2023 Junge Generation Mut zur Zukunft
FRANZISKANER MISSION erscheint viermal im Jahr und kann als kostenfreies Abo bestellt werden unter Telefon 089-211 26 110 oder muenchen@franziskanermission.de. »Franziskaner Mission« erscheint im Auftrag der Deutschen Franziskanerprovinz von der heiligen Elisabeth – Germania. HERAUSGEBER Franziskaner Mission REDAKTIONSLEITUNG Augustinus Diekmann ofm REDAKTION Dr. Cornelius Bohl ofm, Stefan Federbusch ofm, Natanael Ganter ofm, Joaquin Garay ofm, Heinrich Gockel ofm, Márcia S. Sant'Ana, Eurico Alves da Silva ofm, Fábio de Sousa Barbosa ofm, René Walke ofm, Pia Wohlgemuth GESTALTUNG sec GmbH, Osnabrück‚ DRUCK Bonifatius GmbH, Paderborn Impressum FRANZISKANER MISSION St.-Anna-Straße 19, 80538 München Telefon: 089-211 26 110 Fax: 089-211 26 109 muenchen@franziskanermission.de www.mission.franziskaner.de Spenden erbitten wir, unter Angabe des Verwendungszwecks, auf folgendes Konto: LIGA BANK IBAN DE48 7509 0300 0002 2122 18 BIC GENODEF1M05 Ihre Spendengelder fließen in unsere Hilfsprojekte und nicht in die Produktionskosten dieser Zeitschrift. 2
Liebe Leserin, lieber Leser! TITEL Das Titelbild stammt aus einem franziskanischen Jugendzentrum mit Namen »Frei Galvão«, in der Pfarrei Itaporã im brasilianischen Bundesstaat Mato Grosso do Sul. Hier treffen sich regelmäßig junge Menschen vom »Movimento Paz e Bem«, einer franziskanischen Jugendbewegung. Die jungen Menschen reflektieren gemeinsam über die Schöpfung Gottes und wie sie geschützt werden kann, über Geschwisterlichkeit und Wege zu einer gerechteren Welt. Natürlich gibt es auch eine lebendige Freizeitgestaltung, um den Zusammenhalt in den Gruppen zu fördern. Glaubensleben soll auch Freude machen! Über die konkreten Aktionen der »Letzten Generation« kann man durchaus unterschiedlicher Meinung sein. Ich sehe da auch manches kritisch. Der Zweck heiligt nicht alle Mittel. Das Anliegen der Klimaaktivisten aber ist mehr als berechtigt und drängend, wenn das gemeinsame Haus der Schöpfung auch weiterhin bewohnbar bleiben soll. Nachdenklich aber macht mich noch etwas Anderes: Da haben junge Leute den Eindruck, die letzte Generation zu sein. Mit ihnen könnte alles zu Ende gehen! Sonst hat sich Jugend doch meistens als die erste Generation verstanden, mit der alles anders und besser wird und etwas Neues beginnt. In der Sicht der Älteren besteht leicht die Gefahr, »die Jugend« zu verklären oder zu verteufeln. Beides ist unangemessen. Unbeschwert ist die Jugend meistens erst im Rückblick. Aktuelle Statistiken belegen, wie sehr etwa die Sorge um die wirtschaftliche und politische Stabilität und die Umwelt oder auch die Angst vor Terror und Krieg junge Menschen belasten. Und dass früher alles besser war, stimmt schlichtweg nicht. Natür- lich stehen wir alle auf den Schultern der Generationen vor uns. Aber unsere Zukunft hängt mindestens ebenso sehr ab von den jungen Menschen, die nach uns kommen und diese Zukunft in ein paar Jahren gestalten werden. Leben geht immer vorwärts. Dabei nimmt die Schnelligkeit der Veränderungen rasant zu. Zu den Herausforderungen von morgen passen in den seltensten Fällen die Lösungen von gestern. Es sind die Berufung und das Charisma junger Leute, vorauszudenken und neue Welten zu entwerfen, bewusst kritisch zur Gegenwart und oft quer zu dem, was bisher galt. Sie können das noch! Darin steckt Mut zur Zukunft. Und diesen Mut braucht gerade eine überalterte Gesellschaft und eine überalterte Kirche. Werden Menschen hier bei uns morgen noch Christus kennen? Junge Leute haben in der kleiner werdenden Schar der Gottesdienstbesucher heute Seltenheitswert. Viele junge Muslime leben ihren Glauben überzeugter und selbstverständlicher als ihre noch christlich getauften Altersgenossen. Die Institution Kirche spielt für immer mehr Jugendliche und junge Menschen keine Rolle mehr. Unreligiös und ungläubig aber sind sie deswegen noch lange nicht. Der Einsatz für das Überleben unseres Planeten und für eine gerechtere Welt ist durchaus auch eine spirituelle Suche. Da gibt es viele Anknüpfungspunkte zum Evangelium. Nicht umsonst ist Starkmut eine Gabe des Heiligen Geistes und Hoffnung eine göttliche Tugend. »Ich werde meinen Geist ausgießen über alles Fleisch«, sagt Gott beim Propheten Joel (3,1), »dann werden eure Alten Träume haben und eure Jungen haben Visionen.« Es wäre schön, wenn diese neue Ausgabe unserer Zeitschrift »Franziskaner Mission« Ihnen Mut zur Zukunft machen und zum Dialog zwischen den Generationen inspirieren würde. Herzliche Grüße P. Cornelius Bohl ofm Sekretär für Mission und Evangelisierung 3
Inhalt 6 Macht Euch auf den Weg! Botschaft von Papst Franziskus zum 37. Weltjugendtag Stefan Federbusch ofm 8 Jung und kirchlich-religiös Ein Widerspruch? Jakoba Zöll OSF 10 Ein Wille, ein Weg Wie ich Franziskaner wurde Fábio de Sousa Barbosa ofm 12 Eine Chance für alle Jugendliche auf dem kenianischen Arbeitsmarkt Miro Babić ofm 14 Altersvorsorge Familie Generationenvertrag in Rushooka, Uganda Flora Okuda fdc 16 Bäume fürs Leben Umweltengagement in Kenia Washington Ndirangu 18 Mittelseite 20 Neue Erfahrungen FEE – ein franziskanischer Freiwilligendienst für junge Menschen René Walke ofm 22 Gott und die Liebe Was Jugendlichen in Brasilien wichtig ist Maria Eduarda Pereira Sodré und Ronald Weslley 24 Idole und Gottvertrauen Bolivianische Jugendliche und ihre Vorstellung von der Zukunft Reinhold Brumberger ofm 26 Lernen heißt Hoffnung Zukunftsträume einer jungen Frau in Vietnam Thi Dien Nguyen 28 Musik und Engagement Jugendliche in Ascensión de Guarayos, Bolivien Pascual Jedrzejas ofm 30 Soziale Netzwerke Fluch oder Segen? Schwester Catarina Oliviera Fernandes OSF 32 »Das Leben ist schön« Abschied von Pater Adolf Temme, Brasilien Ulrike Schwerdtfeger 34 Kurznachrichten 35 Projekt 12 6 8 20
