Franziskaner Mission 1 | 2023

2023 Lebendige Steine Sakrale Architektur

FRANZISKANER MISSION erscheint viermal im Jahr und kann als kostenfreies Abo bestellt werden unter Telefon 089-211 26 110 oder muenchen@franziskanermission.de. »Franziskaner Mission« erscheint im Auftrag der Deutschen Franziskanerprovinz von der heiligen Elisabeth – Germania. HERAUSGEBER Franziskaner Mission REDAKTIONSLEITUNG Augustinus Diekmann ofm REDAKTION Dr. Cornelius Bohl ofm, Stefan Federbusch ofm, Natanael Ganter ofm, Joaquin Garay ofm, Heinrich Gockel ofm, Márcia S. Sant'Ana, Eurico Alves da Silva ofm, Fábio de Sousa Barbosa ofm, René Walke ofm, Pia Wohlgemuth GESTALTUNG sec GmbH, Osnabrück‚ DRUCK Bonifatius GmbH, Paderborn Impressum FRANZISKANER MISSION St.-Anna-Straße 19, 80538 München Telefon: 089-211 26 110 Fax: 089-211 26 109 muenchen@franziskanermission.de www.mission.franziskaner.de Spenden erbitten wir, unter Angabe des Verwendungszwecks, auf folgendes Konto: LIGA BANK IBAN DE48 7509 0300 0002 2122 18 BIC GENODEF1M05 Ihre Spendengelder fließen in unsere Hilfsprojekte und nicht in die Produktionskosten dieser Zeitschrift. 2

Liebe Leserin, lieber Leser! Architektur – das ist etwas, was wir Menschen machen. »Baukunst« eben, so die etwas schwerfällige deutsche Übersetzung. Tatsächlich haben die aus dem Griechischen kommenden Begriffe Architektur und Technik eine gemeinsame Wurzel. Architekten sind Baumeister, Techniker, Künstler. Also Macher. Andersherum stimmt die Aussage allerdings auch: Architektur macht etwas mit uns. Lieblose kleine Wohnungsschachteln können bedrücken. Die Bauten totalitärer Systeme erschlagen. Dagegen lässt ein helles Zimmer mit großen Fenstern frei atmen. Eine gotische Kathedrale kann erheben. Im Krieg in der Ukraine werden nicht nur Unterkünfte beschädigt. Da werden Heimat und Geborgenheit zerbombt. Sakrale Räume sind von Menschen gemacht. Aber sie machen auch etwas mit uns. Sie können mir helfen, ruhig zu werden und mich zu sammeln. Als Andersorte vermitteln sie eine Ahnung von einer Wirklichkeit, die mich übersteigt und zugleich trägt und birgt. »Hier wohnt Gott«, sagen wir vielleicht einem Kind. Wenn heute Kirchen profaniert, umgewidmet und abgerissen werden, fehlen in einer Stadt nicht nur ein paar Touristenziele. Da fehlen Räume, die uns über uns selbst hinausweisen. »Was, du willst mir ein Haus bauen, damit ich darin wohne?!« So reagiert Gott, anscheinend halb belustigt und halb verärgert, auf den Vorschlag des Königs David, ihm in Jerusalem einen Tempel zu errichten. Nein, Gott selbst baut ein Haus, indem er dem König einen Sohn schenkt (vgl. 2 Sam 7,1-16). Gott wohnt im Menschen! An Weihnachten kommt das dann zu einem unüberbietbaren Höhepunkt: In Jesus von Nazareth hat Gott selbst unter uns gewohnt, mitten unter uns sein Zelt aufgeschlagen (Joh 1,14). Christen sollen daher nicht vorrangig fromme Gebäude errichten, sondern sich »als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen lassen« (vgl. 1 Petr 5). Es gibt Hilfswerke, die investieren nicht in »tote Gebäude«. Darüber kann man streiten. Räume und Gebäude sind wichtig für eine Gemeinde. Franz von Assisi hat zunächst auch ein steinernes Kirchlein wieder aufgebaut. Wo Gebäude verwahrlosen, verwahrlosen auch Menschen. Gebäude sammeln Menschen. Aber dann hat er begriffen, dass Erneuerung der Kirche mehr braucht. Kirchengebäude haben wir noch genug in Deutschland. Aber sie werden immer leerer. Tatsächlich, in sakraler Architektur ist etwas vom Geheimnis Gottes erfahrbar. Aber er wohnt in lebendigen Menschen und lebendigen Gemeinden. Hier bei uns und weltweit. Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre dieser neuen Ausgabe unserer Zeitschrift »Franziskaner Mission« und danke zugleich für alles Interesse an unserer weltkirchlichen Arbeit. Herzliche Grüße P. Cornelius Bohl ofm Sekretär für Mission und Evangelisierung TITEL Auf dem Titelbild geben Maler einer neuen Kirche in der Franziskanerpfarrei in Subukia, Kenia den letzten Schliff. Gemeinsam wird geplant, gebaut und gestaltet. Dann geht es um eine sichtbare Willkommenskultur. Unter dem großen Kreuz, auf der Fassade der neuerrichteten Kirche, grüßt der heilige Franziskus mit ausgebreiteten Armen die Menschen mit den Worten: BWANA AKUPE AMANI – DER HERR SCHENKE FRIEDEN! Frieden ist ein großes, aber auch zerbrechliches Geschenk. In ihrem neuen Gotteshaus übt die Gemeinde Frieden ein und betet für Frieden. 3

Inhalt 6 Baue mein Haus auf Sakrale Räume werden zu Sendungsräumen Johannes Baptist Freyer ofm 8 Beten unter freiem Himmel Beim Volksstamm Nuer in Südsudan Gregor Schmidt mccj 10 Raum dient Gemeinde Flexible Gottesdienstorte in Zentralamerika Joaquín Garay ofm 12 »Lasst uns anfangen« Eine neue Kirche für Baures, Bolivien Georg Redelberger ofm 14 Fenster erzählen Geschichte Wallfahrtskirche in Nordostbrasilien Fábio de Sousa Barbosa ofm 16 Afrikanische Rundhütte Modell für Kapellen und Tabernakel Heinrich Gockel ofm 18 Mittelseite 20 Afrikanische Kathedralen Kirchneubauten im Erzbistum Bukavu, DR Kongo Marie Pascal Rushura ofm 22 Lasst die Kirche im Dorf Kirchenneubau in Bolivien Reinhold Brumberger ofm 24 Kirche wird Heimat Ein Neubau in San Julián, Bolivien Robert Hof 26 Lebensschulen Gemeindekapellen in Nordostbrasilien Fábio de Sousa Barbosa ofm 28 Wohnung Gottes Kirchenbauten bei ethnischen Minderheiten in Vietnam Chi Thien Vu ofm 30 Seht her, wir sind da! Die St. Sebastian Kirche im indischen Chennai Simon Arockiasamy ofm 32 Einladende Gottesdiensträume Ein Brasilienmissionar erinnert sich Fábio de Sousa Barroso ofm 34 Post aus Syrien 35 Projekt 10 6 284 14

