Franziskaner Mission 4 | 2023

2023 Gott wird Mensch 800 Jahre Franziskanerkrippe

FRANZISKANER MISSION erscheint viermal im Jahr und kann als kostenfreies Abo bestellt werden unter Telefon 089-211 26 110 oder muenchen@franziskanermission.de. »Franziskaner Mission« erscheint im Auftrag der Deutschen Franziskanerprovinz von der heiligen Elisabeth – Germania. HERAUSGEBER Franziskaner Mission REDAKTIONSLEITUNG Augustinus Diekmann ofm REDAKTION Dr. Cornelius Bohl ofm, Stefan Federbusch ofm, Natanael Ganter ofm, Joaquin Garay ofm, Heinrich Gockel ofm, Frank Hartmann ofm, Márcia S. Sant'Ana, Eurico Alves da Silva ofm, Fábio de Sousa Barbosa ofm, René Walke ofm, Pia Wohlgemuth GESTALTUNG sec GmbH, Osnabrück‚ DRUCK Bonifatius GmbH, Paderborn Impressum FRANZISKANER MISSION St.-Anna-Straße 19, 80538 München Telefon: 089-211 26 110 Fax: 089-211 26 109 muenchen@franziskanermission.de www.mission.franziskaner.de Spenden erbitten wir, unter Angabe des Verwendungszwecks, auf folgendes Konto: LIGA BANK IBAN DE48 7509 0300 0002 2122 18 BIC GENODEF1M05 Ihre Spendengelder fließen in unsere Hilfsprojekte und nicht in die Produktionskosten dieser Zeitschrift. 2

Liebe Leserin, lieber Leser! Schon wieder ein Jubiläum: Vor genau 800 Jahren organisiert Franz von Assisi in der Heiligen Nacht in Greccio im Rieti-Tal, gut 80 Kilometer nordöstlich von Rom, eine Weihnachtsfeier, die so originell ist, dass sie bis heute eine weltweite Krippenfrömmigkeit inspiriert. Einzelheiten kann ich mir hier sparen, das vorliegende Heft wird Sie zur Genüge darüber informieren. Jubiläen muss man feiern. Aber wie? Sicherlich werden dieses Jahr an Weihnachten besonders viele Krippen aufgestellt, Krippenspiele aufgeführt und Krippenwege angelegt. Und das ist gut so. Ich selbst bin ein großer Krippenfreund. In den Weihnachtstagen verweile ich gerne vor einer Krippendarstellung. Und in einer Zeit, in der immer mehr Menschen nicht mehr wissen, was wir Christen an Weihnachten eigentlich feiern, ist jede Krippe auch eine Verkündigung. Zumindest kann sie neugierig machen. So sehr ich also Krippen auch mag, die 800-Jahr-Feier von Greccio verdient mehr als eine Krippenbastelei, die leicht in eine verspielte Idylle kippt. Genau darum ging es Franziskus gerade nicht. In der Heiligen Nacht von 1223 inszeniert er für sich und die anderen einen Schock: Er wollte, so schreibt es sein erster Biograf, »die bittere Not, die das Kind von Bethlehem zu leiden hatte, wie es in eine Krippe gelegt, an der Ochs und Esel standen, und wie es auf Heu gebettet wurde, so greifbar als möglich mit leiblichen Augen zu schauen«. Bittere Not greifbar anschauen! Auf diese Not gestoßen werden ohne die Möglichkeit zum Wegschauen. Not miterleben, sich von der Not ergreifen lassen. Das ist so ziemlich das genaue Gegenteil von gutbürgerlichen Weihnachtserwartungen. Das kann einem die schönste Heilige Nacht verderben! Aber darum ging es Franziskus. Wie wäre es also mit einem »alternativen Krippenweg«? Ich mache mich auf den Weg zu Menschen, die heute ausgeschlossen werden und draußen sind. Geflüchtete und Migranten. Aber vielleicht auch Bekannte im Seniorenheim. Oder Menschen, die einfach anders sind und darum scheinbar stören. Ich entdecke Orte der Menschwerdung in meiner nächsten Umgebung: eine Beratungsstelle für Suchtkranke, eine Obdachlosenunterkunft, die Kita um die Ecke, eine inklusive WG oder das Mehr-GenerationenWohnprojekt. Ich lasse mich ein ins Gespräch mit den »Hirten« von heute, Menschen am Rand, die sich nach Erlösung sehnen. Aber ich suche ebenso die Begegnung mit den Sterndeutern, den Weisen und Magiern von heute, den Suchenden, die von ganz woanders kommen und fragend unterwegs sind nach einem Ort, an dem sie so etwas wie Sinn und Erfüllung erfahren. Das wäre einmal eine neue Form des Krippenspiels. Viele Proben braucht man da nicht. Dieses Krippenspiel ist immer live und immer überraschend anders. Es ist gut, dass wir Krippen bauen, 800 Jahre nach Greccio. Aber es ist genauso wichtig, dass wir Orte der Menschenwerdung schaffen. Das versuchen wir Franziskaner in unserer weltkirchlichen Arbeit. Und auch darüber berichtet das vorliegende Krippen-Heft. Ich wünsche Ihnen gesegnete Weihnachtstage. P. Cornelius Bohl ofm Sekretär für Mission und Evangelisierung TITEL Das Original unseres Titelbildes befindet sich in der Taufkapelle der Kathedrale von Santa Cruz del Quiché, Guatemala. Die einheimische Malerin Rosamaría Pascual de Gámez hat dieses übergroße Wandgemälde im Jahr 2009 geschaffen. Das Kunstwerk zeigt die Heilige Familie als Angehörige der Maya-Quiché – eines indigenen Volkes mit einer bis heute andauernden Geschichte von Diskriminierung. Die Menschwerdung Gottes in den konkreten Alltag hinein will auch das Schicksal dieses leidenden Volkes vermenschlichen. 3

Inhalt 6 Weihnachten in Greccio Warum Franziskus Jesu Geburt besonders festlich feiern wollte Prof. Dr. Marco Bartoli 8 Friede allen Menschen Franziskus feiert Weihnachten in Greccio Niklaus Kuster OFMcap 10 Das Licht der Krippe Geborgenheit schenken Pascal Schwarz 12 Hoffnung stärken Erinnerungen einer Mutter Flora Okuda fdc 14 Beruf und Berufung Schreinerausbildung in Ruanda Paul Habanabakize 16 Warum spende ich? Beweggründe einer Familie Helga und Armin Lausterer 17 Warum spenden wir? Beweggründe einer Partnerschule Mechthild Hoffmann 18 Mittelseite 20 Sorgende Hirten Hospitalschiff am Amazonas Dom Johannes Bernardo Bahlmann ofm 22 Tiere an der Krippe Geschwisterlichkeit unter den Geschöpfen Vanderval Spadetti 24 »Der Engel sein« Liedtext von Wilhelm Willms 26 Menschen aufnehmen Obdach für Arme und Kranke in Vietnam Chi Thien Vu ofm 28 Kein Platz in der Herberge? Unser Schutz ist das gemeinsame Haus Rodrigo de Castro Amédée Péret ofm 30 Licht und Richtung finden Wenn andere dir den Weg weisen Jadwiga Schurr 32 Flucht ins Ungewisse Wenn Maria, Josef und Jesus heute flüchten würden Frank Hartmann ofm 34 Post aus Assisi 35 Projekt 12 10 14 16

