Franziskaner Mission 3 | 2023

heiligen Franziskus bestätigt hat. Dies war am 27. November 1223. Für seine Gemeinschaft, die sich spontan um ihn und seine Idee, Jesus im Sinn des Evangeliums nachzufolgen, geschart hatte, schrieb er zunächst ein Papier, auf dem lediglich ein paar Sätze aus dem Evangelium standen. Dies sollte als Regel für seine Gemeinschaft genügen. Aber es genügte der Kirche von Rom nicht. So verfasste Franziskus dann schließlich doch eine Regel für seine Gemeinschaft. Schwerpunkte darin: Die Brüder sollen in allem auf Gottes Willen hören, den sie im Gebet erfahren, sie sollen anspruchslos leben, wie Geschwister zueinanderstehen und sich besonders der Menschen am Rand der Gesellschaft annehmen. Die Regel betont den Respekt, den die Brüder allen Menschen schulden, und gebietet ihnen zu dienen, statt zu herrschen. Impulse fürs Leben Nicht alle Menschen können so leben wie Franz von Assisi. Es können auch nicht alle Menschen wie Jesus leben. Trotzdem sind sie für uns Leitbilder. Zu Franziskus kamen etliche Menschen, die »normale« Berufe ausübten und in Ehe und Familie lebten. Sie baten ihn: Schreib uns doch auf, wie wir »in der Welt« nach dem Evangelium leben können. Franz schrieb keine Regel für sie, verfasste aber im Jahr 1221 den »Brief an die Gläubigen«. Franziskus gibt darin Impulse, die auch für uns heute bedeutsam sind und die wir konkret leben können. Plakativ ausgedrückt legt uns Franziskus durch sein Leben und seine Schriften ein vom Evangelium inspiriertes Verhalten zu den Dingen, zu den Geschöpfen, zu den Menschen und zu Gott ans Herz. • Zu den Dingen: wir dürfen sie gebrauchen, sollen uns aber gegen Gier und Haben-wollen entscheiden. • Zu den Geschöpfen: wir sind ihre Geschwister und schulden ihnen Achtung und Pflege. • Zu den Menschen: wir sollen uns jeder Form von Gewalt (auch der Gewalt des Denkens und der Zunge) enthalten. • Zu Gott: wir sind seine Kinder und sollen uns in allem fragen, was sein Wille ist. Diesen Regeln zu folgen, ist auch für Nicht-Ordensangehörige, die nach Franziskus leben möchten, möglich. groß. Das hat zu blutigen und unblutigen Revolutionen geführt. Die Russische Revolution im Februar 1917 befreite Russland von der Herrschaft der Zaren, führte sie aber letztlich in die Diktatur der Sowjets. Dagegen war der Salzmarsch, den Mahatma Gandhi 1930 in Indien anführte, eine gewaltlose Kampagne, die das Salzmonopol der Briten gebrochen und zur Unabhängigkeit Indiens geführt hat. Auch heute stellen Menschen weltweit politische und gesellschaftliche Regeln in Frage, und das ist auch gut so. Problematisch wird es, wenn einzelne und Gruppen, wie das in modernen Gesellschaften oft passiert, ihre Freiheit so definieren, dass sie sich loslösen von allen Satzungen. Diese Einstellung kann den Zusammenhalt und die gegenseitige Rücksicht in einer Gesellschaft massiv gefährden. Barmherzigkeit statt Gesetzestreue Jesus war Jude und fühlte sich dem Gesetz und den Regeln der jüdischen Religion verpflichtet. Jesus betont: Auch nicht ein i-Tüpfelchen (»jota«) vom Gesetz darf entfernt werden (vgl. Mt 5,18). Zugleich umgeht er nicht selten das Gesetz und bricht da und dort die vorgeschriebenen Regeln. Bereits im Alter von zwölf Jahren nimmt er sich die Freiheit heraus, ohne Erlaubnis seiner Eltern nach dem Fest in Jerusalem zu bleiben und mit den Schriftgelehrten im Tempel zu diskutieren (Luk 2, 41 ff.). Einmal erlaubt er seinen Jüngerinnen und Jüngern am Sabbat, Ähren zu essen, was laut Gesetz verboten ist (Mk 2, 27). Er spricht mit Frauen auf Augenhöhe – sogar mit nicht-jüdischen Frauen (Joh 4, 6 ff.). Auch das ist gegen die geltende Vorschrift. Genau besehen sind es nicht die Regeln an sich, die Jesus kritisiert, sondern die Motive, aus denen sie eingehalten werden. Für ihn gelten eindeutige Prioritäten: Gottesgebote stehen vor Menschengeboten. So sagt er zu seinen Eltern, als diese ihn kritisieren: »Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?« (Lk 2,49) Und der Mensch ist wichtiger als das Gesetz: »Der Sabbat wurde für den Menschen gemacht, nicht der Mensch für den Sabbat.« (Mk 2,27) Seine Botschaft: Gottes Liebe ist größer als das Gesetz, Mitgefühl und Barmherzigkeit sind in Gottes Augen wichtiger als reine Gesetzestreue. Auf Gottes Willen hören Der Grund, warum die franziskanische Familie in diesem Jahr besonders über Regeln nachdenkt, liegt darin, dass sie 2023 die 800. Wiederkehr des Tages feiert, an dem der Papst die Regel des Die Autorin Ricarda Moufang ist Musikerin und Buchautorin. Sie leitet Workshops und Seminare zu verschiedenen spirituellen Themen wie christliche Mystik, Buddhismus und Meditation. Der Autor Helmut Schlegel gehört der Deutschen Franziskanerprovinz an. Er ist Meditations- beziehungsweise Exerzitienbegleiter und Buchautor. Der brasilianische Franziskaner Carlos Magno de Souza Santos aus São Luís (siehe auch Titelbild) unterschreibt während seiner Feierlichen Profess die Urkunde über seine endgültige Bindung an den Orden. 11

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