Franziskaner Mission 2 | 2022

Natur als Mitwelt So ist es nur folgerichtig, dass Papst Franziskus den Sonnengesang zum Ausgangspunkt seiner Umwelt- und Sozialenzyklika aus dem Jahr 2015 nimmt. Er geht dabei soweit, mit einer Tradition zu brechen und sein Päpstliches Schreiben nicht nach den lateinischen Anfangsworten zu benennen, sondern nach den italienischen Eingangsworten jenes Liedes, das bis heute den franziskanischen Geist lebendig zum Ausdruck bringt. Dementspre- chend setzt die Enzyklika ein: »›Laudato si’, mi’ Signore – Gelobt seist du, mein Herr‹, sang der heilige Franziskus von Assisi.« In diesem schönen Lobgesang erinnerte er uns daran, dass unser ge- meinsames Haus wie eine Schwester ist, mit der wir das Leben teilen, und wie eine gute Mutter, die uns in ihre Arme schließt: »Gelobt seist du, mein Herr, durch unsere Schwester, Mutter Erde, die uns erhält und lenkt und vielfältige Früchte hervor- bringt und bunte Blumen und Kräuter.« Unsere Natur ist keine bloße Umwelt, son- dern eine Mitwelt. Alles Geschaffene sind Schwes- tern und Brüder, mit denen wir als Menschen in einem großen Netzwerk der Verbundenheit leben. Aus dieser Erkenntnis erwächst die Haltung der Geschwisterlichkeit, der Papst Franziskus 2020 eine weitere Enzyklika (»Fratelli tutti«) gewidmet hat. Die innere Haltung ist die Voraussetzung für unser äußeres Handeln. Dass es mit unserer Gesinnung zum Schutz des gemeinsamen Hauses Erde nicht immer zum Besten steht, beklagt Papst Franzis- kus direkt im zweiten Abschnitt von »Laudato si«: »Diese Schwester schreit auf wegen des Schadens, den wir ihr aufgrund des unverantwortlichen Ge- brauchs und des Missbrauchs der Güter zufügen, die Gott in sie hineingelegt hat. Wir sind in dem Gedanken aufgewachsen, dass wir ihre Eigentümer und Herrscher seien, berechtigt, sie auszuplün- dern.« Dies läge daran, dass wir vergessen hätten, dass wir selber Erde seien. »Unser eigener Körper ist aus den Elementen des Planeten gebildet; seine Luft ist es, die uns den Atem gibt, und sein Wasser belebt und erquickt uns.« Wenn wir den Sonnengesang als Lobgesang auf den Schöpfer singen – und nicht nur Kinder schmettern mit Inbrunst »O mi Signore, laudato si …« –, geht es nicht um eine romantische Verklä- rung der Natur, sondern ein Bewusstmachen, dass wir Menschen als Teil der Schöpfung Kinder dieser Erde sind. In Umkehrung des bekannten Wortes des Indianerhäuptlings Seattle lässt sich sagen: »Was uns Menschen befällt, befällt auch die Erde.« Was wir unserem blauen Planeten antun, schlägt auf uns Menschen zurück, wenn wir unsere eigenen Lebensgrundlagen zerstören. Freude auch ohne Konsum Durch die franziskanischen Orden wird zu einer welt- weiten »Laudato Si-Revolution« aufgerufen. Auch innerhalb der Orden gilt es zunächst bei uns selbst zu beginnen und Konzepte zum Schutz der Umwelt umzusetzen, beispielsweise durch Baumpflanzaktio­ nen. Vorbild in ihrem Einsatz sind die Kinder und Jugendlichen von »Fridays for Future«, die sich für konkrete und effektive Maßnahmen gegen den Klimawandel einsetzen. Mittlerweile haben sich auch kirchliche Organisationen und Gemeinschaften als »Churches for Future« organisiert. Die »Christians for Future« fordern sie auf, die internationale ökumeni- sche Zusammenarbeit und weltkirchliche Solidarität auf den unterschiedlichen kirchlichen Ebenen zu stärken – in Bezug auf die gemeinsame Herausforde- rung der globalen Klima- und Umweltkrise, die viele Länder in Afrika, Lateinamerika, Asien und Ozeanien besonders hart trifft. Ganz konkret sollen sich die Landeskirchen und (Erz-)Bistümer das Ziel setzen, bis 2030 Klimaneutralität zu erreichen. Sie sind aufge- rufen, auf nationaler Ebene Kompetenzstellen für Klimaneutralität einzusetzen und eine Schöpfungs- verantwortung in Liturgie und Spiritualität verstärkt zu fördern. Franz von Assisi hat durch sein Handeln gegenüber Pflanzen, Tieren und Menschen ver­ deutlicht, wie ein schöpfungskonformes Leben zu gestalten ist. Ich bin sicher, dass er heute den Sonnengesang als ökopolitisches Lied singen würde. Denn »öko« leitet sich aus der griechischen Wurzel »oikos« ab, was »Haus« und »Heimstätte« bedeutet. »Öikos« meint dabei nicht nur das bloße Gebäude, sondern auch die im Haus gelebten Beziehungen. Der Lobpreis auf Gott beinhaltet den Schutz seiner Schöpfung und gelebte Geschwisterlichkeit. Aus der franziskanischen Spiritualität heraus können wir mit Papst Franziskus Menschen zu einem einfacheren Lebensstil ermutigen, der fähig ist, sich zutiefst zu freuen, ohne auf Konsum versessen zu sein. Laudato si – Herr, dir sei Dank durch die Ehrfurcht vor dem Leben und durch die Achtung un- serer Lebensgrundlagen. Laudato si – Herr, sei gelobt und gepriesen für alle, die sich für die Bewahrung deiner Schöpfung engagieren! Der Autor Stefan Federbusch leitet das »Exerzitienhaus – Franziskanisches Zentrum für Stille und Begegnung« in Hofheim. Er engagiert sich im Bereich Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung. 7

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