Personalia STANISLAV SCHYROKORADJUK OFM Der Franziskaner Stanislav Schyrokoradjuk ist Bischof von Odessa-Simferopol im Süden der Ukraine am Schwarzen Meer. Er war im Herbst für einige Tage in Deutschland, um an einem Kongress von »Renovabis« teilzunehmen und hat dabei auch das Büro der Franziskaner Mission in München besucht. Teile seiner Diözese sind derzeit unter russischer Besatzung – trotzdem träumt er heute schon vom Wiederaufbau der Ukraine. Seine Erfahrungen als Bischof in einem Kriegsgebiet hat er im aktuellen Heft unserer Schwesterzeitschrift »Franziskaner« in einem Interview geschildert. URBAN SAUERBIER OFM Unser Japanmissionar Urban Sauerbier war im Oktober in der Franziskaner Mission. Mit seinen 90 Jahren ist er noch sehr gut auf den Beinen und scheute sich nicht, seine Verwandten im Sauerland und uns in Dortmund zu besuchen. Ursprünglich aus der Thüringischen Franziskanerprovinz hat Pater Urban fast sein ganzes Ordensleben in Japan verbracht. Seine Stationen waren unter anderen Urawa, Tokyo, Osaka, Iida, Totsuka und als seinen Altensitz jetzt Takikawa auf Hokkaido, wo nach seiner Aussendung als Missionar alles begann. Trotz seines hohen Alters hat Pater Urban seinen Humor nicht verloren: »Ob ich noch einmal in meine Heimat kommen werde, weiß nur der liebe Gott.« XAVIER DURAIRAJ OFM Ende Oktober hat uns in Dortmund Xavier Durairaj, der Provinzial der indischen Franziskanerprovinz, besucht. In seinem Land arbeiten die Brüder, neben pastoralen Diensten, mit Straßenkindern, schutzbedürftigen Frauen, HIV/AIDS-Betroffenen, Leprakranken und Obdachlosen. Bildungsarbeit, gesunde Ernährung, interreligiöser Dialog und Umweltbewusstsein sind ihnen besonders wichtig. Zentral ist in Indien auch die Ausbildung zahlreicher junger Brüder. Provinzial Xavier besuchte auch sieben indische Brüder, die zurzeit in Deutschland (Ahmsen, Ohrbeck, Köln) arbeiten. Deren interkultureller Austausch ist für das zukünftige Missionsverständnis von großer Bedeutung. 24 20 30 22

Die wertvollste Quelle für die denkwürdige Krippenfeier in Greccio ist die »Lebensbeschreibung des heiligen Franziskus«, verfasst von Bruder Thomas von Celano um das Jahr 1228. Der von Franziskus ausgewählte Ort war nichts anderes als eine Felsenhöhle im Wald. Seine Wahl begründet er ausführlich gegenüber dem zuständigen Schlossherrn Giovanni: »Ich möchte nämlich das Gedächtnis an jenes Kind begehen, das in Bethlehem geboren wurde, und ich möchte die bittere Not, die es schon als kleines Kind zu leiden hatte, wie es in eine Krippe gelegt, an der Ochs und Esel standen, und wie es auf Heu gebettet wurde, so greifbar als möglich mit leiblichen Augen schauen.« Für Franziskus reichte es nicht, das Evangelium nur zu hören: Er wollte es mit seinen Augen schauen. Deswegen bittet er den Herrn Giovanni, den Ort vorzubereiten, an dem in der Weihnachtsnacht das Gedenken an ein Kind gefeiert werden soll, das unter Tieren geboren und auf Heu gebettet wurde, da es nirgendwo Platz gab. So wurde TEXT: Prof. Dr. Marco Bartoli | FOTO: Augustinus Diekmann ofm Weihnachten in Greccio Warum Franziskus Jesu Geburt besonders festlich feiern wollte die Felsenhöhle wie ein Stall hergerichtet: »Eine Krippe zurechtgemacht, Heu herbeigebracht, Ochs und Esel herzugeführt … Über der Krippe wird ein Hochamt gefeiert, und ungeahnte Tröstung darf der Priester verspüren.« Franziskus wünscht, in der Weihnachtsnacht die heilige Messe in einem Stall zu feiern: Denn er sieht eine tiefe Verbindung zwischen dem Geheimnis des Altares und der Menschwerdung, 6

