Franziskaner Mission 4 | 2022

Wie überall in der Welt erleben auch Familien in Malawi Veränderungen und Herausforderungen. Die traditionelle Familie hält zwar in Dörfern immer noch zusammen, aber nicht in den Städten. In der Vergangenheit gab die Familie Geborgenheit, Trost und Unterstützung in schweren Zeiten. Heute dagegen herrscht viel Egoismus. Zusammenhalten Soziale Strukturen in Malawi TEXT: Sebastian Unsner ofm | FOTOS: Augustinus Wehrmeier ofm Die Abwanderung von Dorfbewohnern in die Städte, um Arbeit und ein besseres Leben zu finden, schwächt den Zusammenhalt der Familien. Eltern bleiben oft allein im Dorf zurück, während ihre Kinder, aus wirtschaftlicher Not heraus, anderswo Arbeit suchen – in der Hoffnung auf ein leichteres Leben in der Stadt. Manchen gelingt es, vielen anderen nicht. Nicht nur junge Menschen begeben sich auf Jobsuche in die Städte, auch Väter und Mütter. Dadurch werden Familien gespalten. Es passiert, dass manche Familienmitglieder das ganze Jahr über fernbleiben und allenfalls zu Weihnachten oder zur Erntezeit nach Hause kommen – oder bei Familienfeiern wie Hochzeiten und Beerdigungen. Kinder werden oft von ihren Großeltern großgezogen. Vielfach sind es auch die Mütter, die allein Verantwortung für die Familie übernehmen müssen. Matriarchat der Chewa In der größten ethnischen Gruppe Malawis, der Chewa, sollte die Frau die Rolle des Familienoberhaupts übernehmen. Mir ist das allerdings in den vielen Jahren hier nicht aufgefallen. Früher wählten die Frauen den Häuptling des Dorfes und der Mann zog nach der Heirat in das Dorf seiner Frau. Heute geschieht das nicht mehr so oft. Es ist eher umgekehrt, dass die Frau ins Dorf ihres Mannes zieht. Manchmal hängt es auch von der Vereinbarung zwischen beiden Familien ab. Die Mitgift, die der junge Mann in der Vergangenheit bezahlte, war eher symbolisch. Heute ist auch das anders. Deswegen entscheiden sich viele junge Menschen, ohne offizielle Eheschließung zusammenzuleben: Sie haben nicht genug Geld für die Mitgift und eine große Hochzeitsfeier. Bei einigen mag das der Grund sein, nicht zu heiraten. Aber andere – auch Christen – sehen generell keinen Wert mehr in der offiziellen Ehe. In der matriarchalischen Ge- sellschaft hier ist ein Onkel mütterlicherseits den Kindern wichtiger als der 26 | 27

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