Franziskaner Mission 4 | 2022

Kriminalität statt Familie Auf der einen Seite löst das Verlassen der Familie in allen, die auswandern, Trauer, Angst, Kummer und Einsamkeit aus. Auf der anderen Seite sind vor allem die zurückbleibenden Mütter schutzlos, verwundbar und oft abhängig von anderen Angehörigen in der Heimat. Sie müssen die Kinder allein großziehen. Gelegentlich leben die Kinder sogar bei den Großeltern oder bei anderen Angehörigen. Sie verlieren so eine sehr wichtige emotionale Bezugsperson für die persönliche und soziale Entwicklung. Viele erkranken an Depressionen, verlassen die Schule, zeigen Verhaltensauffälligkeiten oder kommen sehr früh mit dem Gesetz in Konflikt. Es ist ein Drama, wenn Kinder (Mädchen und Jungen) oder Teenager, die nicht mit den Eltern großgeworden sind, als Minderjährige allein, illegal und ohne Begleitung reisen müssen, weil sie den Eltern folgen wollen. Nach offiziellen Statistiken sind von Januar bis Juni 2021etwa 50.000 Minderjährige ohne Begleitung in die USA eingeDer Autor Edgar Renderos Rosales ist Lehrer und Sozialarbeiter. Er lebt mit seinen fünf Kindern und seiner Ehefrau in Guatemala-City, der Hauptstadt Guatemalas. Übersetzung aus dem Spanischen: Joaquín Garay ofm reist (Amnesty International). Die Zahl wird im Jahr 2022 tendenziell steigen. Diese Jugendlichen werden von den mexikanischen und US-amerikanischen Behörden zurück in ihr Ursprungsland gebracht. Viele der so Abgeschobenen werden Mitglieder in kriminellen Jugendbanden (den sogenannten »Maras«), weil sie keine Familie mehr haben und nicht wissen, wo sie hingehören. Antworten finden Was die Familie aus Nazareth damals erlebte, als sie vor der Gewalt des Herodes fliehen musste, geschieht auch heute noch immer wieder bei Menschen in vielen Ländern der Welt. Familien aus Venezuela versuchen, zu Fuß von Kolumbien nach Panamá durch den Urwald in Darién zu kommen. Es ist erschütternd, was sie unterwegs hinnehmen müssen. Die Bilder von den »caravanas de migrantes« durch Mexiko sind vielen von uns, auch in Deutschland, bekannt. Menschen müssen einen langen Weg mit unwürdigen Umständen durch die Wüste auf sich nehmen. Papst Franziskus schreibt in seinem nachsynodalen apostolischen Schreiben »Amoris laetitia«: »Die Migrationen stellen ein weiteres Zeichen der Zeit dar, das mit all seinen negativen Auswirkungen auf das Familienleben verstanden und angegangen werden muss.« (46) Die Kirche ermahnt dringend dazu, uns mit der Wirklichkeit der Migration auseinanderzusetzen und die Familien wirksam, empfindsam und erbarmungsvoll zu begleiten. Genauso muss man den Teil der Familie unterstützen, der im eigenen Land zurückbleibt. Erfreulicherweise kümmern sich viele Gruppen und Organisationen um die Migranten. Sie versuchen, eine passende Antwort darauf zu finden. Die wirksamste Form aber, dieser sozialen Geißel entgegenzutreten, ist die echte Bemühung um die Verbesserungen der sozialen, finanziellen und wirtschaftlichen Lebensumstände vor Ort, damit kein Mensch sich gezwungen fühlt, die eigene Familie und das Land zu verlassen. Nur das Wachstum der Lebensqualität der Familien kann die Not und die Entscheidung zur Migration wirklich stoppen. Und das ist eine gewaltige Aufgabe für die ganze Gesellschaft! 33

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