Franziskaner Mission 2 | 2021

kleiner und die Brüder fragten sich: »Können wir uns das alles noch leisten? Die Instandhaltung des Gebäudes und des ganzen Areals? Wie können wir überleben und den Konvent hier oben halten?« Weggefährten finden Auf der Suche nach der Antwort trat der Konvent an »antonius : gemeinsam Mensch« heran, eine Bürgerstiftung, die Menschen mit Behinderung unterstützt. »antonius« und die Franziskaner sind in Fulda enge Weggefährten. Seit der Grün- dung der Stiftung im Jahr 1904 stellen die Franziskaner dort die Seelsorger. Bruder Gerhard erzählt, er habe dort bis zum Ausbruch der Corona-Pandemie schon 25 Mal »den Nikolaus gemacht«. 2014 begannen Rainer Sippel, damaliger Geschäftsführer von »antonius«, und Cornelius Bohl, Provinzialminister der Franziskaner in Deutschland, ihre Pläne zu schmieden. »antonius« sollte mit seinem Inklusionskonzept neues Leben in das alte Kloster bringen. Menschen mit und ohne Behinderungen würden hier zusammen leben und arbeiten. Und durch eine gemeinsame Belebung des Ortes könnten das Kloster und seine Infrastruktur wieder auf wirtschaftlich gesunden Füßen stehen. 2017 begann die Kooperation. Die Brüder zogen sich in den Ostteil des Klos- ters zurück, indes »antonius« weite Teile des Gebäudes als Tagungshaus vermarktet und mit dem FLORA klostercafé in der früheren Krankenstation eine hochwertige Gastronomie betreibt. Eine Schneiderei und der Klostergarten bieten weitere Arbeitsplätze. Etwa 50 Menschen mit Be- hinderungen arbeiten heute hier, darunter drei in unbefristeten, sozialversicherungs- pflichtigen Arbeitsverhältnissen, sowie eine Auszubildende, die als erste in Hessen den von der Industrie- und Handelskammer an- erkannten Ausbildungsberuf der »Fachprak- tikerin im Bereich Gastronomie« erlernt. »Inklusion war zunächst nicht unser Anliegen«, räumt Bruder Gerhard ein. Die Franziskaner mussten sich umstellen. Das Kloster war zuvor allein ihr Haus. Es war ein Ort der Stille. »Heute sind auch wir in der Inklusion mit drin«, sagt Bruder Gerhard: »Inklusion funktioniert.« Der Ton im Haus sei freundlich, das Miteinander angenehm. So schildert es auch Jessica Frantz, die als Inklusionsbeauftragte von »an- tonius« auf dem Frauenberg wirkt: »Es klappt super. Die Gäste erleben, dass die Mitarbeiter ihren Job so gut machen, dass man ihre Behinderung oft gar nicht wahrnimmt.« Wenn sich die Mitarbeiter wohl fühlten, wenn sie Anerkennung spürten und ohne Druck ihren Fleiß und ihr Engagement entfalten könnten, blüh- ten sie auf. Druck und Abwertung ver- mindern dagegen die Leistungsfähigkeit. Jessica Frantz hält eine »Gebrauchsan- weisung für Inklusion« parat: »Offen sein für Neues. Jedem seine Chance geben, denn jeder hat eine Chance verdient.« Hochmoderne Ideen Inzwischen ist das Kloster zu einem Ausflugsziel am Rande der Innenstadt geworden, mit Bratwurst, Eis, Kuchen, Caféspezialitäten, hauseigenem Bier und Konzerten auf der Terrasse. Zugleich ist es ein Ort der Entschleunigung und Spiritualität geblieben – nicht nur wegen der »Hoch Oben-Gottesdienste« einmal im Monat in der Klosterkirche. Bruder Markus zählt die Klöster per se zu den »Andersorten«, beschreibt sie als Stätten, um das franziskanische Charisma miteinander zu teilen. Er sagt: »Lasst uns die Erde als gemeinsames Haus betrachten und universale Ge- schwisterlichkeit leben. Das ist nach- haltig und franziskanisch.« Die Ideen der Franziskaner seien hochmodern, obschon das Leben als Franziskaner nicht im Trend liege. Das Café war gut besucht und das Tagungsgeschäft begann gerade zu laufen, als die Corona-Pandemie den Hotel- und Gastronomiebetrieb traf. Umso wichtiger sei es nun, den Inklusi- onsbetrieb mit weiteren starken Partnern wie dem Bischof, der Stadt, dem Kreis, aber ebenso mit der Hochschule Fulda zu erhalten, betont Christian Bayer, einer der beiden Geschäftsführer der zustän- digen gGmbH. Auch Bruder Markus spricht von der Suche nach Partnern. Während die Franziskaner andernorts gehen müssten, wie im westfälischen Wiedenbrück, sagten die Leute hier: »Das ist unser Kloster. Es muss bleiben.« In Fulda sind die Franziskaner schon einmal gegangen und wieder zurückge- kehrt. Heute wünscht sich auch Lisa- Maria Stein, dass sie bleiben. Denn die Inklusion hat ihr und den Brüdern eine Chance gegeben. Michael Perry ofm (Generalminister der Franziskaner) sagte bei seinem Besuch im November 2018 in Fulda: »Die Kirche von morgen braucht Partner, damit sie den christlichen Glauben leben und ihn mit den Menschen teilen kann. Die Koopera- tion der Franziskaner mit ›antonius‹ auf dem Frauenberg zeigt, wie die Kirche der Zukunft aussehen kann.« Christian Bayer (Geschäftsführer »an- tonius« : gemeinsam begegnen gGmbH) meint: »Inklusion gelingt nur gemeinsam mit starken Partnern aus Wirtschaft, Politik und Kirche. Auf dem Frauenberg lässt sich wunderbar ablesen, wie durch gemein- sam getragene Verantwortung ganz neue Formen von Teilhabe möglich werden. Davon profitieren nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern die ganze Gesellschaft.« Die Autorin Annika Vogel ist Journalistin und arbeitet u.a. als Pressesprecherin von »antonius : gemeinsam Mensch«. 11

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