GIOAN THIÊN CHÚA PHUOC OFM Pater Gioan Thiên Chúa Phuoc (Johannes von Gott) wurde zum neuen Provinzial der Franziskaner in Vietnam gewählt. Das Provinzkapitel zur Wahl des neuen Ordensoberen fand im Februar dieses Jahres in Ho-Chi-Minh-Stadt statt. Die neue Provinzleitung bekräftigt ihr Engagement zugunsten der Ordensausbildung künftiger Franziskaner für die Missionsgebiete in Vietnam, Laos und Kambodscha. Außerdem wird der neue Provinzial den Schutz der ethnischen Minderheiten in diesen Ländern fortführen. Da die Finanzierung all unserer Hilfsprojekte vor Ort vom jeweiligen Provinzial koordiniert wird, ist Pater Gioan künftig ein wichtiger Ansprechpartner für die Franziskaner Mission in Dortmund. Personalia PASCUAL JEDRZEJAS OFM Der Franziskaner Pascual Jedrzejas kam 2012 als Missionar nach Bolivien. Der gebürtige Pole arbeitete mehr als zehn Jahre in Concepción, im Vicariat Ñuflo de Chávez und in Beni. Im Januar dieses Jahres wurde er zum Pfarrer in Ascensión de Guarayos ernannt. Dort sind die Franziskaner bereits seit 1823 präsent, feiern also dieses Jahr den 200sten Jahrestag ihrer Pfarrseelsorge in Guarayos. Anfang Mai wurde dies in einem großen Festakt gefeiert – und zwar bereits ab dem frühen Morgen mit der Begrüßung des Sonnenaufgangs. Unter Leitung der Franziskanerbischöfe Antonio Bonifacio Reimann, Aurelio Pesoa Ribera und Julio Maria Elias fand danach ein Festgottesdienst mit vielen Teilnehmern statt. KLAUS FINKAM OFM UND HERIBERT REMBECKI OFM Zwei Brasilienmissionare sind seit Anfang April auf Heimaturlaub in Deutschland: Heribert Rembecki ofm ist Pfarrvikar in der Pfarrgemeinde Heiliger Raimundo Nonato in Teresina, Piauí. Klaus Finkam ist Arzt und Guardian in der Franziskanergemeinschaft derselben Stadt. Im Gepäck haben sie viele Informationen über die sozialen Entwicklungen in Brasilien seit dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Luís Inácio Lula da Silva und über den Erfolg der finanziellen Unterstützung aus Deutschland, die Hilfe zur Selbsthilfe in den von den Franziskanern initiierten Projekten ermöglicht. Neben ihrem Urlaub stehen die beiden Missionare bis Ende Juni auch für Gespräche sowie Besuche bei unseren Partnergruppen in der Franziskaner Mission in Dortmund zur Verfügung. 24 22 26 28
zugewandt. Sie ist die österliche Frau, die sich in einem stetigen Zustand des »Exodus« befindet, des Herausgehens aus sich selbst zu dem großen Anderen, der Gott ist, und zu den anderen, ihren Brüdern und Schwestern, vor allem zu denen, die ihrer bedürfen, so wie ihre Cousine Elisabet. ... und machte sich eilig auf den Weg Die Eile Marias ist die des zuvorkommenden Dienens, der freudigen Verkündigung und der Bereitschaft, auf die Gnade des Heiligen Geistes sofort zu antworten. Maria ließ sich von der Not ihrer älteren Cousine herausfordern. Sie wich nicht zurück, sie blieb nicht gleichgültig. Sie dachte mehr an die anderen als an sich selbst. Dies verlieh ihrem Leben Dynamik und Begeisterung. Jede und jeder von euch kann sich fragen: Wie reagiere ich auf die Bedürfnisse, die ich um mich herum wahrnehme? Überlege ich mir sofort einen »guten Grund«, um mich zurückzuziehen, oder interessiere ich mich dafür und stelle mich zur Verfügung? Natürlich könnt ihr nicht alle Probleme dieser Welt lösen. Aber vielleicht könnt ihr mit den Problemen derer beginnen, die euch am nächsten stehen, mit den Herausforderungen in eurem eigenen Umfeld. Zu Mutter Teresa sagte jemand einmal: »Was Sie tun, ist nur ein Tropfen im Ozean«. Und sie antwortete: »Aber wenn ich es nicht täte, hätte der Ozean einen Tropfen weniger«. Liebe junge Freunde, […] in diesen so schwierigen Zeiten, in denen die Menschheit, die bereits durch das Trauma der Pandemie geplagt ist, auch vom Drama des Krieges gepeinigt wird, eröffnet Maria allen und besonders euch, die ihr jung seid wie sie, den Weg der Nähe und der Begegnung. […] Maria hätte sich nach der Verkündigung des Engels auf sich selbst konzentrieren können, auf die Sorgen und Ängste, die ihre neue Situation mit sich brachte. Sie jedoch vertraut ganz auf Gott und denkt vor allem an Elisabet. […] Sie steht auf und setzt sich in Be- wegung, denn sie ist sich sicher, dass Gottes Pläne das Beste für ihr Leben sind. Maria wird zum Tempel Gottes, zum Bild der Kirche, die unterwegs ist, der Kirche, die hinausgeht und dient, der Kirche, die die Frohe Botschaft bringt! Die Gegenwart des auferstandenen Christus im eigenen Leben zu erfahren, ihm, dem Lebendigen zu begegnen, ist die größte geistliche Freude, eine Explosion des Lichts, die niemanden »unbewegt« bleiben lässt. Sie setzt einen sofort in Bewegung und treibt dazu an, anderen diese Nachricht weiterzugeben und die Freude dieser Begegnung zu bezeugen. […] Die Mutter des Herrn ist ein Vorbild für dynamische junge Menschen, die nicht regungslos vor dem Spiegel ihr eigenes Bild betrachten oder in den sozialen Netzwerken »gefangen« sind. Sie ist ihrem äußeren Umfeld ganz Für wen bin ich da? Angesichts einer konkreten und dringenden Not muss man schnell handeln. Wie viele Menschen auf der Welt warten auf den Besuch von jemandem, der sich um sie kümmert! Wie viele alte Menschen, Kranke, Gefangene und Flüchtlinge brauchen unseren mitfühlenden Blick, unseren Besuch, einen Bruder oder eine Schwester, die die Schranken der Gleichgültigkeit durchbrechen! Welche »Eile« treibt euch an, liebe jungen Freunde? Was versetzt euch in Bewegung und was hält euch vom Stillstand ab? […] Und so lautet die zentrale Frage unserer Existenz: Für wen bin ich da? Maria ist das Beispiel eines jungen Menschen, der keine Zeit damit vergeudet, die Aufmerksamkeit oder die Zustimmung anderer zu suchen – wie es geschieht, wenn wir uns von den »Likes« in den Social Media abhängig machen –, sondern sich auf die Suche nach jener echten Verbindung begibt, die aus Begegnung, Austausch, Liebe und Dienst entsteht. Als Maria schließlich im Haus von Zacharias und Elisabet eintrifft, kommt es zu einer wunderbaren Begegnung! Elisabet hat ein wunderbares Eingreifen Gottes erlebt, der ihr in ihrem hohen Alter einen Sohn geschenkt hat. Sie hätte allen Grund, zuerst von sich selbst zu sprechen, aber sie ist nicht von sich selbst eingenommen, sondern nimmt ihre junge Cousine und die Frucht ihres Leibes mit offenen Armen auf. Sobald sie ihren Gruß hört, wird Elisabet vom Heiligen Geist erfüllt. Diese Überraschungen und Einbrüche des Geistes geschehen, wenn wir wahre Gastfreundschaft gewähren, wenn wir den Gast und nicht uns selbst in den Mittelpunkt stellen. […] Vielen von uns ist es so ergangen, dass Jesus uns unerwartet begegnete: Zum ersten Mal erlebten wir in ihm eine Nähe, einen Respekt, ein absolutes Fehlen von Vorurteilen und Verurteilungen und einen Blick der Barmherzigkeit, wie wir ihn nie zuvor bei anderen gesehen hatten. Und nicht nur das: wir spürten auch, dass es Jesus nicht genügte, uns aus der Ferne zu BEARBEITUNG: Stefan Federbusch ofm | GRAFIK: sec | FOTO: Cristian Gennari/Romano Siciliani/KNA Macht Euch auf den Weg! Botschaft von Papst Franziskus zum 37. Weltjugendtag 6