zwischen der Eucharistie, in der Gott sich so demütigt, dass er sich unter den Händen des Priesters in Brot verwandelt, und Bethlehem, wo Gott sich so demütigt, dass er als Kind unter Tieren geboren wird. In der »Ersten Ermahnung« an seine Brüder erklärt er ihnen: »Seht doch, täglich erniedrigt er sich (der Sohn Gottes), wie er einst vom königlichen Thron herab in den Schoß der Jungfrau kam. Täglich kommt er selber zu uns und zeigt sich in Demut. Täglich steigt er aus dem Schoß des Vaters in den Händen des Priesters herab auf den Altar.« Franziskus jubelt Während der Eucharistiefeier singt Franziskus, in Levitengewänder gekleidet – denn er war Diakon –, mit wohlklingender Stimme das Evangelium. Das war kein Theaterspiel: Es war ein feierlich gesungenes Hochamt, in dem er auch predigte. Thomas von Celano berichtet: »Dann predigt er dem umstehenden Volk von der Geburt des armen Königs und bricht in lieblichen Lobpreis über die kleine Stadt Bethlehem aus.« Der Kontrast besteht zwischen dem König und dem Armen: Jesus ist der König, zu dem die Sterndeuter aus dem Morgenland kommen, um ihn anzubeten, aber er ist auch ein armes Kind, so arm, dass es mitten unter Tieren geboren und in eine Krippe gelegt wird. Wie so oft bei Franziskus, beschränkt er sich nicht allein aufs Predigen: Er verkündet das Evangelium mit Leib und Seele; einmal geschah es vor dem Papst, dass Franziskus sogar anfing zu tanzen! In dieser Feier ist es die Art und Weise, wie Franziskus die Worte betont und die Aufmerksamkeit der Anwesenden weckt: »Oft, wenn er Christus ›Jesus‹ nennen wollte, nannte er ihn, von übergroßer Liebe erglühend, nur ›das Kind von Bethlehem‹, und wenn er ›Bethlehem‹ aussprach, klang es wie von einem blökenden Lämmlein.« Und jedes Mal, »wenn er das ›Kind von Bethlehem‹ oder ›Jesus‹ nannte, dann leckte er gleichsam mit der Zunge seine Lippen«, als wolle er die Süßigkeit dieser Worte schmecken und festhalten. Für Franziskus ist der Name Gottes nicht »unaussprechlich« wie in der Tradition des Alten Testaments und des Frühen Mittelalters. Für ihn ist der Name Gottes im Gegenteil so süß, dass er geschmeckt und genossen werden kann und den Mund mit großer Süßigkeit erfüllt. Gott ist für ihn immer der Höchste, der König der Könige, der Herr der Herren, aber ein König und Herr, der sich entschied, arm zu werden, Mensch zu werden in einem Kind, das auf dem Weg geboren wurde. Jesus – am Weg geboren Die Liturgie des Weihnachtsfestes in Greccio war gewiss nicht improvisiert, denn viele Jahre hatte Franziskus dieses Geheimnis betrachtet. Das bezeugt das von ihm verfasste »Offizium vom Leiden des Herrn.« Darin erinnerte er sich täglich an die letzten Augenblicke im Leben Jesu. Ein Psalm dieses Offiziums ist dem Weihnachtsfest gewidmet mit dem Jubelruf: »Das ist der Tag, den der Herr gemacht hat, an ihm lasst uns jubeln und frohlocken. Denn das heiligste, geliebte Kind ist uns geschenkt und geboren für uns am Weg und in eine Krippe gelegt worden, weil es keinen Platz in der Herberge hatte.« Er benutzt Worte des Weihnachtsevangeliums und betont: Jesus wurde für uns »auf dem Weg« geboren. Im Evangelium steht der Ausdruck »am Weg« nicht. Sein Gedanke, dass Jesus »auf dem Weg« geboren wurde, betont: Das Kind war ein Flüchtling, ein Obdachloser und Pilger. Zur gleichen Zeit, als Franziskus das Gedächtnis von Bethlehem in Greccio feiern wollte, verfasste er die »Erste (vom Apostolischen Stuhl nicht anerkannte) Ordensregel« für seine Brüder. Darin steht der wichtige Satz: »[Die Brüder] müssen sich freuen, wenn sie sich unter unbedeutenden und verachteten Leuten aufhalten, unter Armen und Schwachen, Kranken und Aussätzigen und Bettlern am Wege.« Auch hier findet sich der Ausdruck »am Weg«. Die Brüder sollen glücklich sein, wenn sie unter denen leben, die »am Weg« leben, genauso wie Jesus »am Weg« geboren wurde. Leben »am Weg« ist ein Herzensanliegen Jesu für seine Nachfolge, so die Belehrung des Franziskus. Vision des Giovanni Was geschah in dieser Nacht in Greccio? Zusammenfassend kann man sagen: Franziskus ließ ein festliches Hochamt in einem Stall, aufgebaut in einer Höhle, feiern, mit einem Altar über einer Krippe, mitten unter Tieren. Dort sang er das Weihnachtsevangelium und predigte darüber. In dieser Feier und mit seiner Predigt hatten die Anwesenden den Eindruck, das Kind, über das er predigte, deutlich zu sehen. Noch besser bezeugt es einer der Teilnehmer, vermutlich derselbe Herr Giovanni (den Franziskus gebeten hatte, alles für die Feier vorzubereiten), mit seiner wunderbaren Vision: »Er sah in der Krippe ein lebloses Knäblein liegen; zu diesem sah er den Heiligen Gottes hinzutreten und das Kind wie aus tiefem Schlaf erwecken.« Für Thomas von Celano ist dieses Zeugnis bedeutsam und er schreibt: »Gar nicht unzutreffend ist diese Vision; denn der Jesusknabe war in vielen Herzen vergessen. Da wurde er in ihnen mit Gottes Gnade durch seinen heiligen Diener Franziskus wieder erweckt und zu eifrigem Gedenken eingeprägt.« Oft glaubte man, im Mittelalter sei jeder von Natur aus Christ gewesen. Das Gegenteil war der Fall: Gott schien in dieser Zeit in den Herzen vieler Menschen wie tot oder zumindest schlafend. Die Feier von Greccio schaffte es, in den Herzen der Anwesenden das Bewusstsein von Gottes Gegenwart im Leben der Menschen neu zu wecken. Franziskus scheint die Menschen seiner Zeit daran erinnern zu wollen: Gott existiert, ja, Gott ist uns Menschen so nah gekommen, dass es möglich ist, ihm in einem Kind, das arm am Weg geboren wird, zu begegnen. Der Autor Marco Bartoli ist Professor an der Päpstlichen Franziskaner-Universität Antonianum in Rom, an der Universität Perugia in Italien und Mitglied der Internationalen Gesellschaft für Franziskanische Studien. Übersetzung aus dem Italienischen: Heinrich Gockel ofm Darstellung im Kloster von Greccio: Franziskus, wie er damals dort das Kind in der Krippe betrachtet 7

