Franziskaner Mission 1 | 2021

es keine Kugel gab, die seine Würde vernichten könnte. Gott wollte, dass er weiterlebte: Er sollte dieses Heiligtum der Märtyrer aufbauen und das Ge- dächtnis hochhalten. Die da hängen und schreien oder hinter Gittern sitzen: Man kann sich denken, wie ihr Schicksal war. Aber es sind die gleichen, die in der Mitte des Bildes im Siegeslauf uns entgegenkommen. Der unsichtbare Anstifter, der siegreiche Leidensknecht von Golgota, geht allen voraus. Mit erhobenen Armen scheint der Furchtlose zu sagen: Wenn ihr mich wollt – hier bin ich! Da ist der Zorn: Den haben wir doch längst umgebracht. Aber es war umsonst. Seine Freiheit lebt in den Nachfolgern. Seine erhobene linke Hand ist mit dem Geist des Lebens in Berüh- rung, der über allen schwebt. Alle Trä- nen sind getrocknet. Worauf gehen sie zu? Wem wollen sie die Frohbotschaft verkünden? Dir, wenn Du nicht auf der anderen Seite bist. Um nur einige zu nennen: Da ist Dom Oscar Arnulfo Romero in seiner Priester- würde – bei der Feier der Eucharistie traf ihn die Kugel. Da kommt uns Margarida Maria Alves entgegen auf einem Teppich von Margeriten. Und Padre Josimo Morais Tavares im weißen Gewand der Gerechten. Die Erlösten stehen wie auf einer Bühne, die hochgezogen werden kann. Wer wird sie unseren Augen entziehen? Es sind die großen Hände von rechts und links, welche den Vater an- deuten. Bei ihm leben sie in Herrlichkeit. Und warum können wir sie trotzdem sehen? Weil wir ihnen in unserem Herzen einen Ehrenplatz geben. Wenn die Gerechten unseren Augen entzogen werden, dann bleibt ihr Gedenken in unserem Innern gespeichert. bild Szenen von Hängen und Würgen. Man möchte wegschauen, aber wir müssen das aushalten. Die Folterknech- te waren elegante, reiche Männer, die ihre Hände nicht beschmutzten bei den Gräueltaten, weil die Gewalt wie eine Wohltat angenommen wurde. Man durf- te ja weiterleben, wenn man sich fügte; wenn der freie Mann seine Hörigkeit annehmen wollte. Der Zorn verändert ein leutseliges Gesicht, wie sie es noch heute aufsetzen möchten. Aber der Gemarterte schreit es hinaus: Du bist ein Mörder! Wer war der Adler, der die Geier verscheuchte? Bischof Pedro Casaldá- liga war es und kein anderer. Warum hat man ihn nicht umgebracht? Weil Eng ist die Pforte, durch die wir gegangen. Wir lassen sie auf, für alle, die bangen. Und was bleibt von dem Bild sichtbar? Es bleiben die Leidenden von rechts und links, von heute und morgen. In welchem Stadium ist der Folterpro- zess heute? Wir sind bei dem weichen Lager angekommen. Im Widerstand war der Zeuge tapfer. Aber die Wohltat war ihm verdächtig. Euch will ich mein Überleben nicht verdanken. Ihr habt euch umsonst geplagt. Begraben heißt, den Samen in die Erde legen, damit er aufbricht und Frucht trägt. In den Tagen von heute sieht man kaum etwas keimen. Wer den Dornstrauch zum König wählt, darf sich nicht wundern: Der kann nichts Anderes als stechen. (2 Könige 14) Der Märtyrer legt Zeugnis ab von einer Welt, wie sie nicht bestehen darf. Die Machthaber tun alles, um zu beweisen, dass eine andere Ordnung nicht möglich ist. Mato Grosso, so heißt der Bundesstaat, wo die Ereignisse statt- finden. Mato Grosso bedeutet »dichter, undurchdringlicher Wald«. Wo ist er? Für seinen Fortbestand haben sie gekämpft, die da gefoltert werden oder hinter Gittern sitzen. Der Wald, er erlaubt Lichtungen zum Anbau, er hat nichts gegen Abholzen und Wieder-wachsen-lassen, wie es immer gehandhabt wurde. Aber der Freie wurde zum Sklaven erniedrigt. Der allen ein Diener und Ernährer war, kam unter die Alleinherrschaft. Nur der Name ist geblieben: Mato Grosso, ein Name ohne Inhalt. Der Krieg war offenbar gegen den Schöpfer. Der Autor Adolf Temme lebt seit 1964 in der Franziskanerprovinz Bacabal in Nordostbrasilien. Zurzeit ist er für das Exerzitienhaus der Franziskaner in Teresina, Piauí, verantwortlich. 33

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