Gott und den Mitmenschen gegenüber gastfreundlich zu sein. Es wird euch guttun, auf die Erfahrungen derer zu hören, die euch vorausgegangen sind. Liebe Jugendliche und junge Erwachsene, es ist an der Zeit, dass es bald wieder zu konkreten Begegnungen kommt, zu einer wirklichen Aufnahme derer, die anders sind als wir, wie es bei der jungen Maria und der älteren Elisabet geschah. Nur so können wir Distanzen überwinden – zwischen Generationen, zwischen sozialen Schichsehen, sondern dass er bei uns sein und sein Leben mit uns teilen wollte. Die Freude über diese Erfahrung brachte uns dazu, ihn eilends aufzunehmen, bei ihm sein zu wollen und ihn immer besser kennenzulernen. Elisabet und Zacharias haben Maria und Jesus aufgenommen! Lasst uns von diesen beiden älteren Menschen lernen, was Gastfreundschaft bedeutet! Fragt eure Eltern und Großeltern und auch die älteren Mitglieder eurer Gemeinschaften und Gemeinden, was es für sie bedeutet, ten, zwischen Ethnien, zwischen Gruppen und Klassen aller Art – und sogar Kriege. Junge Menschen sind immer die Hoffnung auf eine neue Einheit für die zersplitterte und geteilte Menschheit. Jesus ist zu allen Zeiten die Antwort Gottes auf die Herausforderungen der Menschheit. […] Meine Botschaft an euch junge Freunde, die große Botschaft, deren Trägerin die Kirche ist, ist Jesus! Ja, er selbst, seine unendliche Liebe zu jedem einzelnen von uns, sein Heil und das neue Leben, das er uns geschenkt hat. Und Maria ist das Vorbild dafür, wie wir dieses unermessliche Geschenk in unser Leben aufnehmen und es anderen mitteilen können, so dass wir unsererseits zu Trägerinnen und Trägern Christi werden, seiner barmherzigen Liebe, seines großherzigen Dienstes an der leidenden Menschheit. Möge der Heilige Geist in euren Herzen den Wunsch wecken, aufzustehen, und möge er in euch die Freude entfachen, gemeinsam – synodal – unterwegs zu sein und falsche Grenzen zu überwinden. Die Zeit zum Aufstehen ist jetzt! Lasst uns schnell aufstehen! Und lasst uns, wie Maria, Jesus in uns tragen, um ihn allen mitzuteilen! Geht in dieser wunderschönen Zeit eures Lebens weiter voran und weist nicht ab, was der Heilige Geist in euch vollbringen kann! Von Herzen segne ich eure Träume und eure Schritte. Die Flagge von Portugal vor dem Altar während der Abschlussmesse des Weltjugendtags am 27. Januar 2019 auf dem Campo San Juan Pablo II in Panama City Rom, Sankt Johannes im Lateran, am 15. August 2022, dem Hochfest Mariä Aufnahme in den Himmel. FRANZISKUS Der Text wurde von Stefan Federbusch ofm stark gekürzt. Quelle und vollständiger Text: https://www.vatican.va/content/ francesco/de/messages/youth/ documents/papa-francesco_20220815_ messaggio-giovani_2022.html 7
TEXT: Jakoba Zöll OSF | FOTO: © Besim Mazhiqi / Erzbistum Paderborn In der Straßenbahn, im beruflichen Kontext, in der Zoom-Konferenz oder nach dem Gottesdienst – in der Regel kann ich darauf wetten, dass in den ersten zehn Minuten der Ausruf fällt: »Sie sind aber jung!« Unmittelbar gefolgt von der Frage danach, wie jung ich denn genau sei und, noch viel wichtiger: Wie kann ich heute, als junger Mensch, überhaupt noch katholisch sein? Jung und kirchlich-religiös Ein Widerspruch? Mit dieser Frage werde nicht nur ich als junge Ordensfrau regelmäßig konfrontiert, sondern die allermeisten jungen Menschen in kirchlichen Kontexten. Ich arbeite mit und für Theologiestudierende und erlebe in meinen Seminaren diesen empfundenen Widerspruch, mit dem meine Studierenden kon- frontiert sind. Für unsere Gesellschaft scheint »jung« und »kirchlich-religiös« nicht zusammen zu passen. Kritisches Lebensalter Kirche wird als veraltet wahrgenommen, als Konstrukt aus dem letzten Jahrhundert: Sie hat ihre Rolle, wenn ihr überhaupt eine zugestanden wird, in der Geschichte gespielt. Heute aber wird sie nicht mehr gebraucht. Entweder weil sie sich selbst ins Abseits gerückt hat, oder weil die heutige Zeit keine Religion mehr braucht. Im Gegensatz zu solch veralteten Konzepten, Werten, Vorstellungen und Deutungsangeboten steht die heutige Jugend. Jugend wird von der Gesellschaft verstanden als ein Lebensalter, in welchem das Traditionsargument nicht funktioniert, in welchem Bestehendes nicht ohne zu hinterfragen übernommen und fortgeführt wird, sondern erst neu überzeugen muss. Vorhandenes muss sich sowohl argumentativ als auch ganz praktisch als lebensförderlich, als nützlich erweisen. Jugend wird als ein Lebensalter verstanden, welches vielleicht auch in der eigenen Rückschau als besonders kritisch in Erinnerung geblieben ist. Hier kamen Kritik und Ablehnung schneller über die Lippen als Vertrauensvorschüsse und Zustimmung. Die Gesellschaft fragt sich: Wenn doch die eigenen jugendlichen Auseinandersetzungen mit Religion und Kirche noch so lebendig in Erinnerung geblieben sind und immer öfter ohne klare Lösung bleiben, wie könnten dann junge Menschen heute mit diesen Kritikpunkten umgehen? Oder aber, sie seien »nicht ganz dicht« – so die Meinung vieler. Es wird geargwöhnt, sie seien vielleicht in einem sehr religiösen Umfeld groß geworden und hatten noch nicht die Chance, sich davon zu lösen, weil ihnen die Reflexionsfähigkeit, die Intelligenz oder die persönliche Reife fehlt. Andererseits wird durch das Betonen dieser unerwarteten Kombination – jung und religiös – auch Freude ausgedrückt: Darüber, dass zumindest einzelne junge Menschen die Bedeutung und den Gewinn von kirchlich-religiösem Leben für sich und für die Gesellschaft erkannt haben. Dass das, was einem selbst im eigenen Leben Kraft und Halt gibt und schon lange begleitet, auch für Menschen aus der jüngeren Generation wertvoll zu sein scheint. Dieser Umstand wird begrüßt, allerdings, und darin sind sich die im Grundton positiven und negativen Reaktionen sehr ähnlich, wird er als besonders, als ungewöhnlich, fast schon singulär wahrgenommen. Infolgedessen werden die jungen religiösen Menschen zwar beglückwünscht und unterstützt, aber gleichzeitig mit einer nicht geringen Erwartungshaltung konfrontiert: Dieser junge Mensch, diese paar jungen Menschen scheinen es ja zu schaffen, mit Kirche und Religion heute klar zu kommen. Sie können also das Zepter in die Hand nehmen und die Kirchen in eine rosigere Zukunft steuern. Sie können Auskunft geben über das Geheimrezept, wie der Rest der Generation ebenfalls angesprochen werden kann. Und sie sind irgendwie auch selbst dafür verantwortlich, ob sie die eigenen Überzeugungen attraktiv vermitteln können. Identität suchen und finden Es ist ein großes Spannungsfeld, in dem junge Men- schen, die heute bewusst kirchlich-religiös unterwegs sind, leben. Meine Studierenden fühlen sich im Großteil (noch) zugehörig zur katholischen Kirche, erleben und beschreiben Kirche und Glaube als ihnen wichtige Gemeinschaft und als identitätsstiftend. Sie wollen mehr über ihren Glauben wissen, wollen in ein Berufsfeld einsteigen, in welchem ihr 8