Mitte Oktober 2019 in Betlehem: Ein jüdischer Führer spricht in einer Felshöhle, die an die »Geburtsgrotte« grenzt. In solchen Wohnhöhlen hätte damals eine Sippe mit ihren Kindern und Tieren gelebt. Eine niedrige Mauer trennte den Raum der Tiere vom Bereich der Menschen, die nachts auf Matten am Boden ruhten. Auf dieser Mauer und in den Höhlenwänden waren Vertiefungen für das Futter der Tiere. Nachts, wenn Menschen, Schafe und Ziegen schliefen, fanden Säuglinge darin einen bergenden Ort. Die Geburt Jesu werde von der christlichen Antike in diesem Milieu verortet: bei einfachen Leuten am Rand der kleinen Stadt. Nicht Wirtschaftsgebaren haben »Herbergen« verschlossen, sondern jüdische Reinheitsgebote. Die junge Jüdin Maria hätte nie im Leben daran gedacht, ihr Kind in einer Herberge zur Welt zu bringen. Karawansereien waren laut und es herrschte oft ein Gedränge – kein geeigneter Ort für eine Gebärende. Doch schwerer wogen religiöse Normen: Nach damaliger Überzeugung machte eine Geburt alle unrein, die irgendwie mit der Gebärenden selbst oder Orten, Gefäßen und Stoffen einer Geburt in Berührung kamen. Und Reinigungszeremonien waren aufwändig! Das Bild der Geburt Jesu in einer Wohnhöhle verortet die biblische Weihnachtserzählung zutreffender, als es die abendländische Tradition mit Stall und hartherzigem Herbergswirt tut. Müssten unsere Krippenspiele also umgeschrieben werden? Die erste Krippe? Herbergswirte kommen in der Krippeninstallation nicht vor, mit der Franziskus 1223 in der Heiligen Nacht von Greccio feierte. Der Poverello wird fälschlicherweise als Erfinder der Weihnachtskrippe bezeichnet. Die Tatsache, dass es schon vor Franziskus Krippendarstellungen gab, wird auch von modernen Historikern wie Dieter Berg übersehen, der den Irrtum in seiner Franziskusbiografie von 2017 wiederholt. Nachdem Franziskus das feierliche Papstschreiben mit dem definitiven Text der Ordensregel in Rom erhalten hatte, kehrte er nach Fontecolombo in den Sabinerbergen zurück und ver- brachte da den Advent zusammen mit Brüdern. Hier traf er Giovanni, den Herrn von Greccio, der ihn einlud, die Heilige Nacht mit ihm und Menschen des Tales in seinem Dorf zu feiern. Franz bat ihn, für die Feier eine Waldhöhle vorzubereiten, mit Panoramablick über das ganze Rietital. Thomas von Celano, der erste Biograf des Heiligen, beschreibt die Feier detailreich: Giovanni stattet die Höhle wunschgemäß mit Heu und Stroh aus. Ein Bauer führt einen Ochsen und einen Esel herbei. Schafe kommen dazu. Was in dieser Szene fehlt, war ein junges Paar mit einem Neugeborenen. Die Weihnachtsbotschaft bewegt die Anwesenden mit nie erlebter Ergriffenheit. Die Mitternachtsfeier spricht alle Sinne der Brüder und Talbewohnenden an: Ihre Nasen können das Stroh riechen, ihre Ohren die Tiere hören. Dass sich Gottes Liebe schutzlos und verletzlich als Kind in menschliche Arme gelegt hat, darüber predigt Franziskus mit Blick auf das Stroh in der Krippe. Diese blieb deshalb leer, weil der Bruder eine Brücke zur Eucharistie schlug, die über dieser Szene auf einem Tragaltar gefeiert wurde. Sahen Hirten damals Gottes Gegenwart in einem Friede allen Menschen Franziskus feiert Weihnachten in Greccio TEXT: Niklaus Kuster OFMcap | FOTO: Franziskaner Mission Die Rolle des Herbergswirts war unbeliebt in den Krippenspielen, die wir in der Volksschule zur Adventszeit aufführten. Wer schickt denn schon gern ein junges Paar, das die Geburt seines Kindes erwartet, hilflos in die Nacht? Ablehnung statt Mitgefühl? Geschäfte statt Menschlichkeit? So eindringlich die Spielszene ins Heute spricht, so verzerrend und falsch ist sie historisch! Baby, so zeigt sich diese heute im schlichten Brot des Altares. Die Weihnachtsfeier in einer Höhle von Greccio hat nicht nur innovative Kraft, die eine reiche Krippenspieltradition begründet und sich heute weltweit in allen Kulturen entfaltet. Sie hat im damaligen Kontext auch provokative Züge! Assisis Domportal stellt das Jesuskind in jenen Jahren keineswegs als »armen König« dar: Die Gottesmutter sitzt im romanischen Tympanon edel gekleidet auf einem Thron und trägt eine große Krone auf dem Kopf, während sie ihr Kind stillt. Macht und Hoheit kennzeichnen auch in einer Stadt, die den staufischen Grafen kurz zuvor verjagt und eine republikanische Ordnung eingeführt hat, die königliche Würde des Gottessohnes und seiner thronenden Mutter. Franziskus hatte jedoch als junger Kaufmann in Krise die Nähe des »lichtvollen Gottes, der über allem steht«, nicht in Assisis Kloster- und Stadtkirchen gefunden, sondern draußen vor den Toren: im desolaten Landkirchlein San Damiano! Eine Ikone zeigt den Gottessohn da ganz menschlich, halb nackt und schutzlos, mit offenen Augen, offenen Ohren, weit offenen Armen – am Kreuz und zugleich auferstanden. Indem Franziskus darauf mit seiner Stadt brach und nach San Damiano zog, um das zerfallende Kirchlein wiederaufzubauen, provozierte er Assisis Bürgerschaft: Nicht im Prachtdom San Rufino, der neuen Kathedrale für den Weltenherrscher, erfuhr er Gottes Zuwendung, sondern draußen vor den Toren, in einer ärmlichen Kapelle, einem Zufluchtsort der Randständigen und der Kirche des »armen Christus«. Es war der Anfang von Franziskus’ brüderlichem Leben. In Greccio bekräftigte er gegen Ende seines Lebens dieses Credo: Bereits 8

