Franziskaner Mission 2 | 2022

Bei der letzten Reise hatte ich ein kleines Amateurteleskop im Gepäck mitgebracht – für die Jugendlichen eine Überra- schung, den nächtlichen Himmel einmal mit deutlich mehr Tiefe und Detail be- trachten zu können! Das Fernrohr wird mittlerweile immer wieder aufgestellt und lässt Mond, Planeten und Sterne näherkommen. Nicht von ungefähr kommt es ja, dass in der Nationalflagge Brasiliens die berühmten Sternbilder des Südens als symbolisches Piktogramm dargestellt sind. Wir kennen hierzulande wohl den »Skorpion« als astrologisches Tierkreis- zeichen, aber wirklich sehen kann man dieses Sternbild bei uns höchstens im Frühsommer tief am Horizont. Am dunklen und sternenklaren Himmel aber, wie man ihn auf dem Gelände der Familienlandwirtschaftsschule »Manoel Monteiro« erleben kann, sieht man den Skorpion stets hoch am Himmel in einer faszinierenden Brillanz. Ebenso erkennt man »o Cruzeiro do Sul« – das Kreuz des Südens, das ebenfalls eine der Stern- gruppen auf der brasilianischen Flagge ist. Es sind Himmelsblicke, die einen Deutschen, der im Sommer kaum einen Sternenhimmel wahrnehmen kann, weil die Nächte kurz sind, überwältigen. Ohne Trübung und Aufhellung wird in der Region der Manoel Monteiro-Schule ein kurzer Himmelsblick zum Schauen einer Herrlichkeit, die einen bannt und eine Sehnsucht nach Tiefe und Weite aufkommen lässt. Und wenn die kleinen oder auch größeren Kenntnisse über die astronomischen Zusammenhänge ein Verstehen ermöglichen, dann wird aus Faszination ein echtes Staunen. Und die eine Frage stellt sich sofort: Was oder wer hat hier wie und warum genau so gehandelt oder zumindest ermöglicht, dass das, was ist, wurde, ist und weiter wird? Das Betrachten des Firmaments zusammen mit Freunden, die nicht nur Es ist wirklich wunderbar erleben zu dürfen, wie sich der Anblick des Sternenhimmels verändert, wenn wir an den Äquator reisen. Als ich in den Jahren 2015 und 2017 jeweils für Begegnungen zwischen Schülergruppen aus Deutschland und Brasilien in den Bundesstaat Maranhão reiste, bot sich die Gelegenheit, ein verändertes Firmament zu erleben. Unter einem anderen Himmel Kosmische Blicke verbinden Menschen aufgrund anderer sozialer und kultureller Gegebenheiten einen anderen Blick auf den Himmel und das Leben haben, ist bereichernd. Dieser Aspekt ist für unsere Partnerschaft mit der Familienland- wirtschaftsschule »Manoel Monteiro« bedeutend und herausfordernd: ande- re Wahrnehmungsarten üben, andere Sichtweisen testen, im Dialog neue und vielfältige Formen des Miteinander probieren und dabei tiefere Erkenntnisse über Gott und die Welt gewinnen, die Herz und Geist zu Umkehr, Frieden und Gerechtigkeit bewegen. Nach der Art des Sonnengesangs können wir beten: »Sei gelobt, mein Herr, durch die Schwestern und Brüder Sterne. Zahlreich im Universum entstanden und vergangen, sind sie Geburtsstätten der Lebensmaterie: Staub von Sternen.« TEXT UND FOTO: Bernardin Marker ofm Der Autor Bernardin Marker ist Franziskaner, lebt in Großkrotzenburg und ist Physiklehrer am dortigen Franziskanergymnasium Kreuzburg. Schülerinnen und Schüler freuen sich über das Teleskop. 14

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