Glaube eine zentrale Rolle spielt, und beginnen aus dieser Motivation heraus das Theologiestudium. Gleichzeitig distanzieren sie sich immer offener und direkter von vielen Teilen der Institution Kirche, von Konzepten und Deutungsmustern, die sie selbst als nicht mehr tragfähig, skandalös und menschenverachtend erleben. Unter anderem im Studium suchen sie nach tragfähigen Konzepten, die beides miteinander zu verbinden erlauben. Dabei trägt die oben geschilderte Erfahrung zur eigenen Verunsicherung bei. Zwischen den eigenen und fremden Vorwürfen, von gestern zu sein und eine korrumpierte Institution als Mitlaufende zu unterstützen, und den Erwartungen, besagte Institution vollkommen neu zu erfinden und zu verjüngen, spannt sich die kirchlich-religiöse Identität vieler junger Menschen auf. Für mich ist es in der Arbeit mit ihnen und für sie eine Leitvorstellung, mich selbst gemeinsam mit ihnen diesem Spannungsfeld auszusetzen. Zuzugeben, dass ich die Lösung auch nicht kenne, genauso leide unter diesen unvereinbar und unvertretbar scheinenden Polen. Aber mich gemeinsam mit ihnen auf die Suche zu begeben nach Möglichkeiten und Konzepten, wie der Widerspruch zur auszuhaltenden Die Autorin Jakoba Zöll (26 Jahre) ist Olper Franziskanerin. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte an der KatholischTheologischen Fakultät der Universität Bonn und schreibt dort ihre Promotion. Ambiguität (Mehrdeutigkeit) werden könnte. Damit wir es aus beiden, den Studierenden häufig entgegenkommenden Extremen hinausschaffen: Jungen Menschen, die mit uns in Kirche und Glauben unterwegs sein möchten und sind, etwas zuzutrauen, ohne sie unter Erwartungen und Hoffnung zu begraben. Kritisches Denken zu fördern, ohne jede Wurzel ungefragt zu kappen. Zuzugestehen, dass christlich-kirchliche Identitäten so unterschiedlich aussehen und gelebt werden können, eben auch ganz anders als unsere eigene. Dass das, was heute aushaltbare Ambiguität ist, morgen zum nicht mehr akzeptablen Widerspruch werden kann und umgekehrt. Ich versuche, mich von diesen existenziellen Auseinandersetzungen bereichern zu lassen und mir Mut zusprechen zu lassen für meinen eigenen Weg, der, wie der Ihre vermutlich auch, in ganz ähnlichen Spannungsfeldern verläuft. Schwester Jakoba Zöll OSF 9
Ich bin das jüngste von vier Kindern und habe in meiner Familie sehr zurückgezogen gelebt. Als ich mich dann in meiner Gemeinde, der Pfarrgemeinde Heiliger Franziskus in Bacabal, engagierte, lernte ich die Franziskaner kennen. Andere Jugendliche in meinem Alter sprachen mit 14 Jahren nicht von einem »Lebensprojekt«. Viele von ihnen lebten so in den Tag hinein. Ich aber habe etwas gesucht, was mich in der Zukunft erfüllen wird. Mir wurde klar, dass ich das leben wollte, was ich im Franziskanerorden erlebt habe. Ich glaube, dass jede Entscheidung im Leben – sei es den Bund der Ehe einzugehen oder, in meinem Fall, das gottgeweihte Leben oder die völlige Hingabe zugunsten des Nächsten und anderer Lebewesen – ein Fundament benötigt. Für mich ist dieses Fundament ein Leben in einer christlichen Gemeinschaft. In meiner Heimatgemeinde habe ich die Werte des christlichen Lebens – wie den Wert des Friedens, der Gerechtigkeit und der Bewahrung der Schöpfung – auf eine tiefere Weise erfahren. Diese Erfahrung in der franziskanischen Gemeinschaft motivierte mich, mein Leben zu weihen, und sie motiviert mich auch heute, ein Franziskaner zu sein, der die Liebe zu den verarmten Menschen pflegt. Daher sage ich: All unsere Entscheidungen TEXT UND FOTO: Fábio de Sousa Barbosa ofm Ein Wille, ein Weg Wie ich Franziskaner wurde im Leben geschehen durch den Willen Gottes. Und oft manifestiert Gott seinen Willen durch bestimmte Menschen. Und es waren die Menschen in meiner Gemein- schaft, die mir geholfen haben, den Willen Gottes in meinem Leben zu erkennen. Lebensbeispiele Die ersten Missionare kamen zu den verarmten Menschen in Nordostbrasilien 10
und haben sich für sie eingesetzt. Das taten sie auch während der Landkonflikte. Sie waren nicht voreingenommen oder ängstlich, sondern motiviert. Das sind Lebensbeispiele für mich. Wir Franziskaner leben meist nicht in einem großen Kloster, sondern in kleineren Häusern, die denen der Menschen am jeweiligen Ort nachempfunden sind. Sie können zu uns kommen. Viele brauchen nicht viel, sie suchen jemanden, der ihnen zuhört. Die Fürsorge meiner Eltern gegenüber anderen Menschen habe ich hautnah erlebt. Sie waren bodenständig, ehrlich und hatten immer ein Herz für bedürftige Menschen, die in irgendeiner Form Hilfe brauchten. Einen Blick für die anderen zu haben, die in Not sind – das habe ich quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Das haben mir meine Eltern vorgelebt. Ich will in der Gemeinschaft der Franziskaner leben und wie sie arbeiten: mit Hingabe für die Armen. Diese Art der Mission erfüllt mich. Echte Liebe muss weitergegeben werden, echte Liebe ist nicht egoistisch. Die Art und Weise, wie die Brüder in meiner Stadt lebten und auch wie sie evangelisierten und evangelisieren, bezauberte mich. Also begann ich, mich von den Franziskanern begleiten zu lassen. Schon bei den ersten Begegnungen mit ihnen war ich entschlossen: Ich wollte diesen Lebensstil, ich wollte die franziskanische Brüderlichkeit und das im franziskanischen Sinne »Mindersein« leben. So trat ich im Jahr 2016 in die erste Ausbildungsphase ein, die sogenannte Aspirantur. In dieser Phase absolvierte ich mein letztes Jahr an einem brasilianischen Gymnasium und in den darauffolgenden Jahren das Postulat und das Noviziat. Im Jahr 2019 legte ich meine ersten Gelübde ab und weihte mich ganz Gott, dem Franziskanerorden und der Kirche. Im gleichen Jahr ging ich nach Teresina im brasilianischen Bundesstaat Piauí und begann ein Philosophiestudium. Die Menschen in dieser Stadt und die Seelsorge vor Ort halfen mir, das zu bestätigen, was ich immer wollte und was ich bereits lebte: ganz und für immer im Franziskanerorden zu leben. So bat ich im dritten Jahr