gescheitert, hatte jedoch im Islam eine Gottesfreundschaft und eine Menschenliebe gefunden, die ihn nachhaltig prägte. Hoffnung ohne Grenzen und Geschwisterlichkeit in der einen Menschheitsfamilie leuchtete auch in Passagen der Brüderregel auf, die das päpstliche Rom aus der eben approbierten Fassung wegstrich. Franziskus‘ Weihnachtsfeier erinnert nun daran, dass Gottes Liebe allen Menschen gilt und keine Gewalt sich auf das Evangelium berufen darf. Der Evangelist Matthäus, der die Flucht nach Ägypten erzählt, zieht gegen Ende seines Evangeliums ebenso ernste wie zeitlose Konsequenzen aus der Solidarität, die Gottes Sohn schon in seiner Geburt zu allen Menschen zeigt. Wo immer Menschen hungrig und durstig sind, findet sich Gottes Sohn an ihrer Seite. Wo Menschen nackt und fremd sind, lässt Christus sich mit ihnen kleiden und aufnehmen – oder übersehen und abweisen (Mt 25). Wenn Papst Franziskus heute Flüchtlinge an den Grenzen Europas »unsere Geschwister auf der Suche nach einer sicheren Zukunft nennt«, würde sein Vorbild aus Assisi hinzufügen: und sie sind die Lieblingsgeschwister des Gottessohnes, der selber »für uns am Weg geboren« ist. in seiner Geburt wagt sich Gottes Sohn ganz menschlich und verletzlich in die Welt. Sein irdischer Weg beginnt nicht in Rom, sondern in einem Winkel des römischen Imperiums. Die Geburt geschieht nicht im nahen Palast des Herodes, sondern unter einfachen Leuten. Sie macht keinerlei Schlagzeilen, sondern bewegt zunächst nur Hirten, Menschen am Rand. Pastorale Herausforderung Im Rietital schweift der Blick von den Felshöhlen der Brüder hinüber zum Dorf Greccio und seiner markanten Kirche. Wie seit vielen Jahren schon feiert der Pfarrer dort in jenem Jahr 1223 Weihnachten im lateinischen Messritus. Weit hinten in der Talebene leuchten zudem die Lichter der Stadt Rieti, wo der adelige Bischof das Geburtsfest Gottes in der Kathedrale pontifikal und im Palast rauschend zelebriert. Die Brüder sprechen 1223 in der Eremitage Greccio vom selben Gott wie der Bischof von Rieti – und doch konträr verschieden: ein Gott, der sich aussetzt und auf Stroh betten lässt, ein Gottessohn, der zwischen Schafen, Ochs und Esel zu finden ist, in kalter Nacht und von nackten Felsen umgeben, in menschliche Arme gelegt und an der Brust einer jungen Frau ruhend. Das brüderliche Krippenspiel in der Feier der Heiligen Nacht nimmt zunächst eine pastorale Herausforderung an: Sie macht Gottes Zuwendung fern der kirchlichen Binnenräume und traditioneller Liturgie in der Lebenswelt der Menschen spürbar. Soziale Provokation Im hohen Mittelalter hat die Feier zudem sozial provokative Kraft. Wem wendet Gott sich primär zu? Während sich Städte wie Assisi bürgerliche Freiheit erkämpften, blieb die Landbevölkerung weitgehend leibeigen und abhängig. Freie und gebildete Bürger schauten verächtlich auf Bauernfamilien außerhalb der Stadtmauern, die als kulturlos galten. Gottesgeburt draußen vor den Toren, zwischen Herdentieren, auf Heu und in einer Felshöhle! Franziskus hatte auch die soziale Provokation neu erfasst, die in der biblischen Weihnachtserzählung mitschwingt. Gottes Sohn beginnt seinen Weg von Hirten bewundert, am Rand der Gesellschaft. Und die Fortsetzung der biblischen Geburtsgeschichte spitzt diese Botschaft zu: Ein Despot fürchtet um seine Macht und trachtet dem Kind nach dem Leben. Die Eltern fliehen aus ihrem Land. Jesus hat daher schon als Kleinkind »Migrationshintergrund«. Eine weitere Provokation liegt in der friedenspolitischen Botschaft: Der Ochse stand seit der Zeit der Kirchen- väter für Israel und der Esel für die nichtjüdischen Völker. Indem Franziskus in der engen Höhle von Greccio nur Tiere und keine Menschen zur Krippe stellt, verdeutlicht er, wem »Friede auf Erden« verheißen ist: allen Völkern jeden Glaubens. Die Papstkirche hetzte damals gegen die islamische Welt und suchte den Fünften Kreuzzug zum Erfolg zu führen. Franziskus war vier Jahre zuvor mit seiner Friedensmission in Ägypten Der Autor Niklaus Kuster ist Schweizer Kapuziner. Er lehrt Spiritualität an der Universität Luzern, Spiritualitätsgeschichte an der PTH Münster und Franziskanische Spiritualität an der Ordenshochschule ESEF in Madrid. Vom Rapperswiler Kloster zum Mitleben aus ist er zudem in der Fortbildung, als Autor und Reisebegleiter tätig. Greccio – Hier organisierte Franziskus von Assisi zum Weihnachtsfest 1223 eine lebendige Krippe. 9

So wie die Hirten ohne zu zögern alles zurückließen, um das zu sehen, was der Engel ihnen kundgetan hat, hörten auch wir drei, Matthis, Lilian und ich, den Ruf zum Austausch, zum Gespräch, zum Unterstützen und Solidarisieren. So entschieden wir uns für ein Auslandsjahr im Rahmen des franziskanischen Hilfswerkes »Franziskaner helfen«. Nach unserer Entsendung in Bonn machten wir uns auf die Reise in unser »Betlehem«: Santo Domingo de los Colorados. Unsere »Krippe« war das von Franziskanern geleitete Projekt »Alegría de vivir« (Lebensfreude), eine soziale Einrichtung, eng gekoppelt mit der benachbarten Franziskanerpfarrei. Mit dem Bild einer Krippe verbinde ich Beheimatung, Bleibe und besonders offene Arme. Genau dies wird bei »Alegría de vivir« verwirklicht. Das Projekt verfügt über einen Kindergarten, eine Hausaufgabenbetreuung, ein Projekt für Menschen mit geistiger und körperlicher Einschränkung sowie ein Projekt für Senioren. Wir drei »franziskanische Hirten« haben also alle Hände voll zu tun und packen gerne an. Strahlende Gesichter Um 7:30 Uhr beginnt der Tag im Centro. Zusammen mit den anderen acht Kindergärtnerinnen werden die rund 30 Kinder liebevoll mit »Hola mi amor« begrüßt. Lilian hilft beim Füttern der kleinen Kinder, lernt mit ihnen Farben und Lieder und spielt mit ihnen, bis sie sie mittags zum Schlafen ins Bett bringt. »Auch wenn ich oft erschöpft in der Mittagspause zurück in mein Zimmer komme, bin ich dankbar für die Möglichkeit mit anzupacken und in fröhliche Gesichter der Kinder und ihrer Eltern zu schauen«, erzählt mir Lilian freudestrahlend. Währenddessen arbeiten Matthis und ich im Projekt für Menschen mit Einschränkungen. Nach der Morgenbesprechung im Büro mit den sieben Mitarbeitern machen wir uns jeweils mit einem Kollegen auf den Weg zu den Häusern unserer Projektteilnehmer – meistens zu Fuß, manchmal zu zweit auf einem Motorrad. »Motivation für unsere Arbeit gibt uns das, was uns hinter den Türen erwartet: Menschen, die auf uns warten, die lachen und die sich freuen, dass wir da TEXT: Pascal Schwarz |FOTO: privat Das Licht der Krippe Geborgenheit schenken Gemeinschaftserfahrung als gegenseitige kulturelle Bereicherung sind«, sagt Matthis. Von dem fröhlichen Empfang wird man so manchen Morgen überrumpelt. Nach einem kleinen Plausch mit unseren Freunden und deren Familienangehörigen bearbeiten wir Aufgaben in Mathematik, Sprache oder Kunst, oder wir machen kleine Sportübungen. Unseren SchützKRIPPE Krippe sein heißt, Geborgenheit zu schenken. »Lasst uns nach Betlehem gehen und sehen, was geschehen ist und was der Herr uns kundgetan hat.« (Lk 2,15). Wir lesen diesen Vers aus dem Lukasevangelium nicht nur zur Weihnachtszeit. Er war auch ein Gedanke von uns drei franziskanischen Freiwilligen vor unserer Abreise nach Ecuador in Lateinamerika. 10

