Franziskaner Mission 3 | 2023

dem »Einfältigen« ein dumpfer Tölpel. Dabei sind Einfachheit und Einfalt wichtige christliche Haltungen. Wir bräuchten dafür neue Begriffe. Mit wenigen Worten In seinem Testament erinnert sich Franz von Assisi an die Abfassung der Regel für seine Brüder. Der Herr selbst hatte ihm geoffenbart, nach der Form des heiligen Evangeliums zu leben. »Und ich habe es mit wenigen Worten und in Einfalt schreiben lassen.« (Test 15). Ein kurzer Text nur, wenige Worte, keine ausladenden Erörterungen. »In Einfalt« niedergeschrieben, »simpliciter« heißt das im lateinischen Original, einfach, schlicht, echt. Aber da war alles drin. Veröffentlichungen über eine christliche Moral und Ethik füllen ganze Bibliotheken. Das muss so sein, denn das jesuanische »wichtigste Gebot« der Gottes- und Nächstenliebe gibt auf eine Unzahl konkreter Einzelfragen keine unmittelbare Antwort. Dennoch bleibt es fundamental. Auch die Franziskus-Regel von 1223, die redaktionelle Endstufe einer über ein Jahrzehnt dauernden internen Diskussion in der Bruderschaft, legt nicht im Einzelnen fest, wie franziskanisches Leben am Beginn des 3. Jahrtausends aussieht. Und dennoch enthält sie das, worum es dabei im Wesentlichen geht. Die Übersetzung einer verbindlichen Orientierung aus der Vergangenheit in konkrete Handlungsschritte für heute bleibt anstrengend. Manchmal aber tut es gut, einen Schritt zurückzutreten, um nach der notwendigen Beschäftigung mit den tausend aktuellen Einzelfragen wieder die einfache Ur-Kunde in den Blick zu nehmen: Darum geht es! Eine solche Wiederentdeckung der Einfachheit christlichen und franziskanischen Lebens erfordert Mut. Ich kann mich so in Einzelerörterungen verlieren, dass ich nicht mehr den einfachen Ruf zur Entscheidung höre. Eine ausgefeilte Kasuistik – also für möglichst viele Einzelfälle geregelte Tatbestände zu schaffen – schafft auch bequeme Schlupflöcher, die am Ende alles relativieren. Wenn alles gleich wichtig ist, ist nichts mehr wirklich wichtig. »Lebe das, was du vom Evangelium verstanden hast. Und wenn es noch so wenig ist. Aber lebe es.« Franziskus, davon bin ich überzeugt, würde diesem Satz von Roger Schütz sofort zustimmen. Außerdem ist die Wiederentdeckung der Einfachheit christlichen und franziskanischen Lebens vielleicht gerade heute geboten. »Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort zu stehen, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die euch erfüllt«, heißt es im ersten Petrusbrief (1 Petr 3,15). Wohlgemerkt: jedem und jeder! So dass es jeder und jede versteht. Auf der Grundlage des Evangeliums, so Thomas von Aquin, versteht die berühmte »vetula«, die ein- fache alte Frau, mehr von Gott als der größte Intellektuelle vor Christus. Und was franziskanisches Leben heute bedeutet, sollten wir so einfach und klar leben, dass es für andere sofort einsichtig und überzeugend ist. »Paucis verbis et simpliciter« hat Franziskus die Regel niederschreiben lassen, mit wenigen Worten und ganz einfach. Das Regeljubiläum lädt ein, ebenso heute das Evangelium zu leben, nur mit wenigen Worten und einfach. Der Autor Cornelius Bohl ist Franziskaner und Sekretär für Mission und Evangelisierung. 13

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=