meines Philosophiestudiums um ein Jahr der Vorbereitung auf die Ewigen Gelübde. Dieses Jahr bereitet die werdenden Franziskaner auf den wichtigsten Moment im Leben einer geweihten Person vor, die »Endgültige Weihe«. In diesem Jahr bekamen meine Mitbrüder und ich eine umfassende franziskanische Ausbildung, um diese wichtige Entscheidung auf sinnvolle Weise zu vertiefen. Nach Abschluss dieses Vorbereitungsjahres bat ich um die Ablegung der Ewigen Gelübde und kam auch nach Deutschland. Ich wurde angenommen und legte meine Gelübde am Fest der Heiligen Drei Könige ab. Die Ewigen Gelübde sind im Leben eines jungen Ordensmannes der Höhepunkt. Es ist der Moment, in dem wir mit aller Überzeugung sagen, dass wir diesen Lebensstil für immer leben wollen – lieben, wie Jesus geliebt hat, und leben, wie Jesus gelebt hat. Nach meinen Gelübden bin ich Ende Januar dieses Jahres nach Deutschland gekommen. Hier fühle ich mich sehr wohl und erfüllt, und ich glaube, dass der Beginn meiner missionarischen Erfahrung auf deutschem Boden fruchtbar sein wird. Es ist ein weiterer Schritt, den ich in meiner Berufung mache, und das wird wichtig und einzigartig in meinem Leben. Nachfolge Ich bin der Meinung, dass jeder Mensch, wenn er die Mittel oder die Chance hat, sich weiterbilden soll, um Werkzeug Gottes im Leben anderer Menschen zu sein. So wie durch Schulausbildung, Studium oder Forschung in den verschiedensten Bereichen unser Dienst an den Menschen ihre Lebensqualität erheblich verbessern kann. Aus diesem Grund glaube ich, dass meine Aufgabe hier in Deutschland vor allem darin besteht, durch das Zusammenleben innerhalb der franziskanischen Gemeinschaft den Weg des Minderbruders hier zu leben und kennenzulernen. Die deutsche Sprache zu lernen, gehört zu diesem Weg dazu, damit ich in Zukunft nicht nur dazu beitragen kann, in den beiden Franziskanerprovinzen – der brasilianischen und der deutschen – zu helfen, sondern auch zum Dienst im Allgemeinen, wo immer ich auch sein sollte. Wenn es alles so verläuft, wie ich mir wünsche, möchte ich meinen Deutschkurs bis zum Jahresende fortführen. Ab dem kommenden Jahr studiere ich dann, nach Beendigung des Philosophie-Blocks, Theologie in Brasilien. Dann schließe ich das Gesamt-Studium ab und komme zurück nach Dortmund, um mich bei der Franziskaner Mission zu engagieren. Die ersten Franziskaner-Pioniere sind nach Brasilien gegangen; ich komme aus Brasilien nach Deutschland. Somit bin ich auch eine Art Pionier, der die Hingabe der Missionare als Priester von ganzem Herzen zurückgeben möchte. Deshalb sage ich jedem, der mich fragt, ob ich mit meiner Entscheidung zufrieden bin: Ja, ich bin mit meinem Lebensweg mehr als zufrieden. Und wenn ich noch einmal die Wahl hätte, würde ich mich für ein Leben als Minderbruder entscheiden, weil ich glaube, dass wir alle dazu berufen sind, uns einer Sache zu widmen. Gott will mich und hat mich zum Franziskanerorden geführt, und ohne Zweifel hilft mir Gott selbst in den Widrigkeiten des Lebens, an diesem Ziel festzuhalten und ihm in den Menschen zu dienen, die es brauchen. Aus diesem Grund bekräftige ich, dass wir als junge Menschen etwas suchen sollten, das uns Sinn gibt, so wie ich es gesucht und gefunden habe: nämlich Jesus in den Fußstapfen des heiligen Franziskus und der heiligen Klara zu folgen. Der Autor Fábio de Sousa Barbosa stammt aus Bacabal im brasilianischen Bundesstaat Maranhão, dem ärmsten des Landes. Mit 14 Jahren kam er das erste Mal mit den Franziskanern in Kontakt. Anfang dieses Jahres hat er sich in der Feierlichen Profess endgültig an den Orden gebunden. Derzeit macht der 24-Jährige ein Urlaubssemester und lebt ein Jahr im Franziskanerkloster Dortmund, danach wird er sein Studium in Brasilien fortsetzen. Übersetzung aus dem Portugiesischen: Márcia Santos Sant‘Ana Bruder Fábio de Sousa Barbosa ofm 11
Das ostafrikanische Land Kenia steht jedes Jahr vor enormen Herausforderungen, wenn eine Million junger Kenianerinnen und Kenianer auf den Arbeitsmarkt drängt. Arbeitssuche und Nutzung sozialer Medien beeinflussen Jugendliche auf unterschiedliche Weise. Die Suche nach einem guten Job hat für viele junge Menschen oberste Priorität. Doch ist die Suche nicht immer leicht, besonders nicht für jene ohne spezielle Ausbildung oder ohne Beziehungen. Chancen auf eine zuverlässige Beschäftigung sind oft bestimmt von Geschlecht, ethnischer Herkunft und Wohnort. So gibt es zum Beispiel in Städten bessere Aussichten auf einen passenden Arbeitsplatz als auf dem Land. Und in der Regel finden Männer leichter als Frauen einen Job, da durch kulturelle Einstellungen und Vorurteile männliche Bewerber bevorzugt werden. Auch spielt die ethnische Zugehörigkeit eine Rolle, da manche Volksgruppen von einigen Arbeitgebern vorgezogen werden. Bildung und Ausbildung Eine solide Grundausbildung ist für die gesunde Entwicklung junger Menschen entscheidend. Jedoch existieren frappierende Ungleichheiten der BildungsTEXT: Miro Babić ofm | FOTOS: Miro Babić ofm und picture alliance / AA / Gerald Anderson Eine Chance für alle Jugendliche auf dem kenianischen Arbeitsmarkt chancen: Kinder aus ärmeren Elternhäusern haben deutlich seltener Zugang zu qualitativ hochwertiger Bildung als Kinder aus bessergestellten Haushalten. Dies trifft häufiger in ländlichen Gegenden zu, da hier Schulen oft unzureichend finanziert und personell unterbesetzt sind. Und Mädchen wiederum sind benachteiligt, da viele vorzeitig die Schule verlassen wegen früher Heirat oder Schwangerschaft. Um dies zu ändern, muss die Regierung verstärkt in Bildung investieren und sicherstellen, dass alle Kinder – unabhängig von ihrer Herkunft – Zugang zu solider Ausbildung erhalten. Dies könnte erreicht werden durch Anhebung der Haushaltsmittel für alle Ausbildungswege und durch Bereitstellung von Studienbeihilfen für benachteiligte Schülerinnen und Schüler. Soziale Ungleichheit Nach Angaben der Weltbank lebt mehr als ein Drittel der Kenianer in extremer Armut. Betroffen sind vor allem junge Menschen. Armut wirkt sich besonders auf ihre Bildung und Gesundheit aus und bremst die Möglichkeiten, ihre Ta- lente zu entfalten und ihr Leben zu verbessern – besonders auf dem Land. Ein weiteres Problem ist die soziale Ungleichheit, die besonders Jugendliche mit gesundheitlichen BeeinträchtiDie »St. Francis Secondary School« setzt auf Chancengleichheit und ermöglicht jungen Menschen qualitativ gute Schulbildung in Subukia, Kenia.
