Franziskaner Mission 1 | 2023

Liebe Leserin, lieber Leser! Architektur – das ist etwas, was wir Menschen machen. »Baukunst« eben, so die etwas schwerfällige deutsche Übersetzung. Tatsächlich haben die aus dem Griechischen kommenden Begriffe Architektur und Technik eine gemeinsame Wurzel. Architekten sind Baumeister, Techniker, Künstler. Also Macher. Andersherum stimmt die Aussage allerdings auch: Architektur macht etwas mit uns. Lieblose kleine Wohnungsschachteln können bedrücken. Die Bauten totalitärer Systeme erschlagen. Dagegen lässt ein helles Zimmer mit großen Fenstern frei atmen. Eine gotische Kathedrale kann erheben. Im Krieg in der Ukraine werden nicht nur Unterkünfte beschädigt. Da werden Heimat und Geborgenheit zerbombt. Sakrale Räume sind von Menschen gemacht. Aber sie machen auch etwas mit uns. Sie können mir helfen, ruhig zu werden und mich zu sammeln. Als Andersorte vermitteln sie eine Ahnung von einer Wirklichkeit, die mich übersteigt und zugleich trägt und birgt. »Hier wohnt Gott«, sagen wir vielleicht einem Kind. Wenn heute Kirchen profaniert, umgewidmet und abgerissen werden, fehlen in einer Stadt nicht nur ein paar Touristenziele. Da fehlen Räume, die uns über uns selbst hinausweisen. »Was, du willst mir ein Haus bauen, damit ich darin wohne?!« So reagiert Gott, anscheinend halb belustigt und halb verärgert, auf den Vorschlag des Königs David, ihm in Jerusalem einen Tempel zu errichten. Nein, Gott selbst baut ein Haus, indem er dem König einen Sohn schenkt (vgl. 2 Sam 7,1-16). Gott wohnt im Menschen! An Weihnachten kommt das dann zu einem unüberbietbaren Höhepunkt: In Jesus von Nazareth hat Gott selbst unter uns gewohnt, mitten unter uns sein Zelt aufgeschlagen (Joh 1,14). Christen sollen daher nicht vorrangig fromme Gebäude errichten, sondern sich »als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen lassen« (vgl. 1 Petr 5). Es gibt Hilfswerke, die investieren nicht in »tote Gebäude«. Darüber kann man streiten. Räume und Gebäude sind wichtig für eine Gemeinde. Franz von Assisi hat zunächst auch ein steinernes Kirchlein wieder aufgebaut. Wo Gebäude verwahrlosen, verwahrlosen auch Menschen. Gebäude sammeln Menschen. Aber dann hat er begriffen, dass Erneuerung der Kirche mehr braucht. Kirchengebäude haben wir noch genug in Deutschland. Aber sie werden immer leerer. Tatsächlich, in sakraler Architektur ist etwas vom Geheimnis Gottes erfahrbar. Aber er wohnt in lebendigen Menschen und lebendigen Gemeinden. Hier bei uns und weltweit. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre dieser neuen Ausgabe unserer Zeitschrift »Franziskaner Mission« und danke zugleich für alles Interesse an unserer weltkirchlichen Arbeit. Herzliche Grüße P. Cornelius Bohl ofm Sekretär für Mission und Evangelisierung TITEL Auf dem Titelbild geben Maler einer neuen Kirche in der Franziskanerpfarrei in Subukia, Kenia den letzten Schliff. Gemeinsam wird geplant, gebaut und gestaltet. Dann geht es um eine sichtbare Willkommenskultur. Unter dem großen Kreuz, auf der Fassade der neuerrichteten Kirche, grüßt der heilige Franziskus mit ausgebreiteten Armen die Menschen mit den Worten: BWANA AKUPE AMANI – DER HERR SCHENKE FRIEDEN! Frieden ist ein großes, aber auch zerbrechliches Geschenk. In ihrem neuen Gotteshaus übt die Gemeinde Frieden ein und betet für Frieden. 3

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