Franziskaner Mission 2 | 2022

Verantwortung übernehmen Kippt das Ökosystem Amazonas? Es ist eine der an Biodiversität reichsten Regionen der Welt: In dem einzigartigen Biom Amazonien ist alles miteinander verbunden. Dank der vielen Synergien zwischen den verschiedenen Arten von Lebewesen, die in diesem Ökosystem interagieren, ist der Regenwald am Amazonas unersetzbar. TEXT: Prof. Dr. Birgit Weiler MMS | FOTO: Diözese von Óbidos Gegenwärtig erlebe ich in schockie- render Weise, wie in der peruanischen Hauptstadt Lima, weit weg vom Lebens- raum der indigenen Völker, Großprojek- te in ihren Territorien geplant werden – zur Förderung von Gold und anderen Mineralien, von Erdöl und Erdgas sowie für den Agrobusiness mit seinen ausge- dehnten Monokulturen. Dies geschieht zumeist, ohne dass die indigenen Ge- meinschaften von Beginn an intensiv in den Beratungs- und Entscheidungspro- zess einbezogen werden. Die gesamte Amazonasregion wird ökologisch immer mehr zerstört, insbesondere durch die bereits genannten extraktiven Aktivitä- ten sowie durch die illegal betriebene Goldschürfarbeit und den illegalen Han- del mit tropischen Edelhölzern. Dadurch werden vielerorts Boden und Wasser immer mehr verschmutzt. Wie Carlos Nobre, ein inter- national anerkannter brasilianischer Experte für Biodiversität, Ökosysteme und Klima, feststellt, ist die gesamte Amazonasregion aufgrund der vielfa- chen Schädigungen ihrer Ökosysteme und des Klimawandels bereits sehr nah an einem gefährlichen Kipppunkt. Sollte dieser erreicht werden, hat dies gravierende Folgen: 50 bis 60 Prozent des gesamten Regenwaldes könnten zu einer ausgedehnten Savanne werden mit schlimmen Folgen für Amazonien, Südamerika und die Karibik und auch für das schon jetzt instabile Erdklima. Zusammen mit den Menschen vor Ort nehme ich die Auswirkungen des Klimawandels in Amazonien wahr. Es gibt längere Dürreperioden, ande- rerseits kann es zu massiven und lang anhaltenden Regenfällen kommen, die starke Überschwemmungen sowie gefährliche Erdrutsche verursachen. Wie ich aus der Begegnung mit betrof- fenen Familien weiß, ist durch den Kli- mawandel im Amazonasgebiet bereits die Ernährungssicherheit vieler Men- schen, die in Armut leben, gefährdet. In Amazonien werden der Schrei der Erde und der Schrei der Armen immer durchdringender. Aus Schöpfungsver- antwortung sind wir herausgefordert, diese Schreie zu hören und darauf zu antworten. Denn die Probleme in Ama- zonien sind eng mit Lebensstil, Kon- sumverhalten und Wirtschaftspraktiken in den hoch industrialisierten Ländern Europas und anderswo verbunden. Es braucht unseren entschiedenen Einsatz für einen fairen, wahrhaft nachhaltigen Handel im Einsatz für diesen wunder­ baren Teil unseres gemeinsamen Hauses und in Solidarität mit den Menschen vor Ort. Die Autorin Birgit Weiler lehrt an der Päpst­ lichen Katholischen Universität in Lima, Peru. Sie arbeitet außerdem seit Jahren zusammen mit dem Vikariat von Jaén in der Pastoral mit den beiden indigenen Völkern Awajún und Wampis, die im peruanischen Amazonasraum in der Nähe der Grenze mit Ecuador leben. 18 | 19

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