Franziskaner Mission 4 | 2022

eigene Vater. Die Kinder einer Schwester bedeuten einem Mann mehr als seine eigenen Kinder. Es kommt vor, dass er Schulgelder für die Kinder seiner Schwestern bezahlt, aber nicht für seine eigenen. Denn alle Kinder gehören zur Familie der Frau. In unseren meisten Dorfgemeinden sind Männer die Häupt- linge, in einigen wenigen gibt es auch Frauen in dieser Rolle. Sie werden wie die Männer respektiert, jedoch schwindet heute – besonders unter jungen Menschen – die Autorität der Häuptlinge, ob männlich oder weiblich, generell. Frauen sind in den Dörfern stark traditionsverbunden. Das zeigt sich zum Beispiel in ihrem bescheidenen Auftreten und in der einfachen Kleidung. Sie sind höflich, sogar unterwürfig, wenn auch nicht so wie vor 30 Jahren, als ich in Malawi ankam: Ich war überrascht, eine Frau vor mir knien zu sehen, wenn sie mich begrüßen oder mit mir sprechen wollte. Kinder, besonders Mädchen, verhielten sich ähnlich und folgten dem Beispiel ihrer Mütter. Heute praktiziert das nur noch die ältere Generation. Aufgaben der Frauen In den Familien sind Frauen von morgens bis abends beschäftigt: Wasserholen, Feueranzünden, Badewasser bereitstellen, Kinder auf die Schule vorbereiten, Brennholz suchen, Kochen, Wäsche waschen, Säubern von Haus und Hof und vieles mehr. Das neugeborene Kind, mit einem Tragetuch fest auf dem Rücken der Mutter gebunden, nimmt unbewusst teil an all diesen täglichen Aufgaben. Ältere Kinder müssen auf sich selbst aufpassen und verbringen viel Zeit mit Altersgenossen. Ältere Jungen haben mehr Freizeit zum Spielen, während ältere Mädchen der Mutter im Haushalt helfen. In den meisten Familien arbeiten Männer und Frauen zusammen, um ihre Felder für die kommende Regenzeit vorzubereiten. Während der Trockenzeit arbeiten sie in ihren Gemüsegärten, wenn sie in der Nähe einer Wasserquelle liegen. Das Gemüse dient der täglichen Ernährung. Einiges wird verkauft, um etwas Geld zu verdienen. Während der Schulferien helfen auch die Kinder. In der Regel kümmern sich Eltern gut um die Erziehung ihrer Kinder. Probleme entstehen nach der Grundschule, denn zum Besuch weiterführender Schulen müssen die Eltern Schulgeld zahlen. Da sie dies nicht für jedes Kind aufbringen können, beenden einige Kinder ihre Ausbildung mit der Grundschule. Im Allgemeinen sorgen sich Eltern um die Ausbildung und Zukunft ihrer Kinder in der Hoffnung, dass sie Erfolg haben und später einen guten Job finden, um den Eltern selbst im Alter zu helfen. Es kommt jedoch auch vor, dass die Frau die Feldarbeitet allein leisten muss, während der Mann nur zur Erntezeit erscheint, um dann die Früchte zu verkaufen und das Geld für sich selbst auszugeben, ohne an die Zukunft seiner Frau und Kinder zu denken. Es ist nicht ungewöhnlich, dass der Mann gut ver- dient, aber nichts zum Leben seiner Familie beiträgt. Wenn er nach der Arbeit nach Hause kommt, verlangt er jedoch gutes Essen – nicht nur Gemüse, sondern auch Fleisch. Sein verdientes Geld gibt er hauptsächlich für Alkohol aus oder um Freundinnen zu unterstützen. Frauen sorgen für ihre Familien nicht nur mit der Haus- oder Feldarbeit, sondern auch in Kleinunternehmen, hauptsächlich durch Gemüse- oder Kleiderverkauf auf lokalen Märkten und auch im benachbarten Ausland. Das bringt zwar Geld ein, aber wenn die Mutter geschäftlich mehrere Tage oder wochenlang von einem Marktplatz zum anderen unterwegs ist, leidet das Familienleben. Wo immer möglich, versuchen Frauen Arbeit zu finden. So ist es auch hier, im nahegelegenen Flüchtlingslager: Dort waschen sie die Wäsche reicherer Flüchtlinge, um etwas Geld für den Unterhalt ihrer Familien zu verdienen. Vorbildliche Familien Trotz aller schweren täglichen Aufgaben finden Frauen Zeit, sich mit Freundinnen zur Kirchenchorprobe oder in kirchlichen Vereinen zu treffen. Dann genießen sie das Zusammensein und vergessen für einige Stunden ihren schwierigen Alltag. Sie sind es auch, die vor allem sonntags zum Gottesdienst kommen und an Festvorbereitungen teilnehmen. Männer tun das zwar auch, aber weniger enthusiastisch und in geringerer Zahl als Frauen. Trotz aller negativen Einflüsse, denen Familien heutzutage ausgesetzt sind, haben wir hier viele gute Familien, die vorbildlich leben und anderen helfen, den Versuchungen der gegenwärtigen Zeit nicht nachzugeben. Wir erleben Familien, in denen sich alle untereinander stützen, sich um andere kümmern und gemeinsam daran arbeiten, ihr Leben zu verbessern. Der Autor Sebastian Unsner arbeitet seit 30 Jahren in der Landgemeinde Dowa in Malawi und ist Mitglied im Leitungsteam der ostafrikanischen Franziskanerprovinz. Übersetzung aus dem Englischen: Heinrich Gockel ofm Alltag in Malawi

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