Franziskaner Mission 2 | 2022

TEXT: René Arturo Flores ofm | FOTO: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Camilo Freedman El Salvador ist ein kleines Land in Lateinamerika mit einer Fläche von über 21.000 Quadratkilometern und rund 6,5 Millionen Einwohnern. Im Land gibt es mehr als 300 Flüsse; der längste und wasserreichste davon ist der Fluss Lempa. In den letzten Jahrzehnten haben alle unsere Flüsse an Wasserqualität drastisch eingebüßt. Ebenfalls ist das Grundwasser­ vorkommen in den vulkanischen Gebirgs­ ketten deutlich weniger geworden. Höre den Schrei des Volkes Das Leiden von Schwester Wasser in El Salvador Es herrscht eine tiefe Krise bei unseren Trinkwasserressourcen und hinzu kommt, dass 90 Prozent der Wasseroberfläche mehr oder weniger kontaminiert sind. Die Ursachen sind klar: Giftige Abfallpro- dukte, Industriemüll, chemische Gift- stoffe aus der Landwirtschaft und nicht geklärte Abwässer werden in die Flüsse entsorgt. Der schlechte Wasserzustand ist bei den nationalen und internatio- nalen Experten seit langem bekannt, wissenschaftlich dokumentiert und als sehr besorgniserregend eingestuft. Hinzu kommt die Krise bei der staatlichen Trinkwasserversorgung. Sie ist ein immer wiederkehrendes Übel nicht nur in El Salvador, sondern auch in der ganzen Region Mittelamerika. El Salvador steht also am Rande eines Wasserkollaps (»estrés hídrico«), sodass der Bedarf an Trinkwasser vor allem für die armen Menschen in der Hauptstadt San Salvador nicht mehr gedeckt wird. Die politischen Parteien, die die Interessen der Privatunternehmen vertreten, schlagen seit einigen Jahren die Privatisierung der Kontrolle und Verwaltung der Wasserversorgung des Landes vor. Seit 2006 kämpfen Natur- schutzbewegungen, Universitäten, die Am internationalen Weltwassertag, am 22. März 2022, gingen Demonstranten auf die Straßen von San Salvador, um die Anerkennung von Wasser als Menschenrecht einzufordern. evangelisch-lutherischen Kirchen, die Menschenrechtskommission der Verein- ten Nationen und viele andere Organisa­ tionen und Aktivisten gegen die Privatisie­ rung der Wasserversorgung. Die Qualität, Nachhaltigkeit und Verteilung des Trink- wasser soll ein Allgemeingut bleiben. Wir alle, Christinnen und Chris- ten, wohnen als Schwestern und Brüder in unserem gemeinsamen Haus in El Salvador zusammen. Die Bischöfe der katholischen Kirche und die Vertreter der evangelisch-lutherischen Kirchen haben dem Schrei der Schwester Wasser zugehört und sich beim Kampf um die Anerkennung der öffentlichen Trink- wasserversorgung als in der Verfassung verankertes Menschenrecht zusammen- geschlossen. Auch wir, Franziskanerinnen und Franziskaner, schließen uns dieser Forderung an. Wir nehmen als franzis- kanische Familie an Demonstrationen und Aktivitäten teil, unterstützen und unterschreiben alle Klageschriften sowie offenen Briefe an die Regierung und an das Abgeordnetenhaus. Wir sehen den Kampf gegen die Privatisierung der Trinkwasserversorgung als eine Konkre- tisierung des Kampfs für den gesamten Umweltschutz, für die Bewahrung des Ökosystems, als den Kampf um das ge- meinsame Haus. Papst Franziskus ruft uns zum Schutz des Wassers auf: »Während die Qualität des verfügbaren Wassers ständig schlechter wird, nimmt an einigen Orten die Tendenz zu, diese knappe Ressource zu privatisieren; so wird sie in Ware verwandelt und den Gesetzen des Marktes unterworfen. In Wirk- lichkeit ist der Zugang zu sicherem Trink- wasser ein grundlegendes, fundamentales und allgemeines Menschenrecht, weil es für das Überleben der Menschen ausschlag- gebend und daher die Bedingung für die Ausübung der anderen Menschenrechte ist. Diese Welt lädt eine schwere soziale Schuld gegenüber den Armen auf sich, die keinen Zugang zum Trinkwasser haben, denn das bedeutet, ihnen das Recht auf Leben zu verweigern, das in ihrer unveräußerlichen Würde verankert ist.« (Laudato Si, 30). Der Autor René Arturo Flores gehört der Franziskanerprovinz Nuestra Senora de Guadalupe de Centroamérica y Panamá an. Er koordinierte die Arbeit der Kommission Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in El Salvador und arbeitet seit Februar 2022 in Panamá. Übersetzung aus dem Spanischen: Joaquin Garay ofm 20

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