Franziskaner Mission 3 | 2022

Wie die Blume heißt, weiß ich nicht. Die Schönheit ihrer Knospen, die Farben, all das trage ich wie ein kost- bares Kleinod in mir. Die Erinnerungen von Begegnungen mit Menschen, die immer wieder zeigen, dass es sich lohnt, zu kämpfen – und niemals aufzugeben. Und: dass das große Glück oft ganz unscheinbar und klein daherkommt. Hoffnungsbotschaften Die Kapellentür in Angelim ist ange- lehnt. Ich höre das entfernte Bellen von Hunden, das vom Zirpen der Grillen begleitet wird. Die Hitze des Tages legt sich über den Abend, die Gitarrenklänge von drinnen lassen mich aufhorchen. »Não perturbar – bitte nicht stören«, steht auf dem Schild, von dem ich mich nicht abhalten lasse: Auf leisen Sohlen schleiche ich hinein, eine Katze ist mir dicht auf den Fersen. Es ist der Ort, der all meine Sehnsucht und Dankbarkeit in sich vereint. Leise setze ich mich, schlie- ße die Augen und bin einfach nur da. Die Stimme meines Onkels, die so viel Ruhe und Kraft ausstrahlt, obwohl er von Alter und Krankheit ge- zeichnet ist, sie nimmt mich mit in die Geschichte, die er gerade erzählt und die das Handy neben ihm aufzeichnet. Er singt und spielt mit der Gitarre – und schickt seine Hoffnungsbotschaften in die weite Welt. Seit Corona meist täg- lich. Als er im Krankenhaus liegt, fehlen Die Hoffnung ist ein zartes Pflänzchen. Gemeinsam mit meiner Mutter und meiner Tochter lasse ich es in Teresina unerlaubterweise im Koffer verschwinden. Als wir zurück in Deutschland sind, steht es nicht gut um das grüne Etwas, das wir in Brasilien vorsorglich in feuchtes Zeitungspapier und eine Plastiktüte gepackt hatten. Wie mag es sich in Deutschland entwickeln: Geht es an? Wird es wachsen? Wird es jenseits der gewohnten Temperaturen wieder aufblühen? Heimat für Hoffnung Zu Besuch bei Pater Adolf Temme in Nordostbrasilien TEXT UND FOTOS: Ulrike Schwerdtfeger diese Impulse im Tagesablauf so vieler ganz plötzlich: Was ist passiert? Warum schickt er nichts mehr? Hoffentlich geht es ihm bald besser. Die Menschen um ihn herum haben sich gesorgt. Viele haben für ihn gebetet. Dann hat er sich wieder aufgerappelt – wie die Unzähli- gen, die er während der Zeit der Land- losenbewegung in den Basisgemeinden besucht hat, damals, nachdem die Franziskaner im Nordosten des Landes heimisch geworden waren. Diese Zeit hat ihn bewegt, ihn tief mit einem Volk verbunden, zu einem Verbündeten ge- macht. Der Reichtum dieser Menschen ist die Hoffnung: auf eine gute Ernte. Auf Regen. Auf Gerechtigkeit. Auf Bil- dung und Arbeit. Auf Gesundung. Auf faire Entlohnung. Auf eine bessere Welt. Eine Lebensaufgabe Seite an Seite hat er mit denen gekämpft und gebetet, die keine Lobby haben. Gemeinsam mit seinen Mitbrüdern hat er Menschen während der gewaltsamen Landkonflikte in den Pfarreien Maranhãos besucht und mit ihnen Gottesdienst gefeiert, ihnen Mut zugesprochen und Gespenster vertrieben, die als Groß- grundbesitzer immer wieder aufgerührt und gezündelt haben, die Menschen um- bringen ließen und straflos davonkamen. Eine Lebensaufgabe, die ihn ge- prägt hat: Menschen eine Stimme geben, deren Schicksal ungeahndet blieb. Deren Leben nur aus dem bestand, was sie am Körper trugen. Die Eltern ihre Kinder fest an der Hand. Hoffnung. Sie ist so vielsei- tig wie die Pflanzenwelt in der Einsiedelei 16

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