Franziskaner Mission 1 | 2022

Für und Wider In Brasilien haben kirchliche Einrichtun- gen seit der portugiesischen Kolonisie- rung (1500) bis heute eine wichtige Rolle bei der Gesundheitsversorgung der Armen gespielt, und zwar in Form von konkreter Hilfe, politischem Engagement und sozialer Mobilisierung. Vom Ende des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gingen vom Staat einige präventive Gesundheitsmaßnahmen aus. Aber erst 1953, als das Gesundheitsministerium geschaffen wurde, begann ein Prozess, der durch bedeutende Konferenzen die Idee eines Gesundheitssystems für alle reifen ließ. Leider wurde dieser Prozess wäh- rend der traurigen Zeit der Militärdik- tatur von 1964 bis 1985 unterbrochen. In diesen Jahren hatte das öffentliche Gesundheitswesen im Staatshaushalt praktisch keinen Platz. Die Bevölkerung hatte im Allgemeinen keinen Zugang zu Gesundheitsdiensten und war den Wahlinteressen der Politiker ausgeliefert. Gleichzeitig kam Unterstützung von sozialen und kommunalen Gesundheits- bewegungen, an denen sich auch viele Franziskanerinnen und Franziskaner be- teiligten. Diese Basisbewegungen wurden von Fachleuten des Gesundheitswesens, Intellektuellen, Kirchen (vor allem Or- densmitgliedern, darunter Franziskaner) und politischen Parteien gebildet, die über die notwendigen Veränderungen im öffentlichen Gesundheitswesen Brasi- liens diskutierten. So wurde 1986, nach dem Ende der Militärdiktatur (1985), die 8. Nationale Gesundheitskonferenz abgehalten, auf der die Gesundheit als eines der Bürgergrundrechte und als Pflicht des Staates definiert wurde. Diese Definition wurde in die Bundesverfassung (1988) übernommen und mit der Schaf- fung eines einheitlichen öffentlichen Ge- sundheitssystem (SUS) ab 1990 geregelt. Hilfe für alle Das SUS, mit seinen Grundprinzipien und Leitlinien der Universalität, Inte- grität, Gleichheit und Beteiligung der Gemeinschaft, wurde zur geltenden Gesundheitspolitik Brasiliens. Darüber hinaus sieht diese wichtige Neuerung vor, dass der Staat bei der Unterstützung und Bereitstellung von Gesundheits- diensten auf ergänzende Maßnahmen der organisierten Zivilgesellschaft (Kirchen, Nichtregierungsorganisatio­ nen und andere) zählen kann. Die Geschichte des SUS, die verfassungsmä- ßige Garantie und klare Kriterien sind seine größten Stärken. Sie machen es zu einem gesundheitspolitischen System, das einen gleichberechtigten Zugang zu Dienstleistungen bietet und eine große Errungenschaft der brasilianischen Bevöl- kerung bedeutet, die weltweit zu einem Vorbild geworden ist. Das SUS hat bereits sehr gut funk- tioniert, mit effizienten Gesundheitspro- grammen, die den Zugang zu kostenlosen Medikamenten und zu grundlegenden und hochkomplexen Behandlungen ga- rantierten. In den Gemeinden, in denen ein guter politischer Wille, weniger Ver­ untreuung von Geldern und eine sichere Überwachung durch die lokale Gemein- schaft vorhanden sind, sind die Gesund- heitsdienste besser entwickelt. Aber auch wenn das SUS an den meisten Orten, angesichts korrupter Verantwortlicher, immer noch nur prekär funktioniert, bleibt es eine wichtige Errungenschaft des brasi- lianischen Volkes. Gesundheitszentrum St. Franziskus Mehr als das brasilianische Gesundheitsprogramm Zwei brasilianische Franziskaner stellen dem maroden Gesundheitssystem Brasiliens eine franziskanische Initiative in Campo Grande gegenüber, bei der alle Kranken mit einer fachlich sehr guten Betreuung rechnen dürfen. Niemand wird wegen einer bestimmten Krankheit oder seiner Armut ausgegrenzt. Wir stellen folgend die Geschichte der öffentlichen Gesundheitspolitik und die franziskanische Gesundheitsarbeit im Bundesstaat Mato Grosso do Sul dar. Täglicher Andrang von Kranken im franziskanischen Gesundheitszentrum in Campo Grande, Mato Grosso do Sul TEXT: Wanderley Gomes de Figueiredo ofm und Aluísio Alves Pereira Júnior ofm | FOTOS: FM-Archiv 28

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