Franziskaner Mission 2 | 2022

Liebe Leserin, lieber Leser! TITEL Unser Titelfoto ist am Amazonas ent- standen – eine passende Einstimmung in den Sonnengesang des heiligen Franziskus. Schwester Sonne am Hori­ zont spiegelt sich strahlend in der Schwester Wasser und lässt die Wolken in ihrer Vielfalt leuchten. Dazwischen schiebt sich Mutter Erde, die uns mit vielfachen Früchten erhält. Der Arten- reichtum im Wasser, auf dem Land und in der Luft lässt sich hier nur erahnen. Franziskus preist den Schöpfer: »Ich lobe dich, mein Herr, mit allen deinen Geschöpfen, besonders mit unserer schönen Schwester Sonne, die uns den hellen Tag schenkt, mit ihrem Leuchten schenkt sie uns ein Zeichen von dir!« Angesichts aktueller drängender Fragen tritt die Sorge um Gottes Schöpfung etwas in den Hintergrund. 2015 hat Papst Franziskus in seiner Enzyklika »Laudato si'« zur Pflege unseres gemein- samen Hauses aufgerufen und stützte sich dabei auf eine Poesie des Franziskus von Assisi. Bruder Stefan Federbusch schreibt dazu gleich zu Beginn dieser Ausgabe: »Kann ein 800 Jahre altes Lied wie der Sonnengesang heute noch modern sein? Of- fensichtlich, denn über all die Jahrhunderte wurde es bewahrt, immer wieder neu vertextet und vielfältig vertont. Bis in eine päpstliche Enzyklika hinein hat es das ›Lied der Geschöpfe‹, wie der Sonnengesang auch genannt wird, geschafft.« Am Neujahrstag 2022 haben sich die Ver- antwortlichen der sechs großen franziskanischen Orden mit einem Brief an die weltweite franzis- kanische Familie gewandt. Sie lenken den Blick auf das 800-jährige Jubiläum des Sonnengesangs im Jahre 2025. In ihrer Handreichung heißt es: »Wenn wir als franziskanische Familie das Jubilä- um des Sonnengesangs feiern, führt uns das zu einer radikalen Veränderung unserer Beziehung zur Schöpfung, die darin besteht, den Besitz durch die Sorge für unser gemeinsames Haus zu ersetzen. In der Tat muss jeder von uns aufrichtig auf diese Fragen antworten: Wie will ich meine Beziehung zu anderen Geschöpfen leben? Als ein Herrscher, der sich das Recht anmaßt, mit ihnen zu machen, was er will? Als Verbraucher von Res- sourcen, der in ihnen eine Möglichkeit sieht, sich einen Vorteil zu verschaffen? Oder als ein Bruder, der vor der Schöpfung innehält, ihre Schönheit bewundert und sich um das Leben kümmert?« Das Redaktionsteam hat für diese Ausgabe das Thema Sonnengesang gewählt und möchte für die Vision einer universalen Geschwisterlichkeit begeistern. Dazu konnten wir den franziskanischen Künstler Zacarias Nunes Lopes gewinnen. Er ist Leiter und Kunstpäda- goge der Frei-Alberto-Schule in Brasilien. Frei Zacarias hat die acht Elemente aus dem Lied der Geschöpfe malerisch dargestellt. Seine Kunst- werke geben dem Heft eine klare Struktur. Nach jeder Strophe des Sonnengesangs folgen jeweils konkrete Beispiele aus unseren Partnerländern. So schenkt Schwester Sonne einer brasilianischen Schule neue Energie, in Bolivien werden Kinder eines franziskanischen Projekts Sterne genannt, in El Salvador und Vietnam dürsten die Menschen nach Schwester Wasser, in Familienlandwirt- schaftsschulen entdecken Jugendliche ihre Liebe zur Mutter Erde und in Ruanda findet Anastasia ihren Weg zum Frieden und zur inneren Versöhnung. Es ist beeindruckend, wie aktuell eine fast 800 Jahre alte Schöpfungspoesie sein kann. Das gemeinsame Haus braucht unsere Pflege. Gerech- tigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung gehören zu den großen Herausforderungen unserer Zeit. Ich bin dankbar für unsere Verbundenheit und jede Form von gelebter Solidarität mit Gottes Geschöpfen. PAX et BONUM, Br. Augustinus Diekmann ofm Leiter der Franziskaner Mission Dortmund 3

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