nerkloster verbunden. So kommt es oft dazu, dass auch die Franziskanerbrüder des Konventes immer mal wieder vorbeischauen und alle mit einem »Hola, como te va« (Hallo, wie geht es dir) begrüßen. Nach dem Händewaschen geht es für uns und die insgesamt 35 Kinder im Alter von fünf bis 14 Jahren zunächst in den Speisesaal, wo nach einem gemeinsamen Gebet das Essen serviert wird. Suppe, Salat und Reis mit Fisch, Hähnchen oder Bohnen – typisch ecuadorianisch eben. Bereits während des Essens berichten die Kinder ganz aufgeregt von ihren Erlebnissen in der Schule und welche Hausaufgaben wir gleich bearbeiten müssen. Nach dem Abschlussgebet teilen sich die Kinder in die Gruppe der Jüngeren und der Älteren auf. Lebensfreude schenken Wir helfen bei den Hausaufgaben in Englisch und Mathematik und geben innerhalb drei verschiedener NiveauKlassen Englischunterricht. Eine große lingen steht dabei die Freude ins Gesicht geschrieben. Leider müssen wir nach einer halben Stunde wieder aufbrechen, denn die nächste Familie wartet bereits auf uns. Vier Stunden sind wir morgens in den staubigen Straßen Ecuadors von Haus zu Haus unterwegs und merken, wie langsam aber sicher auch hier das Licht der Krippe in die Gesichter der Menschen strahlt. Uns drei Freiwillige fasziniert die Selbstverständlichkeit und Liebe, mit der die Mitarbeiter den Menschen helfen. Aufgrund der herrschenden Armut in Santo Domingo finden diese Benachteiligten sonst keine Unterstützung und Hoffnung, keinen Platz an der Krippe. Nachmittags geht es im Centro weiter mit der Hausaufgabenbetreuung. Die Einrichtung ist direkt mit dem FranziskaDer Autor Pascal Schwarz, 18 Jahre alt, stammt aus Dorsten und macht derzeit einen einjährigen Freiwilligendienst bei den Franziskanern in Santo Domingo de los Colorados, Ecuador. Hilfe sind hier Tablets, die wir durch die Förderung des Franziskanerordens finanzieren konnten. Lern-Apps helfen beim Erarbeiten von Aufgaben und beim Erlernen eines verantwortungsvollen Umgangs mit Medien. Wir sind sehr erstaunt über das große Interesse der Kinder an der englischen Sprache. Wir merken, wie sehr sie aufblühen, wenn wir sie mit neuen Herausforderungen konfrontieren und sie am Ende des Tages neue Erfolge mit nach Hause nehmen. Neben dem Lernerfolg bleibt den Kindern und Eltern vor allem das Gefühl von Gemeinschaft in den Köpfen. Santo Domingo de los Colorados ist eine Stadt, die große Probleme mit Drogenhandel und organisierter Kriminalität hat. Für die Kinder ist diese Gefahr und die damit einhergehende Angst spürbar und begleitet sie täglich. Umso wichtiger ist es, dass mit dem karitativen Zentrum »Alegría de vivir« eine Bleibe geschaffen ist, in die jede und jeder herzlich eingeladen ist. Neben kleinen Beiträgen der Eltern finanziert sich das Zentrum auch durch Mittel des Franziskanerordens und nicht zuletzt durch die Padres, die unermüdlich im Einsatz für die Bevölkerung und Bedürftigen der Stadt sind. Beim Abendessen blicken wir oft auf einen Tag zurück, an dem wir Lächeln und Zuneigung geben durften, selber aber auch durch die Lebensfreude der Menschen beschenkt worden sind. Wir drei sind der Überzeugung, dass die »Krippe« nicht ein vergessener und verstaubter Platz der Vergangenheit ist, sondern hier und heute immer wieder Realität werden darf, wenn wir uns nur darum bemühen. 11

Amuthaire Evelyn (37) gehört zum Volk der Munyankore in Uganda und ist Mitglied der katholischen Gemeinde in Katooma, fünf Kilometer von Rushooka entfernt. Das Foto zeigt sie mit ihrem zweitgeborenen Jungen, geboren am 31. August 2023 im »Mother Francisca Lechner Gesundheitszentrum« in Rushooka. Im Folgenden erzählt sie ihre Geschichte als Teenagermutter. »Auf Bitte von Schwester Flora erzähle ich mein Erlebnis mit meinem erstgeborenen Kind. Zunächst möchte ich Gott danken, dass er mir ein barmherziger Vater ist: Es gab Momente in meinem Leben, in denen ich mir nichts anderes wünschte als den Tod. Aber Gott zeigte mir immer Auswege durch hilfsbereite Menschen. In der Schule wurde ich von einem mir unbekannten Mann vergewaltigt. Ich kann nicht in Worte fassen, wie alles geschah. Als Folge bekam ich nicht nur ein Baby, sondern auch das HIV-Virus. Als mir klar wurde, dass ich vielleicht schwanger geworden war, ging ich in die Klinik zum Schwangerschaftstest, der sich als positiv herausstellte. Danach war ich sehr verwirrt: Denn ich war noch sehr jung, und meine arme Familie hatte mit Kosten für Schulgebühren, Schulkleidung und tägliche Nahrung zu kämpfen. Da es ein Kind eines unbekannten Mannes war, dachte ich zunächst an eine Abtreibung. Denn ein Kind ohne Vater zu haben, wäre eine Schande für mich, für das Kind und auch für meine Familie. Im Dorf würde ich wegen der Schwangerschaft als Sünderin angesehen. Wie sollte es weitergehen? Kraft im Gebet Ich entschloss mich, das Geschehene meiner kranken Mutter anzuvertrauen. Sie ist Diabetikerin und leidet unter Bluthochdruck. Als sie mich hoffnungsvoll anschaute, spürte ich die Kraft Gottes durch die Gebete meiner Seelsorger. Als ich begann, ihr die Geschichte zu erzählen, hob sie mich vom Boden auf, wo ich kniete, umarmte mich, und wir beide weinten zusammen. Sie sagte: ›Das Leben ist ein Geschenk Gottes, dieses Kind ist unschuldig und niemand hat das Recht, es zu töten.‹ Sofort wurde ich getröstet. Dann sagte sie mir, ich solle eine Geburtsklinik besuchen, was für jede schwangere Mutter Pflicht ist. Ich akzeptierte ihren Rat. Am nächsten Tag fuhren wir gemeinsam zum Mother Francisca Lechner Gesundheitszentrum nach Rushooka. Nach der Gesundheitsaufklärung durch die Hebamme willigte ich in alle Routineuntersuchungen ein. Das Ergebnis: HIV-positiv. Meine Tränen flossen, denn ich wusste: Schuld war die Vergewaltigung. Wieder tröstete mich meine Mutter und sagte: ›Liebe Tochter, Du hast es nicht gesucht! Gott ist mit Dir und dem Baby: Hab keine Angst, ihr seid in Eurem Zuhause, lasst uns gemeinsam kämpfen!‹ Für mich war dies die Stimme Gottes: Mit ihrer Ermutigung meldete ich mich für die Routinemedikation an, die ich bis zu meinem Tod nehmen muss. Während meiner Schwangerschaft habe ich gekämpft und mich gefragt: Wird auch mein Kind das Virus bekommen? Viele Gedanken gingen mir durch den Kopf, aber ich fand Kraft im Gebet. Gemeindemitglieder besuchten mich regelmäßig. Und ich versuchte, Hoffnung stärken Erinnerungen einer Mutter alle Ratschläge des medizinischen Personals hinsichtlich Medikamenteneinnahme, vorgeburtlicher Untersuchungen und Ernährung zu befolgen. Während der Schwangerschaft machte ich mir viele Sorgen: Um die Gesundheit meines Babys, die richtige Ernährung (wegen täglicher Einnahme von Medikamenten), Kleidung fürs Baby, die Bezahlung der Krankenhausrechnungen, ferner um die Zukunft des Kindes mit einem unbekannten Vater. Außerdem fragte ich mich: Wer wird mich heiraten wollen, da ich HIV-positiv bin? Ich hatte Angst, auch Familienmitglieder mit dem Virus anstecken zu können. Während meine Schwangerschaft waren Tränen an der Tagesordnung. Aber Gott stand mir zur Seite mit meiner Mutter und hilfsbereiten Menschen aus der Gemeinde. Gott wird sorgen Es kam die Zeit der Geburt: Ich wurde angewiesen, sobald die Wehen einsetzen, das Medikament Nevirapin einzunehmen. Die Klinik hatte mir die Tabletten als Prophylaxe verschrieben, um das Baby während des Entbindungsprozesses nicht zu infizieren. Ich nahm die Tablette, kam schnell ins Krankenhaus, und sofort kümmerte sich die Hebamme um mich. Ich schilderte Schwester Marlene Webler fdc, Leiterin des Gesundheitszentrums, die Armut meiner Eltern und sie beschwichtigte mich: ›Mach Dir keine Sorgen wegen NIEDERSCHRIFT UND FOTOS: Flora Okuda fdc MARIA 12