Personalia MARTIN SAPPL OFM Bolivienmissionar Martin Sappl ofm feierte im Januar seinen 70. Geburtstag. Seit Anfang März ist er nun im Heimaturlaub im Franziskanerkloster Sankt Anna in München. Der gebürtige Bad-Tölzer besucht Familie und Freunde in Deutschland und in Bayern, nutzt die Zeit aber auch für Arztbesuche und zur Erholung von seiner Arbeit als Pfarrer in Chochabamba/Bolivien. FÁBIO DE SOUSA BARBOSA OFM Der Franziskaner Fábio de Sousa Barbosa stammt aus Bacabal im Bundesstaat Maranhão, der als Armenhaus Brasiliens gilt. Mit 14 Jahren lernte er die Franziskaner kennen und begann 2018 sein Noviziat in der Franziskanerprovinz »Unserer Lieben Frau von der Himmelfahrt.« Am 6. Januar 2023 hat er sich in der Feierlichen Profess endgültig an den Orden gebunden. Seit dem 24. Januar dieses Jahres lebt der 24-Jährige für ein Jahr im Franziskanerkloster Dortmund, lernt Deutsch und teilt das Leben der Brüder im Konvent. Danach wird er zunächst sein Studium in Brasilien fortsetzen. Nach Abschluss seines Theologiestudiums möchte er sich für länger in der Franziskaner Mission Dortmund engagieren. HEINRICH SCHNUSENBERG OFM Unser langjähriger Japanmissionar Heinrich Schnusenberg verstarb am 15. März 2023. Geboren im Januar 1935 in Rheda-Wiedenbrück, trat er 1954 in den Franziskanerorden ein. Nach dem Philosophie- und Theologiestudium in Warendorf und Paderborn empfing er 1960 die Priesterweihe. Bald danach erfolgte die Aussendung in die Mission nach Japan. Nach dem Studium der Japanologie lebte Pater Heinrich als Seelsorger in einem Arbeiterviertel in Osaka und kümmerte sich vor allem um die Obdachlosen. Am Ende seines Heimaturlaubs im Jahr 2004 kehrte er aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Japan zurück. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Pater Heinrich im Bruder-Jordan-Haus in Dortmund. 22 24 30 20

»Franziskus, siehst du nicht, dass mein Haus in Verfall gerät? Geh also hin und stelle es mir wieder her!« (Dreigefährtenlegende Kapitel 5) Baue mein Haus auf Sakrale Räume werden zu Sendungsräumen Von diesem Anruf des gekreuzigten auferstandenen Jesus – auf dem nach dem Johannesevangelium gemalten Kreuzbild der außerhalb von Assisi zerfallenen Kapelle von San Damiano – fühlte sich der nach den gescheiterten Ritterträumen nach einem Sinn suchende, kränkelnde Franziskus zutiefst getroffen. Ob er diesen Satz akustisch oder intuitiv vernommen hat, spielt dabei keine Rolle. Auf seine eindringliche Bitte, Gott möge das Dunkel seines Lebens erhellen, spürte er in dieser religiösen Erfahrung, dass er durch das Kreuzbild mit etwas Heiligem in Verbindung gekommen war, das ihm einen neuen Sinn gab – und ihn dabei in absoluter Weise herausforderte. Der Anruf verlangte eine Antwort, den geschenkten Sinn anzunehmen und danach zu handeln, um den »heiligen und wahrhaften Auftrag zu erfüllen«. Franziskus verstand diesen Anruf zunächst wörtlich und begann, diese zerfallene Kapelle von San Damiano wieder aufzubauen. Das erstaunt, denn er widmete sich dem Wiederaufbau einer zwar dem Bischof beziehungsweise dem Domkapitel zugehörigen und für den Kult durch einen Armenpriester betreuten Kapelle. Aber diese war schon länger wegen ihrer Bedeutungslosigkeit vernachlässigt, während doch gleichzeitig in der Stadt aus Dankbarkeit für den wirtschaftlichen Aufschwung dem Stadtheiligen Rufinus eine neue Kathedrale er- richtet wurde. Statt bei dem Neubau der Kathedrale zur Hand zu gehen, erbettelte Franziskus Steine für eine unbedeutende Feldkapelle. Diese wurde allenfalls von Feldarbeitern, Tagelöhnern und Bettlern frequentiert. Später würden hier mittellose Frauen eine Bleibe finden, um dort Gott einen Ort in dieser Welt zu bereiten. In beiden Fällen sollte die Welt mit dem Transzendenten (Gott) verbunden werden. Der Neubau der Kathedrale TEXT: Johannes Baptist Freyer ofm | FOTOS: Augustinus Diekmann ofm 6

Leprösen, deren Freund er wurde, zum heiligen, sakralen Ereignis, weil er da die Gegenwart Christi (Gottes) erfuhr. Franziskus erlebte, dass ihm in diesen Ausgegrenzten Gott selbst begegnete und sich offenbarte. Die Welt der Armen wurde zum Ort der Gegenwart Gottes. Unter den Armen offenbarte sich der auferstandene Gekreuzigte des Damianokreuzes als das Leben, als Kraft und Hoffnung der Marginalisierten. Ab jetzt ging es um mehr als nur darum, Ruinen aufzubauen. Es ging darum, Trümmer neu zu beleben – durch ein Leben als Armer mit und unter den Armen. Und noch einmal manifestierte sich im Raum einer von ihm restaurierten Kapelle, der Portiunkula, was dem Armen von Assisi heilig, im Sinne von lebenswichtig, werden sollte: Er entdeckte das Evangelium der Minoritas und Sendung als Lebensform für sich und die Brüder und Schwestern, die noch kommen sollten. Das ist es! »Das ist es, was ich will …«. Die Qualität des erfahrenen Heiligen hat den Effekt, dass es ein besonderes menschliches Verhalten erfordert und dem weiteren Lebensweg Orientierung gibt. Die kann dann auch andere, zunächst nicht Beteiligte, anlocken und anstecken. Die Brüder und Schwestern, die seine Berufung teilten, kamen erst noch. Sie mögen nicht dieselbe Erfahrung des Heiligen gemacht haben, aber es zog sie an. Der, wenn auch zerfallene und dennoch durch den Glauben dem Heiligen vorbehaltene Raum, wurde zu einem Ort der Offenbarung. Das Mysterium der Offenbarung erschloss sich aber erst in der Verbindung zur Realität des Lebens: in der Begegnung mit den Aussätzigen und in der Evangelium gemäßen Sendung in die Welt. Das Wechselspiel der Erfahrung des Heiligen im verwahrlosten sakralen Raum verfallender Kapellen und zugleich unter den ausgestoßenen Aussätzigen sowie in einer profanen Welt – dies eröffnete dem Aussteiger aus der Welt des neureichen Bürgertums und einer sich klerikalisierenden Priesterkirche den neuen Horizont. Einen Horizont mit einer den Fußspuren Jesu folgenden universalen, geschwisterlichen Kirche und einer Welt wird zur Verbindung von wirtschaftlichem Erfolg mit dem Heiligen, unter Vernachlässigung der wirtschaftlich unbedeutenden Kapellen und deren Besucher. Der Wiederaufbau der Feldkapelle findet statt, weil Gott auch unter den Armen, den am Rande des gesellschaftlichen Erfolges Lebenden und sogar unter den Ausgegrenzten zu finden ist. Trümmer neu beleben Es erscheint nicht zufällig, dass in den Zeitraum der religiösen Erfahrung in San Damiano auch jene entscheidende Wende für Franziskus‘ Leben – die Begegnung mit den Aussätzigen – fiel, welche er in seinem Testament vermerkte und als den Beginn einer neuen Lebensweise in der Buße erinnerte. Die Erfahrung des Heiligen im Raum von San Damiano wurde von einer ›Metanoia‹ begleitet, einer Bekehrung, die nicht nur einfach eine Meinungsänderung war, sondern eine radikale Umkehrung seiner Gefühlswelt und seines Empfindens bewirkte. »So hat der Herr mir, dem Bruder Franziskus, gegeben, das Leben der Buße zu beginnen: denn als ich in Sünden war, kam es mir sehr bitter vor, Aussätzige zu sehen. Und der Herr selbst hat mich unter sie geführt, und ich habe ihnen Barmherzigkeit erwiesen. Und da ich fortging von ihnen, wurde mir das, was mir bitter vorkam, in Süßigkeit der Seele und des Leibes verwandelt. Und danach hielt ich eine Weile inne und verließ die Welt.« Franziskus entdeckte den gekreuzigten und auferstandenen Christus. In einer biblischen Perspektive ist die privilegierte Manifestation des Heiligen das Gesicht der anderen, vor allem der Armen, die als Geschwister willkommen geheißen werden müssen. Im sakralen Raum der zerfallenen Kapelle und im verfaulenden Körper der Aussätzigen entdeckte Franziskus das Antlitz Jesu. Da wurde gleichsam auch das Zusammentreffen mit den Der Autor Johannes Baptist Freyer gehört seit 1977 dem Franziskanerorden an. Momentan ist er Gastprofessor an der franziskanischtheologischen Fakultät der Universität von San Diego, Kalifornien / USA, sowie theologischer Referent von »Franziskaner Helfen« in Bonn. und Schöpfung als möglicher Ort der Gottesgegenwart. So konnte Franziskus in seinem Testament ausführen: »[D] er Herr gab mir in den Kirchen einen solchen Glauben, dass ich in Einfalt so betete und sprach: Wir beten dich an, Herr Jesus Christus, hier und in allen deinen Kirchen auf der ganzen Welt, und wir preisen dich, weil du durch dein heiliges Kreuz die Welt erlöst hast.« So bezeugte Franziskus die Verbindung von Hier und Jetzt in dieser Welt und Schöpfung – unter den Aussätzigen und Armen mit dem Kirchenraum als universalem Ort der Gotteserfahrung. Er beschränkte die Erfahrung des Heiligen nicht auf den abgesonderten sakralen Raum. Vielmehr wird der sakrale Ort der Kirchen zum Sendungsraum, um die Welt und die Schöpfung als universale Wohnstätte des Gottes, der in Jesus Christus Fleisch angenommen hat, wahrzunehmen. Erst durch den glaubenden Lebensvollzug in der Welt, vor allem unter den Armen, wurde für ihn der im sakralen Raum erahnte Lebenssinn offensichtlich. Dank ihrer Bezogenheit aufeinander boten der sakrale Ort, die Kirchen, und die Welt, das Hier und Jetzt, Franziskus einen Sinn, von dem er sich ergreifen ließ und dem er durch sein Leben Gestalt gab. Franziskanerkloster San Damiano, Assisi Kreuz von San Damiano, Assisi 7