Der Autor Miro Babić ofm stammt aus Kroatien und arbeitet seit 2006 in Lower Subukia, Kenia. Übersetzung aus dem Englischen: Heinrich Gockel ofm gungen als zusätzliche Hürde erleben. Der Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und anderen wichtigen Dienstleistungen ist für sie erschwert. Auch Diskriminierung und Gewalt gegen sie sind verbreitet und schränken ihre Möglichkeiten ein, vollständig am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Arbeitsmarkt Es gibt viele Jugendliche, die trotz Ausbildung und Qualifikation keine entsprechende Beschäftigung finden. Dies führt zu hoher Jugendarbeitslosigkeit, die zurzeit bei rund 22 Prozent liegt. Aber trotz fehlender Arbeitsmöglichkeiten ist in letzter Zeit das Unternehmertum unter jungen Menschen deutlich angewachsen: Viele gründen ihr eigenes Geschäft, besonders auf digitalem Gebiet. Dabei spielt der Wunsch, unabhängig zu sein und eigenen Interessen nachzugehen, eine wichtige Rolle. Bekannte Plattformen wie LinkedIn, Twitter und Facebook bieten der Jugend bei der Arbeitssuche geniale Chancen, mit möglichen Arbeitgebern Kontakt aufzunehmen und ihre Talente und Erfahrungen anzubieten. Leider können diese Medien zweischneidig sein, wenn Cybermobbing, OnlineBetrug oder sogar Sucht drohen. Da sind Aufklärungsaktionen zum verantwortungsvollen Umgang mit diesen Plattformen nötig, um diese negativen Auswirkungen zu verhindern. Trotz aller Herausforderungen, denen Jugendliche gegenüberstehen, wächst in größeren Städten eine innovative Mittelschicht heran durch Gründung eigener Kleinunternehmen und Investitionen in diversen Sektoren. Dieser Trend verringert den Druck auf dem konventionellen Arbeitsmarkt und schafft neue Chancen für junge Menschen. Da immer mehr Kenianerinnen und Kenianer Innovationen begrüßen, kann mit anhaltendem Wirtschaftswachstum und der Verbesserung der Lebensqualität der städtischen Bevölkerung gerechnet werden. Viel muss jedoch noch geschehen, um sicherzustellen, dass berufliche Erneuerungen allen in der Gesellschaft zugutekommen, insbesondere denen, die an den Rand gedrängt werden oder in Armut leben. Hoffnung geben Zahlreich sind die Herausforderungen, denen Jugendliche bei der Arbeitssuche gegenüberstehen. Die hohe Arbeitslosigkeit in Verbindung mit begrenzten Beschäftigungsmöglichkeiten und dem Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage erschwert vielen, eine dauerhafte Beschäftigung zu finden. Darüber hinaus verschärfen Diskriminierung, Vetternwirtschaft und Korruption auf dem Arbeitsmarkt die Situation und erzeugen Hoffnungslosigkeit und Frustration. Trotz aller Herausforderungen gibt es Hoffnung: Denn viele junge Menschen sind kreativ, unternehmerisch und finden neue Wege, um eigene Arbeitsplätze zu schaffen und ihren Beitrag zur Wirtschaft zu leisten. Letztendlich erfordert die Reduzierung der Jugendarbeitslosigkeit im Land den Einsatz von Regierung, vom Privatsektor, von der Zivilgesellschaft sowie der Jugend selbst. Nur durch Zusammenarbeit können die Ursachen der Arbeitslosigkeit überwunden und kann eine gerechtere Gesellschaft geschaffen werden, die allen eine Chance bietet. Zwei junge Kenianerinnen aus dem Armenviertel Mathare in Nairobi arbeiten in einem früheren Männerberuf und verdienen ihren Lebensunterhalt als Automechanikerinnen. 12 | 13
Unsere Eltern, Großeltern und engsten Familienangehörigen haben viele von uns mit Liebe, Fürsorge und Schutz sowie Nahrung, Unterkunft und Bildung versorgt. Kinder sind ein Zeichen des Segens, des Reichtums, des Ansehens und vor allem ein Zeichen der Kontinuität der Familien. Wenn ein Haushalt in Uganda keine Kinder hat, wird das von der Gesellschaft als Fluch angesehen. Dass sich die nachkommende um die ältere Generation kümmert, ist selbstverständlich. Aber trotzdem stoßen die Jüngeren nicht selten an ihre Grenzen. Die Fürsorge beschränkt sich nicht nur auf die eigenen Kinder, sondern wird auch auf die Enkel und Urenkel ausgedehnt. An einem bestimmten Punkt des Lebens kehren sich die Rollen um: Die erwachsenen Kinder sind diejenigen, die den Eltern ihre volle Aufmerksamkeit schenken und ihre Pflege übernehmen müssen. Als Zeichen der Dankbarkeit und des Respekts gegenüber unseren Eltern, Großeltern und Vorfahren kümmern wir uns um die älteren Menschen. Die älteren Verwandten, insbesondere Vater und Mutter, werden – aus kulturellen und finanziellen Gründen – nicht in einem Pflegeheim betreut. Sowohl die Einrichtung als auch die Handlung an sich klingt für viele in Uganda fremd und inakzeptabel. Ältere Menschen bleiben zuhause bei ihren Familien, entweder bei sich zuhause oder sie ziehen zu den erwachsenen Kindern, die ihre eigenen Familien gegründet haben. TEXT UND FOTOS: Flora Okuda fdc Altersvorsorge Familie Generationenvertrag in Rushooka, Uganda Barmherzig und fürsorglich In Uganda ist das Zusammenleben mehrerer Generationen eine kulturelle Bereicherung – auch wenn diese Wohnsituation wirtschaftlichen und sozialen Gründen geschuldet ist. Die mündliche Überlieferung innerhalb der Familien, insbesondere in ländlichen Gegenden wie Rushooka, ist unter anderem aufgrund der hohen Analphabetismus-Rate sehr verbreitet. Wenn die Ältesten abends am Feuer sitzen, erzählen sie lehrreiche Geschichten, 14
Junge Mütter berichten den Mitarbeitenden des Gesundheitszentrums in Rushooka (Uganda) über den Gesundheitszustand ihres Nachwuchses. während die Kinder und Jugendlichen Fragen zu bestimmten Dingen, Orten und Menschen stellen, die auch wir später den Jüngeren weitererzählen. Die Älteren sind aufgrund ihrer Lebenserfahrungen die »lebende Bibliothek«. Sie bereiten zum Beispiel junge Frauen und Männer auf traditionelle Eheschließungen und das Eheleben vor. Oder sie beraten bei der Landwirtschaft: Ich selbst erinnere mich, dass unsere Mutter und Großmutter sagten, wir sollten Hirse jährlich am 16. Februar säen. Sie erklärten dies anhand der Mondphasen. Sie wussten, ob es in dem laufenden Jahr eine reiche Ernte oder viel Regen geben würde oder nicht. Diese Weisheit und Lebenserfahrung stehen in keinem Buch geschrieben, sondern wir erhalten sie als Kinder und übertragen solche Informationen an die nachfolgende Generation. Auch nach dem 18. Lebensjahr bleibt man für die Eltern immer ein Kind – egal in welchem Alter. In einem Elternhaus wird auch von erwachsenen Kindern erwartet, dass sie gehorsam, liebevoll, respektvoll und gottesfürchtig sind. In Uganda spiegeln die Kinder das Familienbild nach außen wider – und die Jugendlichen sind eine Art Maßstab dafür, um zu beurteilen, wie gut eine Familie ist. Das bedeutet eine große Verantwortung für die Heranwachsenden. Die Erwartungen an Kinder und Jugendliche innerhalb der ugandischen Familien gehen Hand in Hand mit der Fürsorge für die älteren Menschen. Das Zusammenleben der verschiedenen Generationen unter einem Dach erfordert von den Jugendlichen Gehorsam und Verständnis sowie Liebe und Respekt. Die ugandische Kultur verlangt von allen – Jung oder Alt –, barmherzig und fürsorglich zu sein. Aber hier in Rushooka ist auch der