Franziskaner Mission 3 | 2022

»Denn wir wollen euch, liebe Brüder, nicht verschweigen die Bedrängnis, die uns in der Provinz Asien widerfahren ist, wo wir über die Maßen beschwert waren und über unsere Kraft, so dass wir auch am Leben verzagten und es bei uns selbst für beschlossen hielten, wir müssten sterben. Das geschah aber, damit wir unser Vertrauen nicht auf uns selbst setzten, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt, der uns aus solcher Todesnot errettet hat und erretten wird. Auf ihn hoffen wir, er werde uns auch hinfort erretten. Dazu helft auch ihr durch eure Fürbitte für uns, damit unsertwegen für die Gabe, die uns gegeben ist, durch viele Personen viel Dank dargebracht werde.« (2 Korintherbrief 1,8-11 – Lutherübersetzung) Leiden – Quelle der Hoffnung?! Gedanken zu Gottvertrauen, Fürbitten und Engagement TEXT: Georg Metzger | FOTO: christianchan /stock.adobe.com Das sind sehr persönliche Worte. Mit ihnen verschafft uns Paulus einen tiefen Einblick in sein ganz persönliches Erleben. Er hat viel Schweres durchge- macht: Erfahrungen von Anfeindung und Verachtung, Belastungen, die über seine Kräfte gingen. Immer wieder ist er am Ende gewesen, hat er den Tod vor Augen gehabt; die Verzweiflung war übermächtig geworden; hat er gelitten. Und er steht auch dazu, wie man aus verschiedenen Aussagen in unterschiedlichen Briefen lesen kann. Sinngemäß sagt er: »Ich will Euch nichts verschweigen. Und wenn es auch gegen mich oder, wie andere sagen, gegen meine Verkündigung spräche: Ich bin kein Superapostel. Die Tiefen meines Lebens machen mir zu schaffen. Ich kenne sehr gut das Gefühl von Angst, von Kraftlosigkeit, von Verzweiflung. Ich weiß aus schmerzlichen Erfahrun- gen, was es bedeutet, zu leiden.« Leiden aussprechen Wie gut täte es so manchen unter uns, wenn wir wie Paulus einmal frei ausspre- chen könnten oder dürften, dass es uns schlecht geht; auszusprechen, dass und wo unser Leben von verborgenem Lei- den erschwert und gepeinigt wird. Zu lernen, dazu zu stehen und all diese Last im vertrauten Gespräch in Worte fassen zu können, ohne Angst davor haben zu müssen, deshalb Ansehen oder Wert- schätzung bei unseren Mitmenschen zu verlieren. Gewiss, diese Sicherheit, diesen geschützten Raum haben wir nicht bei jedem Menschen, dem wir gerade begegnen; aber wir sollten sie zumin- dest jedem Menschen, der sich uns anvertrauen will, geben. Eigenes Leiden nicht zu ver- schweigen – Paulus ermutigt uns dazu. Und das nicht nur, weil es auf uns befreiend wirken würde; sondern weil gerade dieses Akzeptieren der Schwere in unserem Leben uns im Bezug auf unseren Glauben ganz neue Dimen- sionen zu eröffnen vermag. Denn wer im Leiden seine Ohnmacht, seine Begrenztheit erkennt und diese sich eingestehen muss, wird dadurch erst so richtig verstehen, dass es keinen Sinn für uns ergibt, sein Vertrauen nur auf sich selbst zu setzen – weil wir notgedrungen daran scheitern müssen. Auf der anderen Seite sind es gerade diese oft schmerzlichen Grenz- Erfahrungen in unserem Leben, die uns dazu bereitmachen, das Angebot Gottes, unser Vertrauen und unsere Hoffnung auf ihn zu setzen, erst in sei- ner tiefen Bedeutung für uns verstehen zu können. Dietrich Bonhoeffer sagte ein- mal dazu: »WENN man völlig darauf verzichtet hat, aus sich selbst etwas zu machen, (...) dann wirft man sich Gott ganz in die Arme.« Oder anders ausgedrückt: Erst wer eingesehen hat, dass es nichts bringt, sich am eigenen Schopfe aus dem Sumpf ziehen zu wollen, ist bereit, den Strohhalm des Glaubens zu ergreifen und wird dann über dessen Stärke und Festigkeit erstaunt sein. Und wer das tut, kann, und das ist das eigentliche Wunder, plötzlich hoffnungs- voll in die Zukunft schauen trotz all der Bedrohung, der wir uns nach wie vor ausgesetzt sehen. Weil wir uns geborgen wissen bei dem, der uns das Leben gibt, verheißt und erhält. Wie man dahin kommt? Indem wir unser Leben Gott anvertrauen im Gebet – im Hören auf sein Wort, das uns begegnet in der Verkündigung der Bibel, im Feiern des Abendmahles, in dem er uns Gemeinschaft mit sich und untereinander schenkt, und im Gottes- dienst, in dem er sich unser annimmt, den gemeinsamen Weg weist und uns schließlich segnet und sendet zum Dienst in der Welt. Ich bin überzeugt, dass die tiefe Religiosität gerade jener Menschen, die Schweres durchgemacht haben, Frucht ihres aus Leiden und Ohnmacht erwach- senen Gottvertrauens ist, woraus sie ihre Hoffnung schöpfen. Fürbitten und Engagement Paulus nennt noch ein Zweites: das sich Mitgetragen-Fühlen durch die Fürbitte. Wie sehr hat es ihm in seinen Bedräng- nissen geholfen, darum zu wissen, dass andere für ihn gebetet haben. Fürbitten haben nichts Magisches an sich. Wenn wir für andere beten, dann bringen wir darin zum Ausdruck, dass wir uns ihnen verbunden fühlen und sie gerade auch dort, wo wir uns ohnmäch- tig und hilflos fühlen, der Liebe und der Fürsorge Gottes anvertrauen. So 8

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