Als Missionar habe ich langjährige Erfahrung bei den Nuer in Südsudan gemacht. Dort kommt es überhaupt nicht auf die Architektur von Kirchengebäuden an und es wird oft unter freiem Himmel gebetet. Beten unter freiem Himmel Beim Volksstamm Nuer in Südsudan Das Christentum entstand in Abkehr vom Tempelkult und organisierte seine Eucharistiefeiern für mehrere Jahrzehnte in gewöhnlichen Wohnhäusern. Es waren die Gläubigen als Geistträger, die dem Ort des Gebetes Sakralität verliehen. Später wurden dann Gebäude zu dem Zweck geweiht, damit sie nur für den Gottesdienst benutzt werden sollten. Und noch später entwickelte sich eine sakrale Architektur, die etwas über Gottes Herrlichkeit und sein Verhältnis zu uns Menschen ausdrücken sollte – wie der Jerusalemer Tempel. Ich weiß nicht, ob dies eine unausweichliche Entwicklung war, und will das nicht negativ bewerten. Feste Bauten haben viele Vorteile. Ich möchte nur den Horizont erweitern: Katholisches Gemeindeleben kann auch ohne geweihte Kirchen oder einen speziellen sakralen Baustil existieren. Ich habe elf Jahre bei dem Hirtenvolk der Nuer in Fangak County (Südsudan) gelebt. Das Christentum gibt es hier erst seit zwei Generationen, hauptsächlich sind es Katholiken und Presbyterianer. Viele Katholiken der ersten Generation leben noch. In vielem ähnelt diese Kultur der Hirtenkultur der Patriarchen des Alten Testamentes. Jede Sippe ist für sich selber verantwortlich. Gott wird in den Ereignissen des Lebens erkannt: TEXT UND FOTOS: Gregor Schmidt mccj 8

Regen und Ernte, Geburt und Tod, in Träumen und bei Versöhnungsfeiern. Es gibt viele alttestamentliche Bezüge, leider auch die gewalttätigen Seiten. Den Himmel im Blick Die Menschen der Dreifaltigkeits-Pfarrei leben isoliert im Sumpfgebiet des Nil, dem sogenannten »Sudd«. Es gibt nur wenig Handel mit der Außenwelt, sodass die Nuer relativ autark sind, was Ernährung und Hausbau betrifft. Es gibt kaum eine Infrastruktur – weder Straßen noch Stromleitungen oder Handynetz. Eine weitere Besonderheit ist, dass der Boden der Region ausschließlich aus angeschwemmten Sedimenten des Nil besteht. Das heißt, das Land ist ganz flach und enthält keine Felsen, keine Steine. Daher gibt es nur Gebäude aus Holz und lehmhaltiger Erde. Die Dächer sind aus Gras. Ganz egal, ob Nuer eine Hütte für Menschen, eine Kapelle oder einen Stall für Tiere bauen: Es handelt sich immer um den gleichen Baustil. Nur der Durchmesser des Gebäudes ändert sich. Weil der Bau mühsam mit bloßen Händen geschieht, ist es selbstverständlich, dass größere Räume für verschiedene Treffen und Gruppen, aber auch als Schule oder sonntags zum Gottesdienst genutzt werden. Aus diesem Grund wurde bisher kein Gebäude geweiht, weil es danach eine profane Nutzung ausschließen würde. Des Weiteren ist eine Weihe von Gebäuden, die nach einigen Jahren durch das Wetter und Termiten zerstört sind, nicht sinnvoll. Die Leute benutzen Gebäude für sechs bis acht Jahre und bauen danach an einer freien Stelle ein neues Haus, während das alte Haus verfällt. Die katholische Kirche hat bei den Nuer in den letzten 20 Jahren starken Zuspruch gefunden. In den Dörfern kommen am Sonntag so viele Menschen zum Gebet, dass die Gebäude zu klein sind. Daher wird oft im Schatten der Bäume unter freiem Himmel gebetet. Einige wenige Dörfer haben in den letzten Jahren von uns Comboni-Missionaren für ihre offiziellen Gebäude eine Eisenkonstruktion mit Wellblechdach erhalten, in denen bis zu 200 Menschen Platz finden. Jedoch ist der Transport von Baumaterialien und einem Generator zum Schweißen aufwendig und teuer. Ein Sack mit 50 Kilogramm Zement (Einkauf in der Hauptstadt Juba und Transport in unsere Region) kostet zum Beispiel 40 Euro. Die Pfarrei wird von zwei unserer Comboni-Priester betreut. Auf einer Fläche, die achtmal so groß wie Berlin ist, gibt es etwa 80 Kapellen, das heißt, Dörfer, in denen sonntags gebetet wird. Gewöhnlich hält ein Katechet den Wortgottesdienst, weil die Priester ja nur an zwei Orten sein können. Über das Jahr verteilt erhalten die Kapellen meist nur einen Besuch eines Priesters, der entweder zu Fuß oder mit dem Kanu unterwegs ist. Die Zahl der Gottesdienstbesucher ist in diesem Fall natürlich besonders groß, und es wird dann fast immer unter freiem Himmel gefeiert. Tempel des hl. Geistes Das war für mich eine neue Gebetserfahrung. In Kirchen gibt es in der Regel keinen Windzug. Im Freien jedoch verweht der Wind die Seiten der Bibel, und die geweihten Gaben brauchen besonderen Schutz. Für mich sind diese beiden Formen zu beten ein Sinnbild. Die geschlossene Kirche, in der die Feier unter Kontrolle ist, ist unsere Versuchung, Gott nur kontrolliert in unser Leben zu lassen. Die ganze Regie ist festgelegt und vorhersehbar. Aber Gott ist ungebän- digt. Er ist Geistkraft und unvorhersehbar. Der Wind wurde für mich zu einem Zeichen, dass Gott unser Leben durchkreuzt. Er möchte, dass wir ihm ganz vertrauen und nicht auf unsere Pläne setzen. Bei einer Messe fiel mir einmal eine Schlange vom Baum auf den Altar. Sie war ungefährlich und kroch brav wieder am Stamm den Baum empor. Das Gebet bei den Nuer hat mich auch tiefer die Aussage Jesu verstehen lassen, dass die wahren Beter nicht an einem bestimmten Ort, sondern im Geist anbeten (Joh 4,23). Die GläubiDer Autor Gregor Schmidt gehört der Kongregation der Comboni Missionare vom Herzen Jesu der deutschsprachigen Provinz an. Seit 2009 ist er Priester in der Pfarrei in Old Fangak, Südsudan. gen versammeln sich für einige Stunden und können beim nächsten Gebet einen anderen Ort auswählen. Entscheidend ist, dass sie Gottes Frieden und Freude im Herzen tragen. Es ist so, wie Paulus schrieb, dass der an Jesus glaubende Mensch ein Tempel des Heiligen Geistes ist. Es braucht kein sakrales Gebäude. Jesus ist dort gegenwärtig, wo Menschen in seinem Namen versammelt sind. Eine Messe dauert gewöhnlich drei Stunden, bei Festen auch bis zu fünf Stunden, weil alle liturgischen Teile besonders ausgestaltet sind und mit vielen Liedern begleitet werden. Der Gesang und der Tanz haben eine ganz besondere Ausstrahlung, die den Gottesdienst lebendig macht. Die Fürbitten sind spontan und frei gesprochen. Nach der Kommunion ist Raum für verschiedene Ansprachen, Segnungen und Ansagen. Nach der Messe geht jeder Teilnehmer gestärkt seinen Weg und nimmt die Frohe Botschaft Jesu mit in den Alltag. Der Ort des Gebetes spielt keine Rolle mehr. Es ist die Geisterfahrung, die zählt. Die Nuer haben keine Architektur, die etwas Bleibendes an die nächste Generation vererbt. Sie leben für den Moment und konzentrieren sich darauf, im Hier und Jetzt zu überleben. Sie haben aber verinnerlicht, was Petrus uns lehrt: »Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen, zu einer heiligen Priesterschaft, um durch Jesus Christus geistige Opfer darzubringen, die Gott gefallen.« (1 Petrus 2,5) Für Jesus Christus nehmen sich die Nuer Zeit. Die Messe und andere Gebetszusammenkünfte schaffen durch das Erlösungswerk Jesu eine geistige Verbundenheit, welche uns als Leib Christi zusammenwachsen lässt (Epheser 4,15-16). Wir werden so zu »lebendigen Steinen« im Haus Gottes. Das ist der wahre, unzerstörbare Sakralbau, an dem Gott uns teilhaben lässt. Bei den Nuer ähnelt die Bauweise von Kapellen den traditionellen Wohnhäusern. 9