für die Gesundheit meines Babys, stillte es sechs Monate lang und entwöhnte es. Regelmäßig brachte ich es zum PCRTest und nach 18 Monaten wurde mein Kind negativ auf das HIV-Virus getestet: An diesem Tag war ich die glücklichste Mutter unter der Sonne. Nun wuchs mein Mädchen gesund heran, und auch ich hatte keine größeren gesundheitlichen Probleme dank der Medikamente. Ich dankte Gott und den Schwestern des Gesundheitszentrums in Rushooka für ihre Sorge um hilfsbedürftige Mütter. Mit Hilfe meiner Mutter wurde ich selbstständig und begann ein kleines Geschäft, um für die täglichen Lebensmittel und Grundbedürfnisse selbst sorgen zu können. der Krankenhausrechnung: Gott wird sorgen!‹ Das beruhigte mich, und ich dankte Gott. Als mein kleines Mädchen geboren wurde, bekam es schöne Kleidung angezogen und wurde in meine Arme gelegt. Sie sah aus wie eine Königin! Ich konnte meinen Augen nicht trauen: Alle meine Sorgen waren verschwunden, zumal in Rushooka auch alle armen Mütter, die hier im Gesundheitszentrum entbinden, ein komplettes Paket Babykleidung geschenkt bekommen. Mein Wochenbett verlief glücklich und zufrieden, weil Gott meine Gebete durch Schwester Marlene erhörte. Nach 24 Stunden wurde ich entlassen und kam nach sechs Tagen zur Nachuntersuchung zurück: Alles war in Ordnung! Ich befolgte die Anweisungen der Ärzte Schilderung: Amuthaire Evelyn Niederschrift: Flora Okuda fdc Übersetzung aus dem Englischen: Heinrich Gockel ofm Nach Franziska Lechner (1833–1894), Gründerin der Kongregation der Töchter der göttlichen Liebe (FDC – Filiae Divinae Caritatis), ist das Gesundheitszentrum in Rushooka benannt. Sr. Marlene und Sr. Flora gehören zu dieser Kongregation. Gott wirkt Wunder Nach all dem oben Gesagten heiratete ich einen Mann, der mich mit meinem Gesundheitszustand akzeptierte. Aber leider sind wir kein harmonisches Paar mehr: In den letzten Monaten ist er, obwohl er der Vater meines zweiten Kindes ist, untreu geworden. Als ich mit dem zweiten Baby operiert werden sollte, wegen Myome in der Gebärmutter, war eine natürliche Geburt nicht möglich. Ich berichtete ihm über das Gespräch mit dem Gynäkologen, der mich operieren wollte, und von den bevorstehenden Krankenhauskosten: Er weigerte sich, die Rechnungen zu übernehmen und brachte bereits die andere Frau mit ins Haus. So begann meine zweite Verzweiflung, aber Schwester Marlene half mir erneut. Nach der Operation sagte mir der Arzt: ›Das Problem mit der Rechnung braucht erst nach sechs Monaten gelöst zu werden.‹ In all diesen Situationen erlebte ich, wie Gott Wunder wirkte in meinem Leben. Ich bin überzeugt: Es gibt Hoffnung für die Hoffnungslosen. Gott macht keine Fehler. Eine Tür schließt sich, eine andere Tür öffnet sich. Der Name Gottes sei gepriesen, denn er ist bei uns auf all unseren Wegen.« Amuthaire Evelyn und ihr zweites Kind 13

