Franziskaner Mission 1 | 2022

Die etwas wackelige Schiffsrampe schreckt die Menschen nicht ab, die »schwimmende« Arztpraxis auf dem Krankenhausschiff zu besuchen. Medizin – sind mit Geräten ausgestattet, die zu den modernsten ihrer Art gehö- ren. Für die Diagnostik stehen ein Labor sowie Röntgengeräte zur Verfügung. Für kleinere Operationen wird ein komplett ausgestatteter OP-Saal mit dem entspre- chenden Personal genutzt. Es gibt auch einen kleinen Aufwachsaal und eine Apotheke. Ich war beeindruckt. Versorgung für alle Im Eingangsbereich des Schiffes ist der Aufnahmebereich für Patientinnen und Patienten. Sie werden digital erfasst, soweit das Internet funktioniert. Da der Zugang zu den Praxen nur über einen engen Korridor möglich ist, warten die Kranken und ihre Begleitpersonen meist im schmalen Eingangsbereich. Jetzt muss ich etwas schmunzeln. Denn im Grunde genommen ist der Ein- gangsbereich doch ganz schön groß, da viele Menschen auf ihren Booten warten. Andere stehen und sitzen am Ufer unter Bäumen. Dort bereiten sie ihr mitge- brachtes Essen vor und machen eine Art Picknick. Die wechselnden Anlegeorte und -zeiten des Schiffes werden über die kommunalen Stellen des Gesundheits- amtes bekanntgegeben. Während meines Besuchs ging ich zu ihnen und fragte sie, woher sie kamen, wie lange sie unterwegs waren, welche Krankheiten sie oder ihre Fami- lienangehörigen hätten. Viele von ihnen waren mit ihren Booten mehrere Stunden unterwegs und schon seit dem frühen Morgen da, um rechtzeitig zur Sprechstunde vor Ort zu sein. Es waren Schnittwunden zu behandeln, Wurm­ erkrankungen, Kinderkrankheiten, Frau- enkrankheiten, Bruchverletzungen, ja und auch Geburten. Zum Abschluss der Behandlung bekamen die Patientinnen und Patienten Nachbehandlungstermi- ne, Medikamente und Rezepte. Ich sah, wie schwer es für man- che Menschen war, auf das Schiff zu kommen. Die Rampe, die vom Schiff zum Ufer gelegt wurde, hat geschwankt und war wackelig. Manche Kranke wur- den auf das Schiff getragen. Da die Seitenflüsse des Amazo- nas oft sehr schmal sind und das große Krankenhausschiff nicht in die entlege- nen Gemeinden fahren kann, wurde ein kleines Schnellboot gekauft, um die Menschen abzuholen. Einmal bekam Joel Souza ofm, der damalige Leiter des Krankenhausschiffes, beim letzten Ein­ satz im Dezember 2021 um 21:30 Uhr einen Anruf: Eine hochschwangere Frau hatte große Schmerzen und musste dringend medizinisch versorgt werden. Ein Arzt- und Pflegeteam fuhr sofort mit dem Schnellboot in die Gemeinde, holte die werdende Mutter ab und brachte sie zum Hauptschiff. Dort wurde die Ge- burt eingeleitet – Mutter und Kind sind heute glücklich und gesund. Gott sei Dank! Das war für alle ein sehr emotio- naler Moment. Hoffnung und Leid Mit dem Kauf und der Einrichtung eines zweiten Schiffes, das auf den Namen Krankenhausschiff Papst Johannes Paul II. getauft wurde, verbesserten sich die räumlichen Bedingungen und die Be- handlungsmöglichkeiten. Ab Beginn des Jahres 2022 wird das dritte Hospitalschiff – mit dem Namen Krankenhausschiff Papst Johan- nes XXIII. – in der Erzdiözese Manaus bei der dort lebenden indigenen Bevölke­ rung sowie in den Gemeinden der Qui­ lombolas (Nachfahren der ehemaligen afrikanischen Sklaven) seinen Dienst aufnehmen. Erzbischof Leonardo Steiner ofm hat zusammen mit Bischof Bernardo Johannes Bahlmann ofm das Schiff im Juli 2021 geweiht. Und: Diese pastoral-soziale Aktion ist nur möglich, weil es die Weltkirche gibt, weil Bischof Bahlmann auch in Deutschland gut vernetzt ist und da- durch finanzielle Hilfe erhält. Die Jahre 2020 und 2021 waren geprägt von der Covid-19-Pandemie. Deswegen versorgte das Krankenhaus- schiff die Patientinnen und Patienten außer mit den medizinischen Behand- lungen auch mit Nothilfepaketen. Das war bitter nötig, denn die Familien hat- ten durch den landesweiten Lockdown keine finanziellen Mittel und Möglich­ keiten, in die Städte zu fahren und sich mit Grundnahrungsmitteln zu versorgen – wie Reis, Nudeln, Öl, Essig, Salz, Zu- cker, Milch, Kaffee. Zudem fehlten und fehlen noch immer Hygieneartikel wie Desinfektionsmittel, Masken, Handschu- he, Seife, Putzmittel. 2021 starben viele Menschen vor den Krankenhäusern, weil der lebensnotwendige Sauerstoff fehlte. Es war dramatisch und führte zu großen Engpässen. Das Team des Kranken­ hausschiffes machte sich auf den Weg in das Randgebiet zwischen der Erzdiözese Lesen Sie auf Seite 20 weiter. 16 | 17

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=