Bei der spanischen Kolonisation in Lateinamerika wurde ein vereinheitlichter architektonischer Grundriss für die Gründung von neuen Städten eingeführt. Dazu gehörten unter anderem ein Hauptplatz (oder Marktplatz), ein Rathaus sowie Kirchen, Wallfahrtsorte und Klöster. Der kolonialen Expansion lagen nicht nur wirtschaftliche und politische, sondern auch zivilisatorische und religiöse Kriterien zugrunde. Die Missionare waren der Überzeugung, dass ihre Aufgabe darin bestand, nicht nur den christlichen Glauben, sondern auch die Zivilisation bringen zu müssen. Die in dieser Zeit entstandenen kolonialen Bauwerke gehören zum historischen kulturellen Erbe in Lateinamerika – auch nach der Erlangung der politischen Unabhängigkeit von Spanien. Bis heute werden sie als historische religiöse Schätze betrachtet. Die Kirchen und Kathedralen übermitteln den Menschen die religiöse Erfahrung, sich an einem sakralen Ort zu befinden. Sie haben von ihrer Faszination bis heute nichts verloren. Dazu gehören auch die Wallfahrtkirchen, Marienweihestätten, Klosteranlagen, die zum Beten, zum Pilgern oder zu besonderen Anlässen sehr beliebt sind. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, den Dokumenten der Kirche in Lateinamerika (Medellín, Puebla, Santo Domingo, Aparecida) und unter dem Anstoß der sogenannten Neuevangelisierung wurden neue Kriterien und Prioritäten zum Bau von weiteren Kirchen nach verschiedenen modernen architektonischen Modellen angewendet. Die Gemeinde vor Ort, das heißt die Gläubigen, erkennen sich als die Kirche, die sich in einem Raum, einem Saal versammelt. Das bringt einen Perspektivwechsel mit sich: Der Raum steht in Funktion und Dienst der Gemeinde, nicht umgekehrt. Das bezieht sich vor allem auf die Teilnahme an den sonntäglichen Gottesdiensten. Bei der Wahl, der Gestaltung oder Umgestaltung dieser Räume in den Randgebieten der großen TEXT UND FOTOS: Joaquín Garay ofm Raum dient Gemeinde Flexible Gottesdienstorte in Zentralamerika In der Franziskanergemeinde »San Antonio de Padua« in San Salvador, El Salvador, feiern die Gläubigen ihren Gottesdienst wochentags in der Pfarrkirche (oben) und sonntags in der Sporthalle. Städte in El Salvador, Honduras oder Guatemala werden konkrete Kriterien umgesetzt: genügend Aufnahmekapazität, Geräumigkeit und je nach den Klimabedingungen zum Beispiel Offenheit, gute Belüftung, Helligkeit und Weiteres. Im Fall der Pfarrgemeinde »San Antonio de Padua« in San Salvador, El Salvador, wurde eine Sporthalle zum Feiern von Gottesdiensten umgestaltet. Diese Halle hat sich in der Pandemiezeit als passend und geeignet erwiesen und wurde von der Gemeinde gern angenommen. Die Gemeinde fühlt sich dort so wohl, dass der Pfarrgemeinderat die Entscheidung getroffen hat, die Gottesdienste an Sonntagen im sogenannten »Templete« weiter zu feiern; die Werktagsgottesdienste werden dagegen in der Pfarrkirche gefeiert. In Randgebieten der großen Städte findet man sehr häufig Pfarrgemeinden mit solchen multifunktionalen, offenen Räumlichkeiten. Die Pfarrkirche in der Gemeinde »San Francisco«, Soyapango, San Salvador, ist ein Beispiel dafür. Natürlich spielen geringe finanzielle Möglichkeiten und das rapide Wachstum der Städte eine Rolle. In diesem Sinne dürfen die Pfarrgemeinden nur planen und umsetzen, was sie sich leisten können. Trotzdem hat sich im Bewusstsein und in dem religiösen Gefühl der Gläubigen durchgesetzt, dass sie als Kirche Eucharistie feiern und sich daher in diesen multifunktionalen Kirchen wohlfühlen. Der Autor Joaquín Garay gehört zur Deutschen Franziskanerprovinz und ist seit September 2022 auf Mission in Mittelamerika. 10 | 11