Verlust menschlicher Werte zu spüren. Aus finanziellen Gründen oder weil die Kinder in weit entfernte Städte abwandern, können sie sich nicht mehr um ihre Eltern kümmern. Dann kommen nicht selten Telefonate, Videoanrufe und moderne Messenger-Dienste zum Zuge, die versuchen, den physischen Kontakt zu dem einen oder an- deren hilfsbedürftigen Familienangehörigen zu ersetzen. Das Familiensystem in Uganda könnte das Leben der kommenden Generationen erleichtern, indem ein Konzept der Familienplanung umgesetzt würde. Denn die Jugend von heute sollte sich auch um ihre Zukunft und eigene Entwicklung kümmern dürfen. Keine bedürftige Familie ist in der Lage, für so viele Kinder zu sorgen, dass diese alle in Fülle aufwachsen. Betrachtet man die Geburtenrate, so liegt die durchschnittliche Zahl pro Familie in Uganda zwischen vier und zwölf Kindern in normalen traditionellen Familien. Selbstverständlich gibt es auch Familien mit nur ein oder zwei Kindern. Familienplanung Wir befürworten die natürliche Familienplanung, das heißt die Verhütung durch natürliche Methoden. Dies ist allerdings schwierig durchzusetzen, da meist nur die Frauen zur Schwangerschaftsvorsorge und damit zur Beratung kommen. Die natürlichen Verhütungsmethoden erfordern in der Beratung aber die Anwesenheit beider Partner. Stattdessen werden künstliche Verhütungsmethoden vor allem in staatlichen Einrichtungen angewandt, wobei eine große Zahl von Frauen diese Methoden heimlich und ohne Wissen der Ehemänner in Anspruch nimmt. Denn die Männer wollen immer Kinder haben, unabhängig vom Gesundheitszustand der Frau oder von der wirtschaftlichen Lage der Familien. Die Aufgabe der Kindererziehung liegt bei den Frauen. Nicht alle Frauen entscheiden sich für die künstliche Verhütung, sondern vor allem die, die keine wirtschaftliche Grundlage für die Familie haben – zum Beispiel kein Land für die Landwirtschaft, kein Haus für die Unterkunft, keine Lebensmittel. Auch diejenigen, die bereits sehr viele Kinder haben, diejenigen mit schlechtem Gesundheitszustand, diejenigen, denen zu Verhütung geraten wurde, und diejenigen, die in größeren Städten mit sehr geringem Einkommen leben, nutzen künstliche Verhütungsmethoden. In der Regel werden diese Frauen durch soziale und wirtschaftliche Faktoren gezwungen, sich für die künstliche Verhütung zu entscheiden, und nicht aus freien Stücken. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Anwesenheit junger und älterer Menschen zwar ein Zeichen des Segens, der Kontinuität der Familie und der Weisheit für die Gesellschaft ist; dass aber die Bevölkerung noch viel Aufklärungsarbeit leisten muss, um die Kinderzahl in den Familien zu regulieren und die männlichen Partner in diesen Prozess einzubeziehen. Denn jede Familie sollte nur so viele Kinder haben, wie sie mit Würde versorgen kann. Die Autorin Flora Okuda ist Juniorin der »Kongregation der Töchter der göttlichen Liebe«. Sie studierte kanonisches Recht und ist unter anderem Hebamme im »Mother Francisca Lechner Gesundheitszentrum« in Rushooka, Uganda. Übersetzung aus dem Englischen: Márcia Santos Sant’Ana 15
Mother Earth Network ist eine auf Glauben basierende Organisation, die eine internationale Plattform für Umweltthemen bietet. Es geht um lokale, nationale und internationale Aktivitäten, Bildung von Interessenvertretungen und Sensibilisierung der Bevölkerung für Umweltfragen. Das Hauptanliegen von Mother Earth Network ist der Erhalt und die Aufforstung der Wälder und das damit verbundene Umweltmanagement. Bäume fürs Leben Umweltengagement in Kenia In Ostafrika hat das Mother Earth Network über zwei Jahrzehnte hinweg das Pflanzen von mehr als zehn Millionen Bäumen in Teilen des Great Rift Valley (Großer Afrikanischer Grabenbruch) ermöglicht. In den letzten Jahren wurde lokalen Gemeinden geholfen, Baumschulen in verschiedenen Teilen Kenias einzurichten und diese zu erweitern. In den Baumschulen werden die Setzlinge für die Pflanzaktionen vorgezogen. Erfolgreiche erste Aktion Das »Pilotprojekt« war der Anbau von Bäumen in Subukia, rund 200 Kilometer von Nairobi entfernt. Dort gelang die Verteilung von über eine Million Samenbällchen in einer Rekordzeit von nur zwei Stunden in 22 Schulen der Region. Die gut koordinierte Lehrerschaft und die Lernenden haben die dafür notwendigen Aktivitäten im Voraus sehr gut geplant und umgesetzt. Den Schülerinnen und Schülern wurden landwirtschaftliche Kenntnisse vermittelt, damit die Samenbällchen unversehrt gepflanzt werden konnten. So musste zunächst die Bodenbeschaffenheit der dafür vorgesehenen Anbauflächen untersucht und gegebenenfalls bearbeitet werden. Darüber hinaus wurden die jungen Baumpflanzerinnen und -pflanzer mit TEXT: Washington Ndirangu | FOTOS: Mother Earth Network 16 | 17
den notwendigen Werkzeugen und Arbeitsschritten vertraut gemacht. Der Gemeindepriester und das Team von Mother Earth Network in Subukia schulten ihre Gemeindemitglieder und die lokale Verwaltung, während ein weiteres Team in Nairobi die Franziskaner und die nationalen Regierungsbeamten über die Tragweite der Aktionen in einer besonderen Veranstaltung informierte. Der Hauptsekretär des Ministeriums für Umwelt und Forstwirtschaft entsandte einen hochrangigen Mitarbeiter, der seine schriftliche Rede verlas. Eine große Anzahl von Fachleuten verschiedener Umweltorganisationen schloss sich den Initiativen von Mother Earth Network an und unterstützte sie. Die Veranstaltung wurde auch live im Fernsehen übertragen. Viele Kenianerinnen und Kenianer sahen sich diese Sendung an. Alle Anwesenden waren auch von einem speziellen Flugzeug begeistert: Dieser Flieger hatte dafür gesorgt, 400.000 Samenbällchen in weniger als 20 Minuten zu verteilen. Alle 22 teilnehmenden Schulen haben auch Obstbäume mit den von Mother Earth Network zur Verfügung gestellten Setzlingen gepflanzt. Eine bessere Welt Mittlerweile sind die Saatkugeln gekeimt und wir hoffen, dass der seit Jahren so wenige Regen in Fülle kommt und dem trockenen Boden von Subukia viel Wasser schenkt. Denn nur so können die Bäume wachsen, damit sich die Natur und folgend die Lebensgrundlagen für die Menschen hier verbessern. Mother Earth Network ist dank des Engagements der Franziskaner vor Ort sehr schnell gewachsen und wurde sowohl von den Bezirksregierungen als auch von der nationalen Regierung als eine Organisation anerkannt, die Kenia dabei hilft, bis spätestens 2030 eine Waldbedeckung von 10 Prozent zu erreichen. Mother Earth Network wird alle Projekte weiterhin überwachen und sicherstellen, dass die Wälder Kenias nicht durch Abholzung schrumpfen, damit die umfangreichen Wasserressourcen, die durch die Wiederaufforstung entstehen, nicht durch erodierte Erde gefährdet werden. Um das zu verwirklichen, folgten weitere Aktionen wie: • In Solio Mweiga im Landkreis Nyeri wurden den Franziskanern von St. Joseph 500.000 Samenbällchen zur Verteilung an sieben Grundschulen und sieben Dörfer gegeben. Die Franziskanerbrüder haben jetzt eine Baumschule gegründet und beabsichtigen, vier Millionen Setzlinge zu produzieren, die