Franziskaner Mission 1 | 2023

eingebaut. Diese Holzstämme waren abgefault, die Reste der Stämme im Boden gaben uns die Ausmaße der alten Kirche an. Die alte Kirche hatte 250 Jahre gehalten, die neue Kirche sollte bis zum Jüngsten Tag bestehen und größer werden als die jetzige Notkapelle. An den Sonntagen müssen immer eine Menge Kirchenbesucher vor der Kirche draußen stehen, weil drinnen kein Platz ist. In Deutschland, so sagt man, sei es anders, da gäb’s in der Sonntagsmesse mehr Bänke als Gläubige in der Kirche. In den Semesterferien kamen einige Universitätsstudenten, denen ich bei ihren Studiengebühren geholfen hatte. Und nun bauten sie aus Dankbarkeit unter Anleitung eines Architekturstudenten die Backsteinmauern auf der rechten Seite der Kirche bis auf drei Meter Höhe auf. Der Hohlraum zwischen den Backsteinmauern sollte mit Feldsteinen, Kieseln und Zement ausgefüllt werden. Da standen die gläubigen Baureños Schlange, um bei dieser Arbeit zu helfen. Die Studenten hatten gelernt, barocke Säulen aus Zement zu formen, und mit denen verzierten sie die Wände. Den Zement spendete ein Politiker der Opposition, der sozia- listische Staatspräsident Evo Morales hatte bei einem Besuch in Baures großartig versprochen, er werde beim Bau helfen. Als unser Bürgermeister später in der Hauptstadt nachfragte, ob da nicht vielleicht ...?, kam die Antwort: »Für Kirchenbauten haben wir keine Geldmittel.« Auch recht! Langsam, sehr langsam, wuchsen die Wände auf drei Meter Höhe empor, immer in den Monaten der Trockenzeit – Mai bis September. In der Zeit gehen aber auch unsere Bauern aufs Feld, also wurde ein Plan aufgestellt; wer gerade Zeit hatte, kam zum Arbeiten an der Kirche. Not macht erfinderisch Ein Architekt, ehemaliger Schüler von mir, dann sogar versuchsweise vier Jahre lang Franziskaner, malte einen sehr ausführlichen Bauplan und baute ein Kirchenmodell aus Pappendeckeln. Jetzt konnte ein jeder sich vorstellen, wie’s einmal aussehen würde. Die Begeisterung war groß, das Spendenaufkommen gering. Provinzial Martin Sappl, Studienkollege von mir, hatte die Idee: Mit Kakao könnte man was machen. So eine Kakaoplantage bringt dreißig Jahre lang einen guten Ertrag, und so säten wir Kakaobohnen und pflanzten 16 Hektar Kakaobäumchen. Vielleicht bringt der Kakao unseren Kirchenbau zu einem guten Ende. Gerade eben ist Regenzeit, der Bau stoppt. Der Zement ist aufgebraucht und die Spenderversammlung ist für den Anfang der Fastenzeit geplant. Vor dem Pfarrhaus türmen sich Backstein-, Schotter-, Feldstein- und Sandhaufen. Wenn sich die Wolken verziehen, geht’s wieder voll ans Werk. Einer hat gefragt: »Padre, wie willst du die Kirche fertigbauen, wenn du kein Geld hast?« Meine Antwort war: »Wer nie anfängt, wird nie fertig.« Mein lieber Vorgänger als Pfarrer hier in Baures, der spanische Pater Jesús (er hieß wirklich Jesus!) hatte damals 28 Jahre lang Geld gespart für den Kirchenbau, ganze 1.500 Bolivianos, das sind 200 Euro. Und in München und Umgebung, wo ich lange gelebt habe, galt der Spruch, hier Originalton bayrisch; »Öbbs geht oiwei.« Übersetzung für Nichtbayern: »Irgendwas ist immer möglich.« Mit den Worten des heiligen Franziskus grüße ich: »Brüder, lasst uns anfangen, bisher haben wir noch nichts getan.« (Nach diesen Worten starb Franziskus von Assisi.) Ein Wort zum Nachdenken für mich, den 75-jährigen Missionspater. Der Autor Georg Redelberger ist Pfarrer in Baures, Bolivien. Er stammt aus Dettelbach und ist seit 1996 in der Bolivienmission. Bilder von der Baugeschichte einer neuen Pfarrkirche im bolivianischen Baures 12 | 13

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