Franziskaner Mission 2 | 2021

Ich bin Bruder Bladimir Salazar Mu- rillo . Ich bin 34 Jahre alt und komme aus dem Volk der Quechua, genauer gesagt aus der Yampara-Kultur . Die Yampara leben hauptsächlich im Re- gierungsbezirk Chuquisaca, auf etwa 3.000 Meter Höhe in der Nähe der Hauptstadt Sucre. Ich bin dort gebo- ren. Für mich bedeutet meine Kultur in erster Linie, dass ich Wurzeln habe, eine Familie, eine Gemeinschaft. Ich habe eine Identität, von der aus ich mich auf den Rest der Welt beziehe. Die Quechua-Kultur ist die größte in Bolivien, sie ist sogar in meh- reren lateinamerikanischen Ländern anzutreffen. Ich denke, wir haben ein gutes Image, weil wir unsere kultu- rellen Eigenschaften bewahren und uns als einladende, offene Menschen betrachten. In sozialer Hinsicht gehö- ren die Quechua eher der Mittel- und Unterschicht an. Es gab eine große Migration unter den Yampara vom Land in die Stadt, was zur Folge hatte, dass sich die Lebensqualität der Fami- lien verbesserte, aber in vielen Fällen ihre kulturelle Identität verloren ging. Innerhalb der Bruderschaft gibt es generell eine respektvolle Behandlung zwischen ethnischen Gruppen. Ich lerne viele Brüder auch aus anderen Landesteilen kennen und wir kommen gut miteinander zurecht. Früher gab es Konflikte innerhalb des Ordens, genau wie in Bolivien selbst, zwischen den östlichen und westlichen Kulturen. Aber heute denke ich, dass dies über- wunden ist. ZUSAMMENSTELLUNG: Pia Wohlgemuth | FOTOS: Provincia Misionera San Antonio en Bolivia Bolivien ist ein Vielvölkerstaat. Verschiedenste, uralte Kulturen der Anden und des Amazonas treffen hier zusammen und versuchen, gemeinsam eine moderne Gesellschaft zu bilden und ihren Völkern eine Zukunft zu bauen. Die Franziskaner Mission hat junge Franziskanerbrüder, die zusammen in Cochabamba studieren, nach ihrer Herkunft gefragt. Wie nimmt ihr Volk an der Gesellschaft Boliviens teil? Was kann ihre Kultur zu einer guten Zukunft beitragen? Gibt es eine faire politische Teilhabe für alle? Und wie wirken sich die sehr unterschiedlichen Hintergründe der Brüder auf das Zusammenleben im Orden aus? Vielvölkerstaat Bolivien Gelingt die Integration aller Kulturen? Das Wort Aymara leitet sich von dem Begriff Jayamararu ab, bestehend aus Jaya (fern), Mara (Zeit) und Aru (Sprache). Es bedeutet »Sprache vieler Jahre«. Ich liebe es, aus dieser Kultur zu stammen! Schon unsere Vorfah- ren haben die Grundlagen gelegt, wie Volkswirtschaft und Gemeinwohl gelingen können. Zugrunde liegt die Idee der gegenseitigen Unterstützung: Geben, um zu empfangen. Jede von einer Person ausgeübte Handlung oder Tätigkeit bewirkt die Handlung einer anderen Person. Der Hauptbeitrag der Aymara für die gesamte Menschheit war die Domestizierung der Kartoffel. Wie schon in der Vergangenheit, so wird sie auch zukünftig weltweit ein wichtiger Teil der Ernährung bleiben. In den vergangenen Jahren hatten wir mit Evo Morales einen Präsi- denten, der aus dem Volk der Aymara stammte. Die Politik verspricht viel für alle, weckt aber falsche Erwartungen und dann sind die Menschen unzufrie- den. Aber viele sind auch selber schuld, weil sie selbst nichts tun, um etwas zu erreichen. Mein Wunsch ist, dass wir fried- licher werden. Mit Gewalt erreicht man nichts. Aber wir müssen realistisch sein: Wenn die Menschen nicht protestieren, ändert sich nichts. Franziskaner sein heißt, geben, ohne etwas dafür zu erwarten. Meine Kultur hat mir viel gegeben und das kann ich an meine Mitmenschen weitergeben. Mein Name ist Jhonny Choque Salinas . Ich bin 25 Jahre alt, Franzis- kaner und studiere im zweiten Jahr Philosophie. Ich gehöre zur ethnischen Gruppe der Aymara . Wir Aymara sind eines der berühmtesten indigenen Völker der Welt! Mehr als eine Million Menschen sprechen Aymara! Außer- dem sind wir bekannt für die Nutzung der Kokapflanze und die Aufzucht von Alpakas und Lamas. Mein Volk lebt in den Hochanden, wir tragen farbenfro- he Kleidung mit dem charakteristischen Hut und haben eine faszinierende, sehr alte Geschichte und Kultur, die nicht nur die spanische Eroberung, sondern auch schon die Inkas überlebt hat. 16

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