Franziskaner Mission 4 | 2022

Heute sind sie selbst die Großmütter und kümmern sich um die Enkelkinder, denn die Mütter und Väter arbeiten den ganzen Tag und kommen erst spätnachts heim. Hoffentlich haben sie Lebensmittel für die Kinder dabei. Viele Großmütter sind vollkommen auf sich gestellt und müssen um Hilfe bitten, um Lebensmittel oder Medikamente zu kaufen. 80 Prozent der Großmütter haben nur die Grundschule besucht und andere haben nie eine Schule von innen gesehen, da ihre Eltern sie von klein auf haben arbeiten lassen. Für die jetzige junge Generation gilt Ähnliches. Noch heute haben die Familien oft nicht das Notwendigste für eine gute Ernährung. Aber es gibt noch andere Herausforderungen. Einige Enkelkinder gehorchen ihren Großeltern nicht, oder manchmal schwänzen sie den Unterricht. Ältere Kinder gehen aus, um sich mit ihren Freunden zu vergnügen, sie kommen nach Hause, wann sie wollen, und die Großeltern machen sich Sorgen. Wir Franziskanerinnen kümmern uns um die Bedürftigsten, um die Armen und Alten. Wir bringen ihnen Essen, wir besuchen sie, hören zu und beten gemeinsam. Viele Seniorinnen und Senioren leiden unter Einsamkeit. Wenn sie von ihren Lebenserfahrungen erzählen, fangen sie an zu weinen und sind dankbar für die Momente der Begleitung. Die Großmütter sind das Beispiel eines lebendigen und bleibenden Glaubens. Trotz ihrer Schwierigkeiten und Krankheiten kommen sie sonntags zu Fuß zur Kirche, um an der Eucharistiefeier teilzunehmen. Die Großmütter sind diejenigen, die den Enkeln von klein Oft haben wir das Gefühl, dass es die Großmütter sind, die die Familien in Bolivien tragen. Dabei waren sie selbst als junge Frauen in derselben Situation, wie ihre Töchter heute. Sie waren oft alleinstehend und mussten ihre Familie versorgen und die Erziehung ihrer Kinder den Großeltern überlassen. Nicht selten waren sie gezwungen, an anderen Orten in Bolivien oder im Ausland nach Arbeit zu suchen. Auf Oma ist Verlass Großmütter in Bolivien TEXT UND FOTOS: Yanira Leida Justiniano Ortiz htsf dorthin weit. Flora betet zu Gott, dass es ihre Tochter eines Tages schafft, ihr Leben zu verändern und selbst Verantwortung für ihre Kinder zu übernehmen. Ofelia ist 87 Jahre alt, sie hat zehn Kinder. Sie lebt mit einem Sohn zusammen, der hörbehindert ist und als Motorradtaxifahrer arbeitet. Ein Nachbar gibt ihr Mittagessen, aber oft gibt es nur Tee mit Brot für sie – wenn es überhaupt irgendwas gibt: Denn oft gibt sie den Teller mit Essen ihrem Sohn, wenn er zur Arbeit geht. Jedes Mal, wenn unser Besuchsdienst zu ihr kommt, freut Ofelia sich, dass wir Leben in ihr Heim bringen, und sie sagt immer: »Ich habe auf dich gewartet.« Sie hört nicht gut und wegen der Schmerzen fällt ihr das Gehen schwer, aber sie hält gerne Ordnung und putzt das Haus. Vor ein paar Monaten starb ihr behindertes Enkelkind, das bei ihr lebte. Jedes Mal, wenn sie sich daran erinnert, werden ihre Augen sehr traurig, weil sie es so sehr vermisst. Manchmal besuchen sie auch einige ihrer Kinder, die in der Nähe leben. Wir Franziskanerinnen tun alles, um uns um die armen Großmütter und ihre Familien zu kümmern, Leid zu lindern, Hunger zu stillen und zu beten. Die Autorin Yanira Leida Justiniano Ortiz ist Oberin in Ascensión de Guarayos und leitet dort diverse Projekte. Übersetzung aus dem Spanischen: Pia Wohlgemuth auf beibringen, jeden Tag zu beten. Sie beten auch viel für ihre Kinder, damit sie ihre Arbeit gut machen, und für diejenigen, die weit weg sind, damit sie zurückkommen und sie besuchen. Drei starke Omas Juana ist 83 Jahre alt, sie hat sechs Kinder, die alle ihre eigene Familie haben. Eine Tochter lebt noch bei ihr, diese hat vier Kinder, die studieren. Die Tochter geht ab 8 Uhr zur Arbeit und kehrt nachts um 22 Uhr zurück. Also ist Oma Juana diejenige, die für die Familie mit Enkeln und Urenkeln kocht, Wäsche wäscht und das Haus putzt. Ihr Mann ist vor zehn Jahren gestorben, also betet sie viel, damit Gott ihr genug zu essen gibt. Am Nachmittag gehen drei der Urenkel zur Schule, dann kümmert sich Juana um den jüngsten Urenkel von vier Jahren. Juana ist sehr krank, sie hat Rheuma und starke Schmerzen in Knien und Händen, aber sie freut sich, wenn jemand sie besucht und mit ihr betet. Flora ist erst 52 Jahre alt, muss sich aber als Oma schon jetzt um ihre Enkelkinder kümmern, da ihre Tochter Alkoholikerin ist. Oft lässt die Tochter die Kinder längere Zeit allein bei der Großmutter. Das jüngste der Enkelkinder ist schwer unterernährt. Dieser Familie helfen wir mit Lebensmitteln. Flora ist das Oberhaupt einer sehr armen Familie, die von dem lebt, was sie täglich verdient. Wenn Oma Flora zur Arbeit geht, um für fremde Leute die Wäsche zu waschen oder zu kochen, muss sie ihre Enkel mitnehmen. Oft ist der Weg 12

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