Am 19. März des Jahres 2009 kam ich in das bolivianische Dorf mit dem schönen Namen »Unbefleckte Empfängnis Unserer Lieben Frau der allerseligsten Gottesmutter Maria von Baures«, kurz »Baures« genannt. Ich hatte meine Reisetasche noch nicht ausgepackt, da stand schon der Bürgermeister vor dem Pfarrhaus: »Willkommen, Padre, Sie sind doch Deutscher?« Ich gab das zu, da strahlte er mich an: »Dann sind Sie gekommen, um unsere Pfarrkirche neu zu bauen!« »Wie kommen Sie auf diese Idee?« »Weil der frühere Pfarrer, der Pater Dominik Mayr, auch ein Deutscher war, und der hat uns die frühere Kirche gebaut.« »Und warum gibt’s die nicht mehr?« Ich betrachtete den schlichten Kapellenbau, der da als Pfarrkirche dient: Lehmbatzenmauern, ein rostiges Blechdach drüber. Wirklich, man könnte was Besseres machen! »Die ist 1916 abgebrannt, und dann haben unsere Leute halt das da gebaut.« Es sieht schon sehr selbergemacht aus, was hier Pfarrkirche heißt. »Wir wollen unsere frühere Kirche wieder, die Missionskirche, die die Jesuiten gebaut hatten.« »Und wer soll die bauen?« »Das machen wir selbst!« An Stolz sind die Baureños, wie man sie nennt, kaum zu übertreffen. Gemeinsam Kirche bauen Ein Architekt, Bekannter unseres Bischofs, wusste etwas von einer Bleistiftzeichnung der alten Kirche im Nationalarchiv in Sucre. Und nach dieser Zeichnung fertigte er einen Entwurf für den Neubau einer »echten« Jesuiten-Missionskirche an. Nun ja, es sollte halt eine Rekonstruktion werden. Wenn das christliche Volk mitmacht. Die Fundamente steckte der Architekt einstweilen ab, das christliche Volk schaute von Ferne zu, bis unser Küster durchs Dorf lief und verriet: »Bei der Kirche hat man einen Topf mit Goldmünzen gefunden!« Da kamen die Schatzsucher eiligst mit Pickeln und Schaufeln, und im Nu, also in einer Woche, war der Fundamentgraben ausgehoben, ein Meter achtzig tief, ein Meter breit. Einen Schatz haben sie natürlich nicht gefunden. Einige Großgrundbesitzer spendeten Zement, und wer kein Geld fürs Spenden hatte, brachte Kieselsteine, Backsteinbrocken und Bauschutt in Schubkarren vorbei. Mit Spenden aus Deutschland wurden Eisenstangen für die Mauerverstrebungen gekauft, die Jesuitenbaumeister hatten noch Holzstämme in die Mauern als Stützen TEXT UND FOTOS: Georg Redelberger ofm »Lasst uns anfangen« Eine neue Kirche für Baures, Bolivien

eingebaut. Diese Holzstämme waren abgefault, die Reste der Stämme im Boden gaben uns die Ausmaße der alten Kirche an. Die alte Kirche hatte 250 Jahre gehalten, die neue Kirche sollte bis zum Jüngsten Tag bestehen und größer werden als die jetzige Notkapelle. An den Sonntagen müssen immer eine Menge Kirchenbesucher vor der Kirche draußen stehen, weil drinnen kein Platz ist. In Deutschland, so sagt man, sei es anders, da gäb’s in der Sonntagsmesse mehr Bänke als Gläubige in der Kirche. In den Semesterferien kamen einige Universitätsstudenten, denen ich bei ihren Studiengebühren geholfen hatte. Und nun bauten sie aus Dankbarkeit unter Anleitung eines Architekturstudenten die Backsteinmauern auf der rechten Seite der Kirche bis auf drei Meter Höhe auf. Der Hohlraum zwischen den Backsteinmauern sollte mit Feldsteinen, Kieseln und Zement ausgefüllt werden. Da standen die gläubigen Baureños Schlange, um bei dieser Arbeit zu helfen. Die Studenten hatten gelernt, barocke Säulen aus Zement zu formen, und mit denen verzierten sie die Wände. Den Zement spendete ein Politiker der Opposition, der sozia- listische Staatspräsident Evo Morales hatte bei einem Besuch in Baures großartig versprochen, er werde beim Bau helfen. Als unser Bürgermeister später in der Hauptstadt nachfragte, ob da nicht vielleicht ...?, kam die Antwort: »Für Kirchenbauten haben wir keine Geldmittel.« Auch recht! Langsam, sehr langsam, wuchsen die Wände auf drei Meter Höhe empor, immer in den Monaten der Trockenzeit – Mai bis September. In der Zeit gehen aber auch unsere Bauern aufs Feld, also wurde ein Plan aufgestellt; wer gerade Zeit hatte, kam zum Arbeiten an der Kirche. Not macht erfinderisch Ein Architekt, ehemaliger Schüler von mir, dann sogar versuchsweise vier Jahre lang Franziskaner, malte einen sehr ausführlichen Bauplan und baute ein Kirchenmodell aus Pappendeckeln. Jetzt konnte ein jeder sich vorstellen, wie’s einmal aussehen würde. Die Begeisterung war groß, das Spendenaufkommen gering. Provinzial Martin Sappl, Studienkollege von mir, hatte die Idee: Mit Kakao könnte man was machen. So eine Kakaoplantage bringt dreißig Jahre lang einen guten Ertrag, und so säten wir Kakaobohnen und pflanzten 16 Hektar Kakaobäumchen. Vielleicht bringt der Kakao unseren Kirchenbau zu einem guten Ende. Gerade eben ist Regenzeit, der Bau stoppt. Der Zement ist aufgebraucht und die Spenderversammlung ist für den Anfang der Fastenzeit geplant. Vor dem Pfarrhaus türmen sich Backstein-, Schotter-, Feldstein- und Sandhaufen. Wenn sich die Wolken verziehen, geht’s wieder voll ans Werk. Einer hat gefragt: »Padre, wie willst du die Kirche fertigbauen, wenn du kein Geld hast?« Meine Antwort war: »Wer nie anfängt, wird nie fertig.« Mein lieber Vorgänger als Pfarrer hier in Baures, der spanische Pater Jesús (er hieß wirklich Jesus!) hatte damals 28 Jahre lang Geld gespart für den Kirchenbau, ganze 1.500 Bolivianos, das sind 200 Euro. Und in München und Umgebung, wo ich lange gelebt habe, galt der Spruch, hier Originalton bayrisch; »Öbbs geht oiwei.« Übersetzung für Nichtbayern: »Irgendwas ist immer möglich.« Mit den Worten des heiligen Franziskus grüße ich: »Brüder, lasst uns anfangen, bisher haben wir noch nichts getan.« (Nach diesen Worten starb Franziskus von Assisi.) Ein Wort zum Nachdenken für mich, den 75-jährigen Missionspater. Der Autor Georg Redelberger ist Pfarrer in Baures, Bolivien. Er stammt aus Dettelbach und ist seit 1996 in der Bolivienmission. Bilder von der Baugeschichte einer neuen Pfarrkirche im bolivianischen Baures 12 | 13