an den gesamten Kieni West Sub-County verteilt werden sollen. • Asumbi im Kreis Homa Bay: Pater Peter von der Gemeinde Asumbi lud Mother Earth Network ein, seine Gemeinde zu besuchen, mit dem Ziel, mit uns zusammenzuarbeiten, um das Ökosystem der Region zu verbessern. Wir haben das Gebiet besucht und 96 Grundschulen haben sich an der Pflanzung von Bäumen und der Säuberung der Umwelt beteiligt. Das Team von Asumbi Mother Earth Network hat auch eine Baumschule auf dem Gelände der Kirche eingerichtet. • Amani Bridge in Migori: Hier haben wir eine Baumschule mit über 5.000 Setzlingen eröffnet. Vor Ort kümmern sich Jugendliche mit Hilfe von Bruder Morris (einem Passionisten), der unser Partner in diesem Projekt ist, darum. • Mother Earth Network arbeitet mit der Bezirksregierung von Nakuru an einem Dammprojekt in Lower Subukia mit dem Ziel, Fische zu züchten und ein Aufforstungsprojekt zu starten. Peter Mwaura, ein ehemaliger Schüler der »St. Francis Secondary School« in Subukia, arbeitet eng mit uns zusammen, um dieses Projekt zu realisieren. Er arbeitet auch als Chief Officer und war früher mitverantwortlich in der Kreisverwaltung Nakuru. Durch Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung können wir der kommenden Generation eine bessere Welt hinterlassen. Und die Jugend von heute kann stolz auf sich sein, diese Aufgabe selbst in die Hand genommen zu haben. Der Autor Washington Ndirangu ist Koordinator von Mother Earth Network, eine in Nairobi von dem Franziskaner Hermann Borg gegründete Organisation zugunsten der Wiederaufforstung der Wälder in Ostafrika. Übersetzung aus dem Englischen: Márcia Santos Sant’Ana Schülerinnen und Schüler mit Bäumen, die in ihrer Schule in Nyanza, West-Nairobi, gepflanzt werden sollen Hermann Borg ofm in der Baumschule Kwa Ngothi Hospital
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»In einer Welt voller Unfriede, Ungerechtigkeiten, Egoismus, Korruption und Zerstörung der Schöpfung – was bringt mir meine Zukunft? Wie kann ich sie positiv gestalten?« Frances aus Ruanda, Ostafrika
Neue Erfahrungen FEE – ein franziskanischer Freiwilligendienst für junge Menschen Im August 2023 wird es soweit sein: Vier junge Menschen werden sich auf den Weg zu ihren Einsatzstellen im Rahmen des Freiwilligendienstes FEE (Franziskanisch-Europäische-Erfahrung) machen. Zwei von ihnen werden in Visoko, Bosnien und Herzegowina, im Franziskanisch Klassischen Gymnasium arbeiten. Die beiden anderen werden im Hilfswerk für Menschen am Rand der Gesellschaft »Bizitegi« (baskisch für »Ort des Lebens«) in Bilbao, Spanien, tätig sein. TEXT: René Walke ofm | FOTO: Sarah Knauer Vier Vorbereitungsseminare gehen der Ausreise voraus, ein Zwischenseminar dient der Begleitung und des Austausches vor Ort und ein Rückkehrerseminar bietet die Möglichkeit, die Erlebnisse zu teilen, zu verarbeiten und zu sichern. Das Franziskanische Bildungswerk in Großkrotzenburg ist in Kooperation mit der Deutschen Franziskanerprovinz Träger dieses neuen Freiwilligendienstes. Sarah Knauer ist die verantwortliche Referentin. Seitens der Franziskaner wird sie von mir bei der pädagogischen Begleitung und dem Generieren und Kontaktpflegen zu den Einsatzstellen unterstützt. FEE wird durch das Familienministerium über das Projekt IJFD (Internationaler Jugend Freiwilligen Dienst) gefördert. Damit wird etwa ein Drittel der Kosten gedeckt. Die übrigen zwei Drittel werden durch Eigenmittel, Unterstützerkreise der Freiwilligen und durch Fundraising getragen. Somit können alle jungen Menschen zwischen 18 und 26 Jahren (Vorgabe durch IJFD) unabhängig ihrer finanziellen Möglichkeiten diesen Freiwilligendienst absolvieren. Motivation der Freiwilligen Jakob ist 23 Jahre alt und studiert Soziale Arbeit in Nürnberg. Es ist sein großer Traum, eine Zeit im Ausland zu leben, eine neue Kultur kennenzulernen, zu sehen, wie die Menschen in einem anderen Land leben und was es für Unterschiede zu Deutschland gibt. Auch im Urlaub gibt es diese Gelegenheit, aber in der kurzen Zeit bekommt man oft nur einen Bruchteil vom Leben dort mit. Außerdem ist FEE eine gute Möglichkeit, die eigene Komfortzone verlassen und neue Erfahrungen sammeln zu können. In seinem Einsatzort in Bilbao (Spanien) wird Jakob mit Obdachlosen, Drogenabhängigen und psychisch erkrankten Menschen arbeiten. Da er später wahrscheinlich in dem Berufsfeld tätig sein wird, ist ein Auslandsfreiwilligendienst eine gute Möglichkeit, vorher Erfahrungen zu sammeln. So wird ihm später sein Berufseinstieg seiner Meinung nach deutlich leichter fallen. Jakob kann sich nur schwer vorstellen, wie das Leben ohne festen Wohnsitz ist. Deswegen findet er es spannend, die Geschichten der Klienten zu hören und sie bei der Bewältigung ihres Alltags zu unterstützen. Jakob ist selbst Christ und hat in der Vergangenheit bereits sehr gute Erfahrungen mit christlichen Trägern (CVJM, Caritas, Diakonie) gemacht. Er hofft, dass er bei »FEE« ein ähnliches Werteverständnis erfahren kann. Marie ist 18 Jahre alt und besucht die 13. Klasse des Franziskanergymnasiums Kreuzburg in Großkrotzenburg. Derzeit macht sie Abitur. Sie ist engagiert in ihrer Kirchengemeinde bei den Ministranten, als Firmkatechetin und bei den Pfadfindern. Sie sieht im Freiwilligendienst eine Möglichkeit, die Zeit nach der Schule sinnvoll zu nutzen. Das Jahr nach dem Abitur bietet dazu eine große Chance. Sie ist ein sozial eingestellter Mensch und möchte über den Tellerrand hinausschauen und sich ein Jahr lang intensiv in einem sozialen und sinnvollen Projekt einbringen. Die internationale Arbeit bietet für sie eine große Chance, ihre schulischen Sprachkenntnisse aktiv anzuwenden und zu verbessern. Sie erwartet, dass ein einjähriger Freiwilligendienst eine sehr prägende Erfahrung sein wird, aus der sie viele Erkenntnisse mitnehmen kann und wortwörtlich fürs Leben lernt. Gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern des Franziskanergymnasiums in Visoko (Bosnien und Herzegowina) wird sie Unterrichtsstunden mitgestalten und auch Ausflüge nach Kroatien und eine Klassenfahrt nach Griechenland begleiten. Marie kommt aus einem christlichen Elternhaus, in dem der Glaube lebendig gelebt wird. Durch den Besuch des Franziskanergymnasiums ist sie immer wieder durch franziskanische Werte geprägt worden. Ihr soziales Engagement basiert größtenteils auf Jugendgruppen, die mit der Kirche sowie christlichen Institutionen in Verbindung stehen. Es spricht sie daher an, dass sich auch die Einsatzstellen in einem christlich-franziskanischen Umfeld befinden. Mirjam ist 17 Jahre alt und plant, nach dem Freiwilligendienst ihr Fachabitur zu machen. Mit einem 12-monatigen Freiwilligendienst wird sie den berufsbezogenen Teil der Fachhochschulreife erwerben. Sie ist an anderen Kulturen interessiert und hat diese im eigenen Zuhause kennengelernt: In ihrer Familie haben sie einen jungen Eritreer im Kirchenasyl und im letzten Jahr eine ukrainische Mutter mit ihren beiden kleinen Kindern aufgenommen. Sie 20
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