Franziskaner Mission 2 | 2023

Meine Familie ist nicht wohlhabend. Als Kleinbauern müssen meine Eltern jeden Tag früh aufstehen und bis spät in den Abend schwere körperliche Arbeit verrichten. Die Härte des alltäglichen Lebens ist für meine Eltern zur Gewohnheit geworden. Noch nie haben sie darüber geklagt, dass wir es nicht so gut haben wie reiche Familien. Sie haben ihr Schicksal akzeptiert und investieren all ihre Kraft, damit wir Kinder die Schule besuchen können und somit eine bessere Zukunft erhalten werden. Ich erinnere mich noch ganz genau, dass mein Vater einmal zu mir sagte: »Wir haben ein sehr hartes Leben, ich hoffe und wünsche mir von ganzem Herzen, dass ihr eine gute Ausbildung erhalten werdet und somit euren Lebensunterhalt leichter verdienen könnt.« Niemals aufgeben! Das Klima bei uns ist nicht sehr angenehm. Im Sommer herrscht eine Hitze von 40 bis zu 45 Grad Celsius, im Winter ist es bis zu fünf Grad kalt. Bei Hitze, Kälte oder heftigen Stürmen müssen meine Eltern trotzdem ihrer harten Arbeit nachgehen, weil sie sonst kein Geld verdienen. Wenn sie krank sind, trauen sie sich nicht, zum Arzt zu gehen, sondern leugnen dies mit der Ausrede, dass es ihnen gut geht. Trotz dieser schlechten Voraussetzungen befinden wir uns noch in einer glücklichen Situation im Vergleich zur Familie meiner Freundin. Ihr Vater ist früh verstorben und hinterließ seine Frau und drei Kinder. Ich frage mich selbst, wie schwer es ist, seinen Vater früh zu verlieren. Die Mutter muss in diesem Fall zugleich die Rolle des Vaters übernehmen. Meine Freundin hat – trotz dieses Schicksals – eine gute Erziehung erhalten. Ihre Mutter wurde damit belohnt, dass ihre Tochter in der Schule immer die Beste war und durch ein Stipendium die Chance bekam, eine Universität zu besuchen. Mutter und Tochter sind darauf sehr stolz. Diese Freundin ist für mich ein Vorbild geworden, weil sie immer positiv und optimistisch in die Zukunft schaut, um das Beste aus ihrem Leben zu machen. Für meine Freundin ist alles im Leben eine Prüfung, die sie bestehen muss, um zu überleben. Ihr Lebensmotto: Niemals aufgeben! TEXT UND FOTOS: Thi Dien Nguyen Die Autorin Thi Dien Nguyen, 22 Jahre alt, kommt aus Quang Bình und wohnt in Hanoi, Vietnam. Übersetzung aus dem Vietnamesischen: Chi Thien Vu ofm Auch meine Eltern sind immer eine Motivation für mein Leben und zugleich auch eine Ermahnung, dass ich noch viel mehr für sie tun möchte. Ob Hitze, Regen oder Kälte, ich habe meine Eltern noch nie rasten sehen. Und zudem bin ich noch eine Last für sie. Ich wünsche mir, dass in zehn Jahren meine Eltern keine schwere Arbeit mehr zu verrichten haben, sondern nur noch die nötigen Dinge zu Hause tun. Wenn sie krank sind, sollen sie den Arzt aufsuchen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Ein Geschenk für alle Zurzeit lerne ich die deutsche Sprache und erfahre zugleich eine neue Kultur, die ich nicht kenne, und ein neues Leben. Das Leben ändert sich, wenn man eine neue Sprache lernt. Ich möchte in Deutschland Kontakt zu anderen Menschen aufnehmen und mit ihnen sprechen, doch die Realität sieht zurzeit anders aus, da mein Deutsch noch nicht gut genug ist. Doch ich werde so schnell nicht aufgeben, sondern daran arbeiten, die deutsche Sprache zu beherrschen. Ich glaube fest daran, dass ich es schaffen werde. Wofür die ganze Mühe? Ist es der Armut wegen? Für mich ist die Antwort ganz klar: Ich lerne, um der Armut zu entkommen und eine bessere Zukunft zu haben. Das ist die Hoffnung aller jungen Menschen in Vietnam. Das Geld spielt dabei eine wichtige Rolle. Wenn man Geld hat, sieht die Zukunft anders aus. Man kann sich vieles leisten. Viele Lasten sind leichter zu meistern mit Geld. Doch die Sucht nach Geld endet oft in Drogen- und Menschenhandel, Prostitution und Korruption und dies kann das Glück der Menschen auch zerstören. Also ist das Geld keine Garantie für ein glückliches Leben. Zufriedenheit und Dankbarkeit sollten an erster Stelle stehen. Und wenn wir versuchen, das, was wir haben, zu teilen, ist es für alle ein Geschenk. Gott, ich habe eine Frage an dich: Wärst du zufrieden, deine Tochter unglücklich und leiden zu sehen? Bist du wirklich an meiner Seite? Ich spüre dich nicht. Mit dem Fahrrad unterwegs zum deutschen Sprachkurs 27

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=