Wer die Geschichte Brasiliens kennt, weiß, dass manche Bundesstaaten auf ganz besondere Weise von ihrer beeindruckenden Geschichte geprägt sind. Herausragend ist dabei die Schönheit der historischen Kirchen, die mit ihrer kolonialen Architektur von vielen bewundert werden. Über diesen architektonischen Aspekt hinaus findet sich in Steinen, Säulen, Fenstern, Malereien und Figuren oft auch eine große theologisch-spirituelle Bedeutung. Solche Kirchen, die die Menschen verzaubern, findet man überall im Land. Hier stellen wir die Wallfahrtskirche São José de Ribamar (Heiliger Josef über dem Meer) im brasilianischen Bundesstaat Maranhão vor. Um die Geschichte der Kirche besser zu verstehen, ist es notwendig, den Standort dieses Gotteshauses zu kennen. São José de Ribamar ist eine Gemeinde und auch ein Wallfahrtsort auf einer Insel namens Ilha de Upaon-Açu. Auf dieser Insel befindet sich auch die Hauptstadt von Maranhão, nämlich die Millionenstadt São Luís. Schon von außen betrachtet ist die Pfarr- und Wallfahrtskirche ein architektonisches Juwel, das Wallfahrende und Touristen verzaubert. Im Innenraum der Kirche fallen die schmalen Buntglasfenster ins Auge, die hoch zur Decke ragen. Normalerweise erwartet man in solchen Fenstern Heiligenbilder oder biblische Darstellungen, die früher als katechetisches Anschauungsmaterial gedient haben. Aber was den Betrachtenden hier sofort auffällt: die Kirchenfenster von São José de Ribamar folgen diesem Muster nicht. Sie zeigen die Geschichte der Einheimischen in auf Glas gemalten Bildern. Um diese historische Bilderfolge zu verstehen, ist es unumgänglich, in die Geschichte des Ortes und seiner Menschen zurückzugehen. Wie es zu dem Bau des Gotteshauses von São José de Ribamar kam, erzählen die Kirchenfenster Schritt für Schritt. Es geht zunächst um einen Mann portugiesischer Herkunft, der eines Tages mit seinem kleinen Boot gegen einen starken Sturm auf dem Meer zu kämpfen hatte. In der Hoffnung auf Hilfe und Rettung flehte er den heiligen Josef um dessen Fürsprache an und wurde auf wunderbare Weise erhört. Aus Dankbarkeit errichtete der Gerettete eine Kirche, die er dem Heiligen Josef widmete. Um die Ursprünge des Gotteshauses ranken sich noch weitere Legenden. So soll die Kirche von Fischern, mit Blick auf das Meer, gebaut worden sein. Außerdem sollen sie eine große Figur des Heiligen Josefs direkt am Strand aufgestellt haben. Eines Tages kamen einige indigene Bewohner des Dorfes Anindiba (heute Passo do Luminar, einer der vier Landkreise auf der Insel) und brachten die große Josefsfigur in ihr Dorf. Aber auf wundersame Weise kehrte der Heilige zu seinem alten Platz am Meer zurück. Dieses Hin und Her soll sich mehrere Male wiederholt haben. Schließlich sahen die Dorfbewohner ein, dass der heilige Josef bei seiner Kirche bleiben wollte. Die Geschichte der Kirche von São José de Ribamar endet aber nicht mit diesen Legenden. Es gibt noch eine andere Version. Das Gotteshaus soll um das Jahr 1757 erst an einer Straße weiter im Landesinneren errichtet worden sein. Nachdem das Gebäude eingestürzt war, baute man es am gleichen Ort wieder auf. Nach einer zweiten Zerstörung wurde die Kirche schließlich am heutigen Standort, mit Blick auf den Ozean, errichtet. Danach ist das Gebäude nicht mehr eingestürzt. Viele Menschen, die heute Maranhão besuchen, möchten auch São José de Ribamar kennenlernen. Deshalb hat sich dieser ruhige und beschauliche kleine Ort im Laufe der Zeit in eine viel besuchte Touristenstadt verwandelt. Die politisch Verantwortlichen haben TEXT: Fábio de Sousa Barbosa ofm | FOTOS: Augustinus Diekmann ofm Fenster erzählen Geschichte Wallfahrtskirche in Nordostbrasilien erkannt, dass die Pflege der Wallfahrtskirche und der großen Josefsfigur am Strand auch Wählerstimmen bringen kann. Durch eine wachsende Verehrung und einen zunehmenden Bekanntschaftsgrad ist der heilige Josef mittlerweile Schutzpatron des gesamten Bundesstaates Maranhão und spielt eine bedeutende Rolle für die regionale Volksfrömmigkeit. Es sind vor allem von Verarmung betroffene Gläubige, die zu seinem Heiligtum wallfahren. In vielfältigen Sorgen und Nöten erbitten sie die Fürsprache ihres Patrons, Gottes Hilfe und Segen. So wurde über die Jahrhunderte der christliche Glaube lebendig gehalten. In Kirchen braucht man also nicht viele Details, sondern etwas, das die Menschen in ihren Herzen wirklich anspricht. So wie die Buntglasfenster in der Wallfahrtskirche von São José de Ribamar, die die Geschichte der Menschen erzählen und sie so in ihrem Glauben stärken. Und es sind viele Gläubige, die das Gotteshaus im Laufe der Jahre willkommen geheißen hat – sei es zum persönlichen Beten oder zu feierlichen Gottesdiensten. Viele Besucher lassen sich von der Einmaligkeit der ansprechenden Kirchenfenster verzaubern. Der Autor Fábio de Sousa Barbosa gehört zur Franziskanerprovinz von Bacabal, Nordostbrasilien. Anfang Januar 2023 hat er sich mit seiner Feierlichen Profess endgültig an den Orden gebunden. Jetzt lebt er im Franziskanerkloster Dortmund, um für ein Jahr die deutsche Sprache zu lernen und die Heimat der Brasilienmissionare zu erkunden. Übersetzung aus dem Portugiesischen: Augustinus Diekmann ofm 14 | 15

Wertvolle Anregungen zum Beginn des sogenannten Afrika-Projekts 1983 erhielt die internationale Gruppe von 29 Brüdern aus 14 Nationen im Dokument des Interfranziskanischen Missionskongresses von Mattli (1982 in Morschach, Schweiz). Darin heißt es: »Treu den Forderungen unserer Minorität suchen wir das Herz der Menschen zu gewinnen auf dem Weg des Dialoges, der gegenseitigen Achtung, des Aufeinander-Hörens, des Sich-Verstehens und -Annehmens. Wenn wir Träger der Botschaft und bestimmter Werte sind, sollen wir gleichzeitig bereit sein, die Botschaft und die Werte, die in anderen vorhanden sind, anzuerkennen. Wir sollen den Herrn verkünden, aber auch demütig auf ihn horchen, der durch alles und durch alle Brüder mit und zu uns spricht.« (Mattli 1978, Nr. 13) Afrikanische Rundhütte Modell für Kapellen und Tabernakel TEXT: Heinrich Gockel ofm | FOTOS: Augustinus Diekmann ofm Von Anfang an sprachen mit uns der Erzbischof und Kardinal von Nairobi, Maurice-Michael Otunga (1923–2003), ferner langjährige Missionare wie einheimische Katecheten. Als der Kardinal vom Plan unserer Ordensleitung hörte, Franziskaner in seine Diözese zu schicken, schrieb er erwartungsvoll nach Rom: »Ich freue mich über einen weiteren Tabernakel des Herrn vom Orden der Minderen Brüder in Nairobi.« Mit seiner Zustimmung fanden wir schnell in der Donyo Sabuk Avenue, in Nairobis Stadtteil Westlands (Kenia), in einem ehemaligen Einfamilienhaus, von englischen Siedlern in den 1940er Jahren gebaut, ein neues Zuhause. Wir hielten unsere Gebetszeiten und Gottesdienste zunächst im Wohnzimmer des Hauses, da es noch keine Kapelle mit Tabernakel gab. Vom Stall zur Garage Nach einigen Wochen entschieden wir, die existierende offene Autogarage im Hof in eine Kapelle umzuwandeln. Ein tüchtiger indischer Bauhandwerker führte geschickt den Auftrag aus mit Holzwänden, Steinen und Ziegeldach. So konnten wir nach etlichen Wochen unsere Gebetszeiten und Eucharistiefeiern in einen würdigen Gebetsraum verlegen. Conrad Chomske ofm, amerikanischer Mitbruder, schrieb daraufhin in unsere Hauschronik: »Für jemanden, der in einem Stall geboren wurde, ist selbst eine Garage ein Fortschritt!« Altartisch und Hocker waren schnell gefunden, aber der Tabernakel ließ lange auf sich warten. Ein erfahrener Holzschnitzer wollte ihn aus einem schweren Mahagoni-Baumstamm herstellen. Bei jedem Besuch in seiner Werkstatt sahen wir kleine Fortschritte: Langsam entstand eine afrikanische Rundhütte mit Tabernakel und darunter die Abendmahlszene. Immer wieder gab es Entschuldigungen und neue Versprechen. Nach Monaten war das Werk schließlich vollendet. Kräftige Brüder transportierten die schwere Tabernakelsäule mit dem Pick-up zufrieden in unsere neue Hauskapelle. Hier feierten wir dann täglich die Eucharistie mit der Hausgemeinschaft und an Wochenenden mit Schülerinnen und Schülern umliegender Gymnasien, die zu Besinnungs- oder Studientagen eingeladen wurden. Es war eine Freude, 16

