Franziskaner Mission 3 | 2021

Die Sache mit den Wangen Gewaltverzicht in der Bergpredigt Jesu »Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin.« (Matthäus 5,39) Ganz ehrlich, Hand aufs Herz, was halten Sie davon? »Nichts« ist die klare Antwort, die mir regelmäßig aus Firmgruppen entgegenkommt, mal eher im heimlichen Flüsterton, der eigentlich nur für den Kumpel nebenan gedacht ist, mal laut, durchaus auch mit drastischerem Wortschatz. Dazu genervtes Augenrollen und Gesichter, die sich direkt zurück zum Smartphone sehnen. Ich schaue in die Runde, wähle mir eine oder einen aus und hole sie, hole ihn, zu mir nach vorne. Ich suche Blickkontakt, verschämtes Auf-den-Boden-Schauen läuft nicht. »Komm! Schlag mich auf die rechte Wange!« »Echt jetzt?!« Spätestens nun ist die ganze Gruppe hellwach. Ein misstrauischer Blick: »Und du schlägst ehrlich nicht zurück?« »Mach!« Die saß. Ich hatte es ja nicht anders gewollt. Gespanntes Schweigen. Warten auf meine Reaktion. Ich sage: »Falsch!« Der Raum besteht aus Fragezeichen. »Ich habe gesagt, du sollst mich auf die rechte Wange schlagen.« Bei den ersten fällt der Groschen. »Das war links.« »Genau. Das war links. Also nochmal.« Es folgt ein unbeholfener Versuch mit der linken Hand. »OK. Aber wie wahrscheinlich ist es, dass du als Rechtshänder mich mit der linken Hand schlägst?« Wenn wir davon ausgehen, dass auch die Mehrheit der Mitmenschen Jesu keine Linkshänder waren, muss etwas anderes hinter dieser auch heute noch verstörenden Aufforderung stecken. Wir spielen die Situation weiter durch: Schlägt man tatsächlich jemanden mit der rechten Hand auf die rechte Wange, kann das nur gelingen, indem man dazu den Handrücken benutzt. Dieser Schlag hat keine körperlich verletzende Kraft. Er ist eine Beleidigung. Eine Demütigung. In späteren Zeiten warf man dem Gegenüber einen Fehde­ handschuh vor die Füße. Wie reagiert nun der auf diese Art Provozierte? Wir können uns vorstellen, dass ebenso wie in unserer Spielsituation viele Augenpaare auf die Szene gerichtet sind. Es wird spannend. TEXT: Laurin Katharina Singer | FOTO: Renáta Sedmáková /stock.adobe.com

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=