Franziskaner Mission 1 | 2021

Ende? Reicht die Kraft? Oder ist der Krebs stärker? Immer wieder rappeln sie sich auf: Dann gehen sie den nächsten Schritt, manchmal wacklig. Telma läuft nicht weg, sie weicht nicht aus, ist da, bietet unermüdlich ihre Hilfe an, hält und harrt mit ihm aus – sie ist die Stütze seines Lebens und ihm nah. In ihrer geduldigen Art macht sie immer wieder deutlich: Ich stehe hinter dir, wir gehen diesen steinigen Weg gemeinsam. Telma und Rafael teilen sein Leid, das inzwischen ihr gemeinsames geworden ist. Sie lassen den Schmerz zu über die immer wieder aufflackernden Enttäuschungen auf einem Lebensweg, den sie sich anders vorgestellt haben. Immer wieder weinen sie auch miteinander, liegen sich in den Armen. Dann wieder blicken sie ihrem Schicksal ins Auge, weichen nicht aus, setzen ihren Kreuzweg fort. Auch Veronika hat Tränen in den Augen, als sie Jesus das Schweißtuch reicht. Eine Geste, die mehr sagt als Worte: Wir stehen das zusammen durch – da ist jemand, der uns hält. So wie Rafael und Telma. Sie ist zurückhaltend, als ich sie kennenlerne. Eine eher unscheinbare zierliche Frau mit einem dezen- ten Lächeln und großen dunklen Augen. Sie wird noch über sich hinauswachsen im Laufe der Zeit, größer werden, vielleicht stärker als je zuvor. Schon einiges hat sie mit ihrem Mann erlebt, viel Leid auch. Und doch bleiben die beiden mit dem Kopf über Wasser, erlauben sich nicht, aufzu­ geben. Unzählige Operationen und Behandlungen hat der junge Mann in den vergangenen Monaten und Jahren über sich ergehen lassen müssen. Be- siegt, den Krebs, so schien es immer wieder. Dann erneut eine niederschmetternde Nachricht: Da ist wieder was. Ins Krankenhaus. Corona oben drauf. Ein Bibbern. Schafft er es? Da ist Telma, seine Frau, die nicht müde wird, Rafael das Schweißtuch zu reichen im heißen Nordostbra- silien. Wo an manchen Tagen Tränen fließen wie Schweißperlen und zugleich deutlich wird: Er muss nicht alleine kämpfen; seine Frau bleibt an seiner Seite. Hält zuversichtlich seine Hand, wenn wieder schlechte Nachrichten kommen, freut sich mit ihm über jeden einzelnen Lichtblick. Dass ein Leben mit nur einem Bein auch lebenswert sein kann, es immer wieder irgendwie weitergeht. Sie stützt ihn, wenn er die Chemotherapie mal wieder nicht gut ver- trägt. Wenn sein Blick sich senkt, ist da ihre positive Energie, die auf ihn überspringt: Rafael, wir machen weiter. Lass uns ein Haus bauen. Mutig geht das junge Paar seinen Weg – der nicht selten auch ein Kreuzweg ist. Was kommt am Leid teilen, gemeinsam kämpfen TEXT: Ulrike Schwerdtfeger | FOTO: Adolf Temme ofm Die Autorin Ulrike Schwerdtfeger hat an der Katholi- schen Universität Eichstätt-Ingolstadt Lateinamerikanistik studiert, ist freie Redakteurin und lebt mit ihrer Familie in Nürnberg. In Nordostbrasilien hat sie bereits vor vielen Jahren eine zweite Heimat gefunden. Du, Gott, der du – wie Veronika – nicht von unserer Seite weichst, mach dich besonders in Momenten bemerkbar, in denen uns die Kraft auszugehen scheint. Mach uns stark an Leib und Seele. Amen. 20 | 21

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