ihre begeistert gesungenen Lieder in Kiswahili – der Nationalsprache Kenias – zu hören, begleitet von Trommeln, Rassel- und Schüttelinstrumenten und leicht tanzenden Bewegungen mit freudigen Trillerrufen. Am Hoftor wies ein Schild – in T-Form – mit der Aufschrift: »Franciscan Friary – Amani« den Weg zu unserem Haus. »Amani« (Kiswahili für »Frieden«) wollten wir den Menschen in unserer Umgebung bringen. Kapellen aus Stein Als nach einigen Jahren junge einheimische Brüder sich uns angeschlossen hatten, entstand für deren Ausbildungshaus eine größere Steinkapelle mit Ziegeldach im afrikanischen Rundhüttenstil in Nairobis Stadtteil Langata. Hinter dem Altar hängt die Nachbildung des SanDamiano-Kreuzes, von dem der heilige Franziskus Jesu Auftrag hörte: »Geh, bau meine zerfallene Kirche wieder auf!« Buntglasfenster zeigen Elemente seines Sonnengesangs: Bruder Sonne, Schwester Mond und Sterne, Bruder Wind, Schwester Wasser, Bruder Feuer, Schwester Mutter Erde und Bruder Tod. Auch das Portiunkula-Zentrum der Franziskanischen Familie Kenias, ebenfalls in Langata, bemüht sich mit mehreren Initiativen um den Aufbau der Kirche in Afrika. Das Zentrum selbst ist Ergebnis des Studiums der 25 Themenhefte zum franziskanisch-missionarischen Charisma, Frucht internationaler, interfranziskanischer und interkultureller Zusammenarbeit. Der revidierte Kurs in englischer Sprache mit afrikanischem Design, in Kenia erstellt, trägt den Titel: »Go, Rebuild my Church!« (Geh, bau meine Kirche auf). Das Studium dieser Lektionen hilft Franziskanerinnen und Franziskaner in vielen afrikanischen Ländern, in Pfarreien, Schulen, Universitäten, Exerzitien- und Krankenhäusern, den Geist des heiligen Franziskus zu leben und zu verbreiten. Um die Kirche in ländlichen Gegenden Afrikas bemühen sich Brüder und Schwestern mit dem Bau von Kapellen und Kirchen aus Natursteinen mit Zementböden und Wellblechdächern, nicht immer nach dem Rundhüttenmodell. In Kenia liegt die St. FranziskusPfarrei im ländlichen Subukia, circa 200 Kilometer von Nairobi entfernt. Sie zählt 2.000 Gläubige und 16 »Kleine Christliche Gemeinschaften« mit jeweils etwa 80 Familien. Ihre einfach gebauten Steinkapellen dekorieren Malereien, Batiken oder Holzschnitzarbeiten mit biblischen Szenen oder zeigen den Vogelprediger Franziskus mit seinem Gruß: »Amani na Wema« (Kiswahili: Friede und Gutes), oder »Bwana akupe Amani« (Der Herr schenke Frieden) oder »My God and my All« (Mein Gott und mein Alles) und das franziskanische TAU. Zelebranten tragen gern beim Gottesdienst farbenprächtige Messgewänder mit afrikanischem Design, von einheimischen Ordensschwestern angefertigt. Frischer Atem aus Afrika Die Nachrichtenredaktion CNA-Deutsch berichtete über die letzte Begegnung von Papst Franziskus mit Bischöfen der Demokratischen Republik Kongo am 3. Februar 2023: »Von der bewaldeten Landschaft des Kongo schlug der Papst den Bogen zur Kirche, denn man müsse ›die reine Luft des Evangeliums einatmen, die verschmutzte Luft der Weltlichkeit vertreiben und das junge Herz des Glaubens bewahren. So stelle ich mir die afrikanische Kirche vor, und so sehe ich diese Kirche im Kongo: eine junge, dynamische, freudige Kirche, beseelt von missionarischer Sehnsucht, von der Verkündigung, dass Gott uns liebt und dass Jesus der Herr ist.‹ Die Kirche in der DR Kongo sei ›eine Lunge, die der Weltkirche Atem verleiht‹, auch wenn sie ›von Schmerz und Müdigkeit zerfurcht‹ sei, ›zuweilen von Angst und Entmutigung gezeichnet‹.« Diese Charakterisierung der kongolesischen Kirche trifft auf viele junge Kirchen anderer afrikanischer Länder zu. Der Autor Heinrich Gockel hat 21 Jahre im Afrika-Projekt mitgearbeitet und unterstützt jetzt die Franziskaner Mission Dortmund durch Kontaktpflege zu den Franziskanern in Ostafrika. Der langjährige Franziskanermissionar Heinrich Gockel besuchte 2014 seine Wirkungsstätten in Ostafrika. Segen aus dem Kongo Der Herr segne uns. Er erfülle unsere Füße mit Tanz und unsere Arme mit Kraft. Er erfülle unser Herz mit Zärtlichkeit und unsere Augen mit Lachen. Er erfülle unsere Ohren mit Musik. Er erfülle unseren Mund mit Jubel und unser Herz mit Freude. Er schenke uns immer neu die Gnade der Wüste: Stille, frisches Wasser und neue Hoffnung. Er gebe uns allen immer neu die Kraft, der Hoffnung ein Gesicht zu geben. Es segne uns der Herr. 17

Mittelseite Franziskanermissionar Miro Babic´ć feiert mit seiner lebendigen Gemeinde in einer neuen Kirche (siehe auch Titelseite) Einweihungsgottesdienst.

Früher Kirchenbau In der Kolonialzeit wurden die meisten Kirchen klein gebaut. Sie waren für kleine Gruppen von Kirchenbesuchern bestimmt. Architekten und ihre Baustile waren nur abendländisch geprägt. Figuren der Heiligen sowie der Seligen und alles, was zum Ornament der Kirche und zur Verehrung gehört, waren ebenso vom Abendland inspiriert. Im Erzbistum Bukavu ist die dominierende Religion seit der Kolonisierung das Christentum, also die römischkatholische Kirche. Mit dem System der Missionsstationen bildete die katholische Kirche durch ihre Pfarrkirchen und Kapellen im ganzen Bistum eine gute Infrastruktur aus, die bis heute erhalten ist. Herausforderungen Meines Wissens ist die Demokratische Republik Kongo der viertbevölkerungsreichste Staat Afrikas. Die Bevölkerungsdichte ist mit etwas mehr als 43 Einwohnern pro Quadratkilometer eher gering. Das Bevölkerungswachstum zählt mit über drei Prozent zum höchsten der Welt; jede Frau bringt durchschnittlich fünf Kinder zur Welt. Eine Volkszählung fand zuletzt 1984 statt. Damals lag die Bevölkerungszahl noch bei etwa 30 Millionen; seitdem hat sie sich auf mehr als 90 Millionen verdreifacht. Was für das ganze Land bezüglich des schnellen Wachstums der Bevölkerung gilt, trifft auch auf das Bistum Bukavu zu. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wuchs die Anzahl der Gläubigen mehr und mehr. Infolgedessen wurden die alten kleinen Kirchen für die Gläubigen ungeeignet. Man brauchte nun große Kirchen, wo sich viele Gläubige versammeln können und bequem am Gottesdienst teilnehmen dürfen. Zugleich hat das Christentum in Bukavu seine eigene Identität in der universalen Kirche gebildet. Christen sind sich der Verehrung und der Fürbitten für die Afrikaner sowie für kongolesische Heilige und Selige bewusst. Selige und In den letzten zehn Jahren entwickelte sich im Erzbistum Bukavu in der DR Kongo eine neue Idee bezüglich sakraler Architektur. Zum Großteil ist die Architektur dieser neuen Kirchen auf einer Seite von der wachsenden Bevölkerung und auf anderer Seite von der afrikanischen beziehungsweise kongolesischen Spiritualität beeinflusst. Afrikanische Kathedralen Kirchneubauten im Erzbistum Bukavu, DR Kongo TEXT UND FOTOS: Marie Pascal Rushura ofm Heilige aus Afrika und der DR Kongo nehmen an Bedeutung zu. So befinden sich an einigen Orten Kapellen oder Grotten zu Ehren eines einheimischen Heiligen oder Seligen. Hinzu kommen Ideen jüngerer Architekten und Liturgiewissenschaftler. Sie überlegen, was sie tun sollen, damit sie mit den aktuellen Herausforderungen gut umgehen können und nachhaltige Lösungen für das Problem der Menge der Messeteilnehmer finden. Sie entwickeln unter diesen Bedingungen Sonderbauformen von Kirchen. Ausgewählte neue Kirchen werden im Folgenden vorgestellt. Neue Zeiten In den letzten Jahren, besonders im Zeitraum zwischen 2012 und 2022, wurde eine Reihe von Sonderbauformen Pfarrkirche, Selige Anuarite Nengapeta in Mubumbano, geweiht am 9. Dezember 2021. Mögliche Sitzplätze: 2.145. 20 | 21

