Franziskaner Mission 4 | 2022

andere gelebt wird, ist kein Leben.« Wir werden jedes Mal bessere Menschen, wenn wir über unsere begrenzten Eigeninteressen hinausgehen, anderen – in der Nähe und Ferne – die Hände reichen, ganz besonders den leidenden Menschen und unserem verwundeten Planeten. Solidarität, von der Inkarnation geprägt, bedeutet viel mehr als eine Reihe gut gemeinter Aktionen wie das Teilen von Brot und wirtschaftlichen Ressourcen mit denen, die am meisten materielle Hilfe benötigen – auch wenn diese Hilfen notwendig und willkommen sind. Die Krippe von Bethlehem lädt ein, das menschliche Leben anzunehmen, in dem alle willkommen sind und niemand zurückgelassen wird. Die herausfordernden Worte Marias, der Mutter Jesu, im Magnifikat erinnern daran: »Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungrigen beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer aus- gehen.« (Lukas 1,46-55) Dies sind keine frommen Gemeinplätze, die bei Gläubigen einen Geist der Unterwerfung und Angst hervorrufen. Nein! Dies sind Marschbefehle, um das zu tun, was der Prophet Micha den Israeliten aufgetragen hat: »Recht tun, Güte und Treue lieben, in Ehrfurcht den Weg gehen mit deinem Gott.« (Micha 6,8) Engagement von FI Die weltweite franziskanische Familie, die rund 375.000 Franziskanerinnen und Franziskaner aller Zweige in über 165 Ländern zählt, nimmt die Worte des Magnifikats und des Propheten Micha ernst und hat Gottes Aufforderung an uns in die Tat umgesetzt: nämlich Erbarmen und Gerechtigkeit zu üben, solidarisch zu leben mit allen Menschen in unserem gemeinsamen Haus, auf unserem Planeten. Franciscans International (FI) ist eine Nichtregierungsorganisation mit dem Auftrag, bei den Vereinten Nationen und ihren verschiedenen Organisationen die franziskanische Stimme hören zu lassen. Diejenigen, die Macht haben, positive soziale Veränderungen zu bewirken, sollen die Erfahrungen und Geschichten der leidenden Menschen und unseres verwundeten Planeten aufmerksam hören. Durch öffentliches Eintreten verschafft FI den Stimmen der Leidenden Gehör im Menschenrechts- und im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und in ihren internationalen Organisationen. Auf diese Weise drückt FI die tiefsten Werte des christlichen Glaubens und die Vision des heilige Franziskus von Assisi für eine Welt aus, in der es keinen Krieg, keine Armut, kein Leid und keine Ausgrenzung mehr geben wird, in der alle gleichermaßen die Früchte der Erde teilen werden. Mögen wir in dieser Weihnachtszeit zur Krippe gehen, wo »Gott selbst die einzige wahre Revolution beginnt, die den Enterbten und Ausgeschlossenen Hoffnung und Würde verleiht: die Revolution der Liebe, die Revolution der Zärtlichkeit.« (Papst Franziskus: Über die Bedeutung und den Wert der Weihnachtskrippe, 1.12.2019) Der Autor Michael Perry ist Mitglied der Franziskanerprovinz von Chicago (USA). Zehn Jahre arbeitete er als Seelsorger, Lehrer und Forscher in der D.R. Kongo. Von 2013 bis 2021 war er Generalminister des Franziskanerordens. Heute setzt er seine internationalen Erfahrungen unter anderem als Präsident des Vorstands der Nichtregierungsorganisation »Franciscans International« ein. Übersetzung aus dem Englischen: Heinrich Gockel ofm Möge der Stern, der die Sterndeuter führte, auch uns auf den Weg zu einer humaneren und geschwisterlichen Welt führen, in der alle Menschen wertgeschätzt werden, alle dazugehören, alle als Brüder und Schwestern, als Mitglieder der einen Familie Gottes anerkannt werden. FI-Vorstand vor dem UNO-Hauptsitz in Genf, Schweiz: José Eduardo Jazo Tarín TOR, James Donegan ofmCap, Blair Matheson TSSF, Michael Perry ofm, Charity Nkandu SFMA, Markus Heinze ofm, Joseph Blay ofmConv, Joseph Rozansky ofm (v.l.n.r.) 9

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