Franziskaner Mission 4 | 2022

Ausland. Man muss kein Prophet sein, um zu ahnen, was sich da alles tut. Genug. Fass ohne Boden Familienpastoral? Natürlich! Doch dies ist ein Fass ohne Boden! Natürlich muss man was tun, um Ehe und Familie zu verbessern, doch ist man dabei ziemlich hilflos und überfordert. Und die kirchliche Ehe- und Familienmoral geht an den Realitäten vorbei. Die Welt geht andere Wege und lässt die Kirche abseits liegen. Wer im Konkubinat lebt, kann nicht gefirmt werden und kann keine Patenschaft übernehmen. Nicht selten hört man dann: »Dann werde ich eben evangelisch!« Und die Sekten sind ja auf dem Vormarsch! Doch hier in paar Ideen: Es sollte organisierte Gruppen von »Eheleuten« – verheiratet oder nicht – geben. Es müsste Gespräche und Orientierungen in den Basisgemeinden geben. Die Erstkommunionvorbereitung kann auch für die Eltern in den Ortsteilen mit Laien, die selbst in Familien leben und entsprechendes Material bekommen (Familienkatechese), stattfinden. Und man könnte Ideen bei Versammlungen von Erwachsenen zu Erstkommunion und Firmung, Elternversammlung in den Schulen und so weiter sammeln und weitergeben. TEXT UND FOTOS: Reinhold Brumberger ofm Das Dorf San Javier besteht seit gut 300 Jahren und hat rund 8.000 Einwohner. Es gibt viele Probleme, die man normalerweise auf die Familie zurückführt: Probleme mit den Schulnoten, aber auch mangelnde Disziplin der Schüler, Missbrauch von Alkohol und Rauschgift. Jugendbanden, Gewalt in Ehe und Familie, Armut, Trennung wegen Arbeit und anderes. Fast alles ist vermeidbar mit besseren Familien, sagt man. Erfahrungen aus meiner Pastoral Ich erlebe, dass ein Jugendlicher seine Familie und die Schule zwei Monate vor dem Abitur verlässt, um mit seiner Freundin in der Stadt zu leben. Ich weiß: Beziehung ohne Trauschein – ja, das ist in Deutschland auch ganz normal, aber hier in Bolivien fällt es mir doch sehr auf, dass durch diese ungezwungene Lebensweise nicht selten auch Leid entsteht, vor allem für die jungen Frauen: Als ich vor gut 40 Jahren meine Mission in Bolivien begann, fragte ich manchmal, ob ein Paar verheiratet sei. »No, Juntado no mas.« (»Nein, wir leben nur so zusammen.«) Bald lernte ich auch die Tiere des hiesigen Waldes kennen, auch die kleinen Hasen, die man hier Tapití nennt. Irgendwann fragte ich mal bei der Taufeinschreibung im Scherz: »Wie die Tapití?« »Ja, wie die Tapití!« Ich sehe, dass viele Mädchen bald ein Kind oder sogar mehrere haben. Es sind dann meist alleinerziehende Mütter, denn der Vater oder die Väter kümmern sich kaum um die Mutter und die Kinder. Ich erlebe auch, dass viele »Ehen« nach kurzer Zeit auseinandergehen, ob sie verheiratet sind oder nicht. Man hört Aussagen zur oft großen Verwandtschaft wie: »Meine Geschwister väterlicherseits, mütterlichseits.« Und Bischof Eduard Bösl erzählte von der Familie, die ihm half, die Pfarrei El Fortin aufzubauen. Schreit die Frau: »Alter, es streiten deine Kinder und meine Kinder mit unseren Kindern!« Viele Eltern leben wegen der Arbeit lange Zeit getrennt oder sogar im Wie erreichen, was der Eheritus sagt: Mission der Eheleute, Familie als Kirche? Nur wenige heiraten kirchlich. Und die Gesellschaft und die Medien sind durchaus keine Hilfe. Im Gegenteil. Und lassen wir als Kirche nicht viele im Stich mit unseren Gesetzen, die durchaus richtig sein können, aber an der Wirklichkeit vorbeigehen? Hier ist eine Oma, durchaus fromm, doch auch Tapití. Sie gehört auch zur Herz-Jesu-Frauengruppe und liest die Lesung in der Messe vor – und sie macht es durchaus gut. Und eine meiner »lideres« (Gemeindeleiterin) in einem indigenen Dorf lebt auch im Konkubinat, hält aber die Wortgottesdienste und Beerdigungen und bereitet die Sakramente vor. Es gibt in diesem Dorf keinen und keine bessere! Natürlich schaue ich sie manchmal lächelnd an und frage: »Und wann?« Sie lächelt zurück und sagt: »Bald, Padre!« Geduld bringt Rosen – und vielleicht auch einmal eine Hochzeit. Und die kirchliche Dorfgemeinschaft hat mit ihr sowieso kein Problem! Familienpastoral ja, aber. Der Weg ist weit und schwierig, doch wer sich nicht auf den Weg macht, kommt auch nicht ans Ziel. Der Autor Reinhold Brumberger ist Pfarrer der Franziskanerpfarrei San Javier in Bolivien. 25

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