten und schmerzhaftesten. Die Absti- nenzphase belastet den Körper und die Psyche des Betroffenen bekanntlich sehr stark. Es sind schwie- rige Tage, aber mit den angebotenen Aktivitäten im Haus und Garten sowie auf dem Feld erkennt der junge Mensch bald selbst: Es gibt Hoffnung. »Wenn in mir alles dunkel wird, gibt es jenseits des Horizonts ein Licht, das kein Ende hat«, singt der brasilianische Liedermacher Padre Zezinho. Befreiendes Licht auf Monte Tabor TEXT: Fernandes Henrique de Moraes Barros ofm | MALEREI: Robério Aslay de Araújo Barros Filho Der Autor Fernandes Henrique de Moraes Barros ist Franziskaner und leitet die Pfarrei São José in Lago da Pedra, im Bundesstaat Maranhão. Davor war er neun Jahre geistlicher Begleiter im Projekt »Monte Tabor«, das von der Franziskaner Mission Dortmund finanziell unterstützt wird. Übersetzung aus dem Portugiesischen: Augustinus Diekmann ofm Gott, du liebender Vater, hilf uns in der Kraft des Heiligen Geistes, die Familie als Ort des Lebens, des Teilens und der Liebe zu verteidigen. Lass keine Familie durch Demütigung, Gewalt und Drogenabhängigkeit zerstört werden. Wir erbitten dies im Namen Jesu Christi, unseres Bruders und Herrn. 12 | 13

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