Franziskaner Mission 2 | 2023

Junge Mütter berichten den Mitarbeitenden des Gesundheitszentrums in Rushooka (Uganda) über den Gesundheitszustand ihres Nachwuchses. während die Kinder und Jugendlichen Fragen zu bestimmten Dingen, Orten und Menschen stellen, die auch wir später den Jüngeren weitererzählen. Die Älteren sind aufgrund ihrer Lebenserfahrungen die »lebende Bibliothek«. Sie bereiten zum Beispiel junge Frauen und Männer auf traditionelle Eheschließungen und das Eheleben vor. Oder sie beraten bei der Landwirtschaft: Ich selbst erinnere mich, dass unsere Mutter und Großmutter sagten, wir sollten Hirse jährlich am 16. Februar säen. Sie erklärten dies anhand der Mondphasen. Sie wussten, ob es in dem laufenden Jahr eine reiche Ernte oder viel Regen geben würde oder nicht. Diese Weisheit und Lebenserfahrung stehen in keinem Buch geschrieben, sondern wir erhalten sie als Kinder und übertragen solche Informationen an die nachfolgende Generation. Auch nach dem 18. Lebensjahr bleibt man für die Eltern immer ein Kind – egal in welchem Alter. In einem Elternhaus wird auch von erwachsenen Kindern erwartet, dass sie gehorsam, liebevoll, respektvoll und gottesfürchtig sind. In Uganda spiegeln die Kinder das Familienbild nach außen wider – und die Jugendlichen sind eine Art Maßstab dafür, um zu beurteilen, wie gut eine Familie ist. Das bedeutet eine große Verantwortung für die Heranwachsenden. Die Erwartungen an Kinder und Jugendliche innerhalb der ugandischen Familien gehen Hand in Hand mit der Fürsorge für die älteren Menschen. Das Zusammenleben der verschiedenen Generationen unter einem Dach erfordert von den Jugendlichen Gehorsam und Verständnis sowie Liebe und Respekt. Die ugandische Kultur verlangt von allen – Jung oder Alt –, barmherzig und fürsorglich zu sein. Aber hier in Rushooka ist auch der Verlust menschlicher Werte zu spüren. Aus finanziellen Gründen oder weil die Kinder in weit entfernte Städte abwandern, können sie sich nicht mehr um ihre Eltern kümmern. Dann kommen nicht selten Telefonate, Videoanrufe und moderne Messenger-Dienste zum Zuge, die versuchen, den physischen Kontakt zu dem einen oder an- deren hilfsbedürftigen Familienangehörigen zu ersetzen. Das Familiensystem in Uganda könnte das Leben der kommenden Generationen erleichtern, indem ein Konzept der Familienplanung umgesetzt würde. Denn die Jugend von heute sollte sich auch um ihre Zukunft und eigene Entwicklung kümmern dürfen. Keine bedürftige Familie ist in der Lage, für so viele Kinder zu sorgen, dass diese alle in Fülle aufwachsen. Betrachtet man die Geburtenrate, so liegt die durchschnittliche Zahl pro Familie in Uganda zwischen vier und zwölf Kindern in normalen traditionellen Familien. Selbstverständlich gibt es auch Familien mit nur ein oder zwei Kindern. Familienplanung Wir befürworten die natürliche Familienplanung, das heißt die Verhütung durch natürliche Methoden. Dies ist allerdings schwierig durchzusetzen, da meist nur die Frauen zur Schwangerschaftsvorsorge und damit zur Beratung kommen. Die natürlichen Verhütungsmethoden erfordern in der Beratung aber die Anwesenheit beider Partner. Stattdessen werden künstliche Verhütungsmethoden vor allem in staatlichen Einrichtungen angewandt, wobei eine große Zahl von Frauen diese Methoden heimlich und ohne Wissen der Ehemänner in Anspruch nimmt. Denn die Männer wollen immer Kinder haben, unabhängig vom Gesundheitszustand der Frau oder von der wirtschaftlichen Lage der Familien. Die Aufgabe der Kindererziehung liegt bei den Frauen. Nicht alle Frauen entscheiden sich für die künstliche Verhütung, sondern vor allem die, die keine wirtschaftliche Grundlage für die Familie haben – zum Beispiel kein Land für die Landwirtschaft, kein Haus für die Unterkunft, keine Lebensmittel. Auch diejenigen, die bereits sehr viele Kinder haben, diejenigen mit schlechtem Gesundheitszustand, diejenigen, denen zu Verhütung geraten wurde, und diejenigen, die in größeren Städten mit sehr geringem Einkommen leben, nutzen künstliche Verhütungsmethoden. In der Regel werden diese Frauen durch soziale und wirtschaftliche Faktoren gezwungen, sich für die künstliche Verhütung zu entscheiden, und nicht aus freien Stücken. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Anwesenheit junger und älterer Menschen zwar ein Zeichen des Segens, der Kontinuität der Familie und der Weisheit für die Gesellschaft ist; dass aber die Bevölkerung noch viel Aufklärungsarbeit leisten muss, um die Kinderzahl in den Familien zu regulieren und die männlichen Partner in diesen Prozess einzubeziehen. Denn jede Familie sollte nur so viele Kinder haben, wie sie mit Würde versorgen kann. Die Autorin Flora Okuda ist Juniorin der »Kongregation der Töchter der göttlichen Liebe«. Sie studierte kanonisches Recht und ist unter anderem Hebamme im »Mother Francisca Lechner Gesundheitszentrum« in Rushooka, Uganda. Übersetzung aus dem Englischen: Márcia Santos Sant’Ana 15

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