Franziskaner Mission 3 | 2021

Mit allen Sinnen beten Wie Christen in Bolivien feiern In den alten Missionen unseres Vikariats, wie in Concepción, werden die Prozessionen im Laufe der Karwoche immer länger und dra- matischer. Dabei wechseln sich die Gläubigen darin ab, die schweren Figuren und Symbole aus der Passion Christi zu schultern und zu tragen. Bestimmt erhofft sich der Einzelne dabei einen besonderen Segen oder dass sein Gebet endlich erhört werde. Man möchte sagen, die Menschen erle- ben sich als pilgerndes Gottesvolk. Musik von Flöten und Trommeln begleiten die Prozessio­ nen mit ihrem wehmütigen Klang. Auch in den neueren Pfarreien des Vika- riats, wie in San Julián, lieben es die Gläubigen, mit ihren Heiligenfiguren durch die Straßen zu ziehen, zumindest einmal um die Plaza. In der akuten Phase der Pandemie wurden die Prozessionen schmerzlich vermisst. Den Men- schen, die aus dem Hochland Boliviens stam- men, ist es besonders wichtig, ihre Heiligen zur Fiesta mit einem neuen Gewand auszustatten und reichlich zu schmücken. Konfetti und Weihrauch dürfen nicht fehlen, ebenso wenig eine große Blaskapelle. Junge Tänzerinnen und Tänzer in aufwendigen, farbenfrohen Trachten erweisen dann der Gottesmutter Maria oder dem Apostel Santiago die Ehre, indem sie vor ihnen einen traditionellen Tanz aufführen. Am Ende des Tanzes nehmen sie ihren Hut ab und knien vor dem Heiligen nieder. Die Gläubigen Boliviens beten mit allen Sinnen, sie berühren und küssen auch gerne ihre Heiligenfiguren. Nicht nur am Fest Mariä Him- melfahrt bergen sich viele Gläubige buchstäblich unter dem Schutzmantel der Muttergottes und lassen sich einen besonderen Segen zusprechen. Der Autor Robert Hof arbeitet als Missionar und Seelsorger in San Julián, 150 Kilometer östlich von Santa Cruz de la Sierra im Tiefland Boliviens. Nach einem »Gastspiel« von fünf Jahren als Pfarrer in München, durfte er Anfang 2021 wieder in sein geliebtes Bolivien zurückkehren. LIED ZU »UNSERE LIEBE FRAU VON AMERIKA« Kehrvers Amerika, erwache. Über deinen Hügeln bricht das Licht eines neuen Morgens an. Der Tag der Rettung ist nahe. Den Völkern, die im Dunkeln leben, ist ein helles Licht erschienen. 1. Mutter der Armen, Mutter der Pilger, heute bitten wir dich für Lateinamerika, Erde, die du selbst barfuß besucht hast, ein Kind fest in deinen Armen haltend. 2. Licht eines verwundbaren Kindes, das uns stark macht, Licht eines armen Kindes, das uns reich macht, Licht eines Sklavenkindes, das uns frei macht. Dieses Licht, das du uns an jenem Tag in Betlehem geschenkt hast. 3. Mutter der Armen, es herrscht viel Not, denn oft fehlt das Brot in vielen Häusern, das Brot der Wahrheit fehlt in vielen Köpfen, das Brot der Liebe fehlt in vielen Herzen. 4. Du kennst die Armut, denn du hast sie gelebt, erleichtere die Not all derer, die leiden, reiß‘ den Egoismus aus, der uns arm macht, um zu teilen und voranzukommen auf dem Weg zum Vater. 14 | 15

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