Franziskaner Mission 3 | 2021

Als das grausame Morden 1994 in Ruanda begann, mussten alle ihren Per- sonalausweis vorzeigen, um die Volks- zugehörigkeit feststellen zu können. So wurden innerhalb von drei Monaten etwa 800.000 Tutsis identifiziert und er- mordet; mit ihnen auch einige politisch gemäßigte Hutus. Nach dem Genozid übernahm Paul Kagame als Verteidigungsminister und Vizepräsident politische Verant- wortung und schaffte als erstes den Personalausweis mit Eintrag der Volks- zugehörigkeit ab. Die Menschen des ostafrikanischen Landes sollten sich als Ruander verstehen und stolz sein auf ihre Nation. Man wollte die Volksgrup- pen zügig zur Einheit führen und die mörderische Gewalt bald vergessen. Ein Sprung ins Jahr 2021: Noch heute befindet sich das Land, trotz aller Bemühungen, im Versöhnungsprozess. Die Menschen versuchen, friedlich mit- einander zu leben, zusammenzuarbeiten und sich als Ruander zu verstehen. Sie sind sich jedoch weiterhin ihrer ethni- schen Geschichte bewusst. Erinnert sei daran, dass wir Franziskaner im Dorf Kivumu neben der »Pater-Vjeko- Berufsschule« außerdem einen Kinder- garten und eine Grundschule aufgebaut haben. Alle Kinder und Jugendlichen, egal aus welcher Volksgruppe, sind willkommen und werden angehalten, sich gegenseitig zu respektieren. Die Auszubildenden kommen aus vielen Re- gionen des Landes, haben ihre persönli- chen familiären Geschichten ethnischer und wirtschaftlicher Art. Einige kommen aus extrem armen, andere aus finanziell besser gestellten Familien. Alle Kinder und Jugendlichen unserer Einrichtungen sind eingeladen, in einer freundschaftli- chen Atmosphäre gemeinsam zu lernen und zu spielen, um auf diesem Weg zu einer segensreichen Zukunft Ruandas beizutragen. Das Berufskolleg in Kivumu ermöglicht Schülerinnen und Schülern, neben dem Fachunterricht, an außer- schulischen Aktivitäten wie Fuß- oder Volleyball oder Gymnastik teilzuneh- men. Auf diese Weise werden Teamgeist und gesundes Miteinander aufgebaut. TEXT UND FOTO: Ivica Peric´ ofm In Ruanda lebten die Volksgruppen Hutu und Tutsi viele Jahre relativ friedlich miteinander. Neben diesen beiden größeren Völkern gibt es das kleine Volk der Twa mit anteilig nur etwa einem Prozent an der Gesamtbevölkerung. Während der belgischen Kolonialzeit wurde der Personalausweis mit Angabe der Volksgruppe eingeführt. Diesen Ausweis musste man ständig mit sich tragen, um seine Volkszugehörigkeit nachweisen zu können. Versöhnungspädagogik in Ruanda Pater-Vjeko-Berufsschule leistet wichtigen Beitrag Ferner gibt es Angebote für Chorgesang, Modedesign und Medienarbeit. Die Jün- geren können auch beim Schachspielen oder Tischtennis ihre Talente entfalten. Gelegentlich wird zu öffentlichen Ver- anstaltungen eingeladen, um den Eltern und der Dorfgemeinschaft die Lernfort- schritte der Schülerschaft vorzuführen. Wir glauben, Fortschritte in Richtung Frieden im Land lassen sich nicht nur durch Worte, sondern ebenso durch sinnvolle Aktivitäten erreichen. Mit Unterstützung von Freunden und Wohl- tätern, die unsere Erfolge sehen, hoffen wir, unsere Arbeit fortsetzen zu können, um am Aufbau eines friedlichen Ruanda mitzuwirken. Der Autor Ivica Peric´ ist kroatischer Franziska- ner. Er gehört zur ostafrikanischen Franziskaner- provinz vom heiligen Franziskus und leitet die »Pater-Vjeko-Berufsschule« in Kivumu, Ruanda. Übersetzung aus dem Englischen: Heinrich Gockel ofm 32

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