Franziskaner Mission 2 | 2023

Deine Lieder fehlen Ostern 2022 konnten wir noch gemeinsam an dem Ort feiern, der immer eng mit dir verknüpft sein wird. Mit dem, was du zeitlebens zu sagen hattest, auch in Form deiner einprägsamen Melodien und Lieder, mit denen du die Menschen trösten und (wieder) aufrichten konntest. Feierlich zogst du mit der Osterkerze in die Kapelle ein. Ostern. Auferstehung. Diese Erinnerung möchte ich mir bewahren. Du hast auch mir eine zweite Heimat verschafft. Mit jedem Mal, wo du in Deutschland warst und zu den Dias deine Geschichten mitbrachtest, wuchs der Wunsch in mir – damals noch einem kleinen Mädchen – die Menschen aus deinen Erzählungen persönlich kennenzulernen. Daraus wurde ein Eintauchen in und ein Einlassen auf eine andere Welt. Augen und Ohren hast du mir geöffnet – und vor allem: das Herz. Das litt, als klar war, dass du den Kampf gegen den Krebs verlieren würdest. Das litt, als du dich Stück für Stück aus dieser Welt verabschieden musstest. Kreuzweg, Erlösung: Dankbarkeit und Traurigkeit dicht beieinander. Währenddessen geht das Leben weiter, die Menschen treffen und trösten sich gegenseitig. Du fehlst. Deine Lieder fehlen. Deine Impulse fehlen. Deine Geschichten, die die Kraft hatten, den Tag zu verändern, ihm ein anderes Gewicht zu geben, einen anderen Tenor, eine andere Stimmung. Die Verbindung bleibt Ich fliege wieder hin. In das Land, das ich mit dir verbinde und in dem du Spuren hinterlassen hast. Wo ich viele Menschen kennenlernen durfte dank dir, über dich. Deine Melodien sind überall. Nicht tot zu kriegen. Saudade. Sehnsucht. »Das Leben ist schön.« Das war eine deiner letzten Botschaften. Schön trotz allem. Oder vielleicht gerade deswegen. Du wolltest nie, dass ich dich als »Propheten« bezeichne. An dieser Stelle tue ich es. Denn du bist es. Für mich und viele andere Menschen, die dich auf deinem (letzten) Weg begleitet haben und begleiten durften. Du bist gestorben, wie du gelebt hast: authentisch und in Würde. Hast nichts ausgelassen. Warst voller Vertrauen. Voller Durst nach mehr. Den Blick aufs Kreuz gerichtet. Am Ende voller Freude auf die Ankunft bei deinem Herrgott. Beispielhaft für uns, die wir diese intensiven Momente miterlebt haben und in deinem Hinübergleiten etwas Göttliches und ein Stück Himmel spüren durften und dürfen. Mit Musik, die du dir bis zu deinem letzten Atemzug gewünscht hast. Die dich vom Leben in die Ewigkeit getragen hat. In selbst gestrickten Socken und der Gewissheit, dass nun alles gut ist. Die blühenden Rapsfelder, die du so mochtest, werden uns auch künftig an dich erinnern. An deinen Sinn für die Schönheit der Welt und die Wunder, die uns jeden Tag begegnen. Uns erahnen lassen, dass die Verbindung bleibt, auch wenn dein Handy nun für immer schweigt ... Die Autorin Ulrike Schwerdtfeger, Nichte von Franziskanerpater Adolf Temme†, hat an der Katholischen Universität EichstättIngolstadt Lateinamerikanistik studiert, ist freie Redakteurin und lebt mit ihrer Familie in Nürnberg. Über ihren Onkel hat(te) sie immer wieder die Möglichkeit, in den Nordosten Brasiliens einzutauchen und sich »anstecken« zu lassen von seiner Faszination für Land und Leute – ein Geschenk über seinen Tod hinaus. 33

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