realisiert. Diese unterscheiden sich vor allem architektonisch von der gängigen Bauweise. Sie sind eigentlich eine Mischform. Mögliche Grundrisse dieser neuen Kirchen sind halb oval (wie die Pfarrkirche Unsere Liebe Frau von Kongo in Nyantende), kreuzförmig (wie die Pfarrkirche Herz Jesu in Kalole) und quadratisch (wie die Pfarrkirchen Selige Anuarite in Mubumbano und Heiliger Karl Lwanga in Ciriri). Bei diesen neuen Kirchen wurden Bestandteile des eigentlichen Kirchenraumes respektiert. Sie bestehen aus dem Altarraum oder dem sogenannten Heiligtum, dem Tabernakel, dem Taufbecken oder dem Baptisterium, dem Ambo, den Sedilien, den Kirchenbänken. Die Kirchenbänke sind so angeordnet, dass sich die ganze Gemeinde in dieselbe Richtung wendet, »unterwegs zum Herrn hin dem wiederkehrenden Christus entgegen«. Für alle diese angegebenen Kirchen ist der Kirchenraum als ein Weg nach vorn, zum Altar hin ausgerichtet. Gottesdienstgestaltung In der DR Kongo und insbesondere im Erzbistum Bukavu ist der Moment des Gottesdienstes ein Kairos, ein »Nichtverpassen-Moment«. Er wird hoch gefeiert. Außer in der Adventszeit und Fastenzeit sind die Lieder mit Tanz verbunden. Der höchste Moment zum Lob des Herrn sind das Glorialied und das Danksagungslied. Alle Messeteilnehmer ergreifen diese Gelegenheit, um mit Tänzen Gott zu loben und zu preisen. Ein besonderer Moment ist auch die Gabendarbringung. An den Sonntagen werden Gaben aus Natur und Landwirtschaft (Bohnen, Kartoffeln, Bananen, Tomaten) tanzend zum Altar gebracht. Die Gemeinde, die diese Gaben bringt, spricht ein paar Worte aus und bittet den Priester, ihre Gaben dem Herrn darzubringen. An nationalen und christlichen Feiertagen gibt es eine Gruppe von Kindern, die ausgebildet sind, um den Tanz im Gottesdienst zu gestalten. Das bringt eine feierliche Atmosphäre in die Heilige Messe. Bei der Gottesdienstgestaltung ist es auch bemerkenswert, dass den Mitfeiernden bewusst ist, dass Gott nicht ein fremder Gott ist. Er ist seinem Volk nahe. Wohl versteht Er Menschen und man kann Ihm mit Worten und Gesten begegnen. Die Erfahrung des neuen Kirchenbaus im Erzbistum Bukavu in den letzten zehn Jahren hat gezeigt, dass die hohe Anzahl an Gläubigen ein wesentlicher Faktor für die Gestaltung der Kirchen war. Gleichzeit haben individuelle Elemente der hier gelebten religiösen Überzeugung eine Rolle gespielt. Zusammengefasst kann man sagen, dass die sakrale Architektur in dem gewählten Zeitraum und an bestimmten Orten eine Sonderarchitektur hervorgebracht hat, die auf die heutige Wirklichkeit der Kirche und den spirituellen Bedarf der Gläubigen und der Heimatkirche beziehungsweise Lokalkirche Antwort gibt. Der Autor Marie Pascal Rushura gehört zur Franziskanerprovinz in der DR Kongo und arbeitet als Gemeindepfarrer in Bukavu, Nordostkongo. Pfarrkirche, Herz Jesu Kirche in Kalole, Erzbistum Bukavu, geweiht am 5. September 2022. Mögliche Sitzplätze: 1.545. Pfarrkirche, Unsere Liebe Frau von Kongo – Nyantende, Erzbistum Bukavu, geweiht am 25. Juli 2022. Mögliche Sitzplätze: 2.016.

Als Franziskus ein reicher junger Mann war, war er ständig von der Jugend umkreist, und die Feste waren zahlreich. Franziskus war der »König der Jugend von Assisi« und dies zur Freude seines Vaters. Aber Franziskus wollte mehr: Er zog mit den Soldaten und Rittern von Assisi gegen die Nachbarstadt Perugia in den Krieg und wollte siegreich und mit Lorbeeren zurückkommen. Doch es kam anders: Er geriet in Gefangenschaft und war längere Zeit krank. Er hatte Zeit und war gezwungen, über sich selbst und den Sinn des Lebens nachzudenken. Neuer Blick auf die Welt Als er wieder zu Hause war, machte er sich weiter auf die Suche. Er mied die Schar der Jugendlichen und die Feste. Er suchte die Stille und Einsamkeit in der Natur und in verfallenen Kapellen. Als Orientierung fing er an, die Bibel zu lesen. Als er vor einem Kreuz kniete und meditierte, hörte er die Stimme Christi: »Franziskus, stelle meine Kirche wieder her!« Ohne Umschweife fing er an, diese und andere Kapellen zu restaurieren. Dafür investierte er Zeit und Geld. Und er fing an, die Welt mit anderen Augen zu sehen, und er bekam eine andere »Weltanschauung«. Jetzt erst nahm er wahr, dass es viele Arme und Kranke gab, um die sich niemand kümmerte. Als er aber anfing, Geld auch aus dem elterlichen Geschäft dafür zu verwenden, kam es zum Konflikt mit seinem Vater, der ihn vor den Bischof und Richter zerrte. Dort zog sich Franziskus vor allen Leuten aus und überreichte seine Kleider seinem Vater mit den Worten: »Von jetzt an habe ich nur noch einen einzigen Vater: Vater unser im Himmel!« Die Bibel und die Natur waren für Franziskus die Quellen seiner neuen spirituellen Erkenntnisse. Und viele Leute, die ihn beobachteten und teils als verrückt einstuften, fühlten sich durch seine Kirchbauten, Predigten und sein Lebensbeispiel angezogen – und es kam Eigentlich wurde das Kind vor gut 800 Jahren in Assisi nahe Rom auf den Namen Johannes getauft. Doch sein Vater, ein reicher Tuchhändler, war oft in Frankreich und gab seinem Söhnchen den Kosenamen Franziskus, der »kleine Franzose«. Und dieser Name ist ihm bis heute geblieben. Lasst die Kirche im Dorf Kirchenneubau in Bolivien TEXT: Reinhold Brumberger ofm | FOTOS: Reinhold Brumberger ofm und FM-Archiv

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