Franziskaner Mission 1 | 2021

Franziskanische Unterstützung den Hunger, der noch nicht gelindert wurde, in einem Land, in dem es Ressourcen geben würde. Stattdessen sehen wir Kinder, die im Müll graben, um etwas Brauchbares zu finden, das sie verkaufen können, um ihre und die Mägen ihrer Familie zu füllen. Der Bürgerkrieg konnte 2016 nämlich nicht durch den Friedensvertrag zwischen dem Staat Kolumbien und der wichtigs- ten Guerillagruppe FARC (»Revolutio- näre Streitkräfte Kolumbiens«) beendet werden. Und deshalb hört das Töten, Verstümmeln und Vernichten immer noch nicht auf. Es sind endlose Gräuel­ taten von Brüdern gegen Brüder. In diesem Umfeld von Gewalt und Aggressivität sind wir als Franziskaner in Kolumbien auch Simon von Cyrene. Wir können nicht anders, als den Men- Jesus war allein auf dem Weg des Todes am Kreuz. In dieser dunklen Stunde mit all seinen Schmerzen linderte Simon von Cyrene für einen Moment die Einsamkeit Jesu und brachte ein Licht in die Dunkel- heit seines Leidens. Simon wird von den Soldaten gezwungen, das Kreuz eines zum Tode Verurteilten zu tragen. Die Umstände lassen ihm keine Wahl, als ein Stück des Weges Jesus zu helfen, der zusammen­ zubrechen droht. Ein Simon von Cyrene in Kolum- bien zu sein, bedeutet für uns Franzis- kaner, dass wir vor dem Kreuz unserer Brüder und Schwestern nicht zurück- schrecken. Am Kreuz sind all jene Männer und Frauen, die zu Unrecht leiden und durch die selbstsüchtigen Entscheidun- gen anderer verurteilt werden: durch schen zu helfen, ein Klima von Respekt, Gerechtigkeit und Frieden zu schaffen. Aus Treue zu unserem Charisma sind wir aufgerufen, den Opfern ein wenig Licht zu bringen und zu bezeugen, dass es möglich ist, zusammen zu leben. Wir befinden uns in einem ge- meinsamen Land und teilen das Leben, bauen Schulter an Schulter, Rücken an Rücken Geschwisterlichkeit auf. TEXT: Richard P. Cortes López ofm | FOTO: Johnny Duban Sánchez ofm Der Autor Richard P. Cortes López lebt und arbeitet in Buenaventura, Valle del Cauca, in Kolumbien. Er ist dort Guardian und Pfarrer sowie zuständig für die Ausbildung der jungen Brüder der Franziskanerprovinz San Antonio de Padua. Übersetzung aus dem Spanischen: Alfons Schumacher ofm An der Seite sein An der Seite sein ... des Bruders, der keine Kraft hat, der traurig und beladen voranschreitet, der am Ufer gefallen liegen bleibt, der seine Wunden nicht heilen kann, der nicht weiß, wohin er gehen soll. An der Seite sein ... der Situation, die uns überwältigt, des Notfalls, der jeden Tag eintritt, des Unerwarteten, das uns überwältigt, dessen, was jeder loslässt, dessen, was verborgen ist, damit es keiner sieht. An der Seite sein ... dieser Welt, die uns gehört, dieser Reali- tät, die uns gehört, dieses Augenblicks, der uns gehört, dieser Kirche, die uns gehört, von dem Projekt, das uns zu Geschwistern macht. An der Seite sein ... dessen, was entstellt ist, was keine Stimme oder kein Gewicht hat, was niedergeschlagen schreit, was von allen abgelehnt wird, was sich verloren fühlt. An der Seite sein ... demütig, wie sie uns gelehrt haben, ohne arrogante Privilegien, mit einem zärtlichen und aufmerksamen Herzen, wie der letzte deiner Freunde, aber gefühlt wie deine Auserwählten. An der Seite sein ... als Brüder in Solidarität, als anonyme Gläubige, als geliebte Kinder, als Lehrlin- ge, als Begleiter auf dem Lebensweg. Sei immer an der Seite, und wenn es notwendig ist, den Kelch zu trinken, trink ihn – für die Verteidigung der Würde aller Menschen. Habe ein taubes Ohr für die Sirenen, die uns singen und preisen, und für alle Mütter, die uns verteidigen und uns immer noch in ihren Leibern tragen. Verlassen wir unsere kleinen Höhlen und setzen uns Deinem klaren und wohltuenden Wort aus. An Deiner Seite zu sein, auch wenn wir es nicht wissen. Nach dem Gedicht »Estar a lado« von Florentino Ulibarri (1938–2008) 18 | 19

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