die Brüder im Alltag jeweils eine Anzahl Vaterunser mit oder ohne einen Psalm und dem Credo beten sollen (FQ 72-73). Weitere Kapitel haben das gute Zusammenspiel zwischen den Brüdern im Blick (FQ 73-75, 78-80), Arbeit und Lebensunterhalt (FQ 75-78) und die Art, »wie die Brüder durch die Welt ziehen sollen« (FQ 81-84). Der letzte Teil von Vereinbarungen betrifft spirituelle Quellen und ist wiederum reich an Bibelzitaten (FQ 85-93). Freiheit und Verbindliches Der französische Mittelalterforscher Jacques Dalarun hat scheinbar seltsame Regelpassagen näher erhellt. So heißt es im achten Kapitel der Regel von 1221, »alle Brüder sollen sich in Acht nehmen vor unlauteren Blicken und dem Umgang mit Frauen. Und keiner soll allein mit ihnen beraten oder des Weges ziehen oder bei Tisch mit ihnen aus einer Schüssel essen«. Die folgenden Zitate aus Evangelien und Paulusbriefen machen deutlich, dass es hier um Schwächen der Brüder und nicht um verführerische Frauen geht. Die Brüder werden ermahnt, »Frauen nicht begehrlich« anzuschauen. Das Essen aus demselben Teller oder derselben Schüssel spiegelt Realität und Risiken der brüderlichen Wanderexistenz. Noch ohne eigene Häuser und Klöster, kehrten die Brüder unterwegs in Herbergen und Hospitäler ein, wie es Pilgernde und arme Reisende tun. In überfüllten Herbergen konnte es bei Tisch und in den Lagerstätten eng werden. Die Regel ermahnt die Brüder, durch Erfahrungen klug geworden, Nähe und Distanz so zu wählen, dass sie in »ihrem Herzen nicht Ehebruch begehen«. Und keiner soll Frauen, die sich von ihnen beraten lassen, an sich binden (FQ 80). Ein Missionsstatut Das Kapitel über die Brüder als Boten des Friedens und des Evangeliums unter Un- oder Andersgläubigen spiegelt ebenso frisch wie die Passage über Herbergen ein »Lernen durch Versuch und Irrtum« oder eben aus gelungenen Erfahrungen: Nachdem erste missionarische Expeditionen von Brüdern in Tunesien und Marokko mit provokativem Auftritt gescheitert waren, lässt Franz seine positiven Erfahrungen in Ägypten in die frühe Regel einfließen: Nur »taugliche« Brüder sollen künftig in Länder anderer Religion aufbrechen dürfen, und die Ausgesandten sollen »weder zanken noch streiten«, sondern »jedem Menschen hilfreich begegnen«. Dienstbereitschaft schafft eine Vertrautheit mit anderen Kulturen und Religionen, die auch interreligiöse Begegnung ermöglichen, allerdings erst und nur, wenn die Brüder »sehen, dass es Gott gefällt« (FQ 81-82). Brüder in Form bringen Die Regel von 1221 war für Kardinal Ugo von Ostia zu wenig griffig, um sie päpstlich anerkennen zu lassen. Honorius III. approbierte die definitive Fassung, an der Juristen der päpstlichen Kurie mitarbeiteten, Ende November 1223 feierlich und machte die Franziskaner dadurch offiziell zu einem Orden der lateinischen Kirche. Ugo dei Conti di Segni wird sich später als Papst Gregor IX. in einer Hofbiografie feiern lassen: »Nach seiner Weihe zum Bischof von Ostia erwirkte er während dieser Amtszeit die päpstliche Bestätigung der neuen Orden der Geschwister von der Buße und der eingeschlossenen Frauen. [...] Auch den Orden der Minderbrüder, der anfänglich auf unsicherem Pfade umherschweifte, lenkte er gezielt mit der Satzung einer neuen Regel und brachte dessen formlose Gestalt in Form« (Vita Gregorii IX). Franziskus von Assisi und Schlüsselszenen aus seinem Leben (Guido di Graziano) 8
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