Franziskaner Mission 3 | 2021

In 20 Jahren Leben und Arbeiten mit indigenen Völkern habe ich viel gelernt und entdeckt. Der brasilianische Bundes- staat Rondônia ist völlig verwüstet durch zerstörerische Aktionen wie Rodungen durch Wirtschaftsgruppen und der organisierten Kriminalität. Sie wollen die ganze Region in große Privat-Landwirt- schaft, den sogenannten Agrobusiness, verwandeln. Sie hinterlassen eine Spur der Verwüstung – und der Wüstenbil- dung, da das Amazonasgebiet ohne den Erhalt des Regenwalds nicht überleben kann. Wir von Amazonien wissen, dass der Wald und die Natur ihr eigenes Leben haben. Die Ureinwohner und die Amazonasvölker kennen Wege, mit der Artenvielfalt harmonisch zu leben und die Amazonas-Zyklen zu respektieren. Allein im Bundesstaat Rondônia leben 60 indigene Völker, davon 15 soge- nannte freie/isolierte Völker, mit einer einzigartigen kulturellen und sprachli- chen Vielfalt. Nur 20 indigene Territorien sind staatlich geschützte Gebiete. Viele Völker, die vom brasilianischen Staat als ausgestorben erklärt wurden, bekennen sich selbst zu ihrer indigenen Identität und fordern von der Bundesregierung die ethnische und territoriale Anerken- nung. Hartnäckige Saat Die 20 indigenen Territorien werden systematisch von Holzfällern, Bergleu- ten, Landräubern, Fischern und großen Wirtschaftsunternehmen überfallen. Sie beuten natürliche Ressourcen aus und plündern so die Lebensgrundlagen der Ureinwohner. Dadurch zerstören sie nach und nach die Zukunftsperspektiven der indigenen Völker. Die Verteidigung des Landes, die Bewahrung einer gesun- den und freien Umwelt, verstehen wir als Verteidigung des Lebens, des Landes und unserer Rechte. In diesem jahrtau- sendealten Widerstand sind die indige- nen Völker »hartnäckige Saat«, die trotz der vom brasilianischen Staat diktierten Todespläne aus der Asche wiedergebo­ ren und Zeichen der Hoffnung sind. Ich mache diese persönliche Einführung, um verständlich zu machen, wovon ich spreche und aus welchen Begegnungen ich meine Erfahrungen als indigene Fran- ziskanerin schöpfe. Aus der Erfahrung des Zusam- menlebens mit dem Volk der Karipuna bringe ich die Anstrengung, den Kampf und alle Bemühungen zur Verteidigung des Landes der Karipuna mit. Dies ist als ausgewiesenes Territorium deutlich abgegrenzt und gesetzlich gesichert, erleidet aber trotzdem zahlreiche illegale Landbesetzungen. Die Verteidigung des Territoriums stellt heute die Verteidigung der Rechte der Ureinwohner dar, die in der brasilianischen Bundesverfassung festgelegt und garantiert sind. Das Volk der Karipuna war vor 30 Jahren fast ausgerottet. Es waren nur noch acht In- digene übrig, fünf Erwachsene und drei Kinder. Heute erleben diese Menschen die Gefahr eines zweiten Völkermords – aufgrund illegaler Aktionen von wirt- schaftlichen und politischen Gruppen, die ihr Land in Besitz nehmen wollen. Im Jahr 2017 unternahmen wir, zusammen mit den Karipuna, eine Evaluation des gesamten Territoriums, um die Orte der illegalen Landbesetzung Gerne berichte ich im Folgenden über meine reichen, aber auch bedrückenden Erfahrungen in meiner Mission unter den Ureinwohnern und den indigenen Völkern. Ich stamme aus einer einfa­ chen Familie, die ihr ganzes Leben lang ihre indigene Identität verborgen hat. Es war die direkte Arbeit mit indigenen Völkern und die Verwüstung des Amazonasgebiets, die mich zu meiner Herkunft stehen ließen. Meine Entscheidung für ein Ordensleben in der franziskanischen Kongre- gation der Katechetenschwestern ermöglichte mir ein Zusammenleben mit indigenen Völkern. Anwältin indigener Völker Franziskanerin klagt Gewalt gegen Ureinwohner an genau zu lokalisieren und mit geogra- fischen Koordinaten und Bildern zu dokumentieren. In den folgenden Jahren wurden wiederholt solche Erhebungen durchgeführt, um notwendige Unterla- gen und Beweise zu haben für politische Untersuchungen auf nationaler und inter- nationaler Ebene. Es wurden immer wie- der Maßnahmen gegen die Eindringlinge und zur zivilrechtlichen Bestrafung ihrer Verbrechen gefordert. An Verfolgung und Morddrohungen gegen das Volk der Karipuna, Missionskräfte und verbündete Basisbewegungen fehlte es nicht. Die Situation der Besetzung des Territoriums der Karipuna ist beispielhaft für die gesamte Region. Die Eindringlinge versuchen überall, den illegalen Besitz von indigenem Land mit vollendeten Tatsachen zu verankern. Wenn es ihnen gelingt, sich im Gebiet der Karipuna zu etablieren, werden sie sicherlich versu- chen, diese Strategie auch auf andere indigene Territorien auszuweiten. Auch wenn diese überall in Brasilien bereits gesetzlich geschützt sind. Einschränkungen Ich berichte von diesem Beispiel, um die ständigen Rechtsverletzungen, Gewalt- anwendung und das Leid der Menschen, wie wir es heute fast überall im brasilia- nischen Amazonasgebiet erleben, auch auf diesem Weg bekannt zu machen. Seit 2017 musste ich, aufgrund der ständigen Morddrohungen, oft meinen Tagesablauf sowie Wege und Fahrten durch Porto Velho, der Hauptstadt des Bundesstaats Rondônia, ändern. Mit anderen Worten: Ich verlor mehr und mehr meine Bewe- gungsfreiheit. Es ist sehr schwer, ohne TEXT UND FOTOS: Laura Vicuña Pereira Manso CF 12

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