Die damaligen Sorgen des heiligen Josef verstehen wir Schreinermeister an unserer Pater-Vjeko-Schule in Kivumu sehr gut. Auch wir tragen Sorge für unsere Familien und die uns anvertrauten jungen Menschen in Ausbildung. Josefs Verantwortung für Jesus und seine Mutter begann mit der Weisung eines Engels, der ihm nachts im Traum erschien. Eigentlich wollte er Maria, die, bevor sie zusammengekommen waren, ein Kind erwartete, in aller Stille verlassen, da er glaubte, sie sei ihm untreu geworden. Doch der Zimmermann aus Nazareth nahm demütig die ihm von Gott übertragene Verantwortung an, für Maria und Jesus, den menschgewordenen Sohn Gottes, zu sorgen. Josef verstand es, auf seine Weise am Plan Gottes zum Heil der Menschen mitzuwirken. Sich in die Lage des heiligen Josef zu versetzen, ist nicht leicht. Doch wir sind uns unserer Verantwortung bewusst, die wir für junge Menschen in der Ausbildung zum Schreinerhandwerk übernommen haben. Die Freude des Josef an der Krippe motiviert uns, für unsere Lehrlinge zuverlässige Lehrmeister zu sein. Auch unsere Auszubildenden bemühen sich, ihre Aufgaben gewissenhaft wahrzunehmen, wie Josef es bei der Weihnachtskrippe in Bethlehem und in seiner Werkstatt in Nazareth getan hat. Sie zeigen Verständnis füreinander, helfen sich gegenseitig und möchten, dass niemand beim praktischen oder theoretischen Unterricht zurückgelassen wird. Stets haben sie die gesamte Schule im Blick. Die Weihnachtskrippe ist ein prophetisches Zeichen und erinnert TEXT: Paul Habanabakize | FOTO: Pater-Vjeko-Schule Beruf und Berufung Schreinerausbildung in Ruanda an das Wunder und die Freude, ein neugeborenes Kind willkommen zu heißen. Auf diese Weise verstehen unsere ›Josefs‹ die Pater-Vjeko-Schule als wichtigen Ort, um ihre Träume zu verwirklichen, wenn sie wachsam bleiben, wie es Josef an der Krippe war. Wegen seines guten Charakters schätzen wir den heiligen Josef und möchten als Ausbilder unsere Lehrlinge mit ganzem Herzen bei ihrer Arbeit sehen. Denn es ist ja ihre Berufung. Herausforderungen Wir ›Josefs‹ begegnen an unserer Schule einigen Herausforderungen und haben Zukunftspläne: So wünschen wir zum Beispiel, dass jeder Lehrling zum Ende seiner Ausbildung ein wichtiges Werkzeug, also zum Beispiel einen Hobel, erhält, damit er seinen Beruf kompetent ausüben und erfolgreich für den Lebensunterhalt seiner Familie sorgen kann. Gerne möchten wir auch jungen Frauen die Ausbildung zum Schreinerberuf ermöglichen. Dabei müssen wir oft gegen verbreitete Vorurteile – Tischlerei sei nur die Arbeit von Männern und nicht von Frauen – ankämpfen. Auch fehlen wichtige Kommunikationsmittel, um unsere Arbeiten bekannt zu machen und um denjenigen helfen zu können, die finanzielle Unterstützung brauchen. Ferner erleben wir öfters den Mangel an Holz, da Wälder im Land vielfach rücksichtslos abgeholzt werden. JOSEF 14

Und wenn wir das Material dann bekommen können, müssen wir extrem hohe Preise bezahlen. Deswegen wünschen wir uns eigenes Land, auf dem wir Bäume für unseren Eigenbedarf pflanzen können, um so nächste Generationen im Handwerk der Schreiner und Zimmerer erfolgreich auszubilden. Weiterhin möchten wir unsere Schreinerabteilung jungen Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen öffnen. Unsere ›Josefs‹ verstehen, dass Frauen in Ruanda in familiären Angelegenheiten, besonders den Herausforderungen der Kindererziehung, nicht allein gelassen werden wollen. So versuchen alle ihr Bestes, um gemeinsam – wie Josef und Maria miteinander für Jesus sorgten – für ihre Familien da zu sein und nicht egoistisch nur an sich selbst zu denken. Bedeutung des Handwerks Mit der Ausbildung im Schreinerhandwerk hoffen wir, unserer jungen Generation zu helfen, damit sie in Zukunft gut für sich selbst, ihre Familien und die Gesellschaft im Allgemeinen sorgen können. Mit ihrem Können tragen sie bei zum Bau neuer Wohnungen, Büros, Krankenhäuser, Schulen und Fabriken, die dem Wohl aller Menschen im Land dienen. Zurzeit gibt es im Baugewerbe viele offene Stellen, sodass der Beruf von Schreinern und Zimmerern erfreuliche Zukunftsaussichten hat. Schreiner und Zimmerer müssen zwar hart arbeiten, aber am Ende des Tages können sie für sich selbst und ihre Familien sorgen und ihre Kinder und die von Verwandten und Freunden in die Schule schicken. Die heutige Generation ist unsere Zukunft: Wir sind stolz auf unsere jungen Lehrlinge, die die Schreinerausbildung ernst nehmen: Sie helfen anderen, ihre Pflichten zu erfüllen, und dienen weiterhin der Gesellschaft. Wir sind bereit, die Rolle des heiligen Josef anzunehmen, indem wir für junge Auszubildende Verantwortung übernehmen. Josef hat Maria geholfen, ihr Kind zur Welt zu bringen, und sich selbst um den kleinen Jesus gekümmert, der Freude, Frieden und Segen in die Welt bringen sollte. Gewiss ist es nicht einfach, ein fremdes Kind, das nicht mit einem verwandt ist, zu erziehen und für es zu sorgen. Bedürftige im Blick Gut ausgebildete ›Josefs‹ sind nicht nur für ihre Familien, sondern auch für die Gesellschaft Ruandas wichtig, um nachhaltige Lebensperspektiven für zukünftige Generationen zu schaffen. Wir arbeiten nicht nur für unsere Familien und Freunde, sondern wir versuchen Der Autor Paul Habanabakize erhielt an der Pater-Vjeko-Schule in Kivumu, Ruanda, seine Ausbildung und ist seit 15 Jahren dort als Lehrmeister im Schreinerhandwerk tätig. Übersetzung aus dem Englischen: Heinrich Gockel ofm auch unser Bestes, um ein Fundament zu schaffen, das für alle kommenden Generationen nützlich sein wird. So wie der heilige Josef seinen Job geliebt und sich um die Heilige Familie von Nazareth gekümmert hat, so können auch wir Ausbilder unsere Lehrlinge anleiten, selbst Verantwortung für die ihnen anvertrauten Menschen zu übernehmen. Gerne möchten wir unsere Pläne verwirklichen. Aber die Armut setzt uns immer wieder Grenzen. Trotzdem geben wir die Hoffnung nicht auf, dass wir es eines Tages schaffen werden. Gewiss ist es nicht leicht, Verantwortung zu übernehmen, wie der heilige Josef sie an der Krippe übernommen hat, aber es ist möglich, solange wir von unserer Aufgabe überzeugt sind. Sich um andere zu kümmern, ist ein Beitrag zum gemeinsamen Frieden im Land. Gottseidank gibt es Menschen, die bereits begonnen haben, das Gleiche wie der heilige Josef zu tun, indem sie anderen helfen, körperlich und geistig zu wachsen. Dies ist zum Beispiel bei unseren Wohltätern der Fall. Wir danken allen, die unsere Berufsschule großzügig unterstützen. Sie arbeiten und schwitzen nicht zu ihrem Vorteil, sondern zum Wohle von uns ›Josefs‹ in Kivumu, die noch immer auf Gönner und Förderer angewiesen sind. Als der heilige Josef aufgefordert wurde, Maria zu sich nach Hause zu holen, um für sie und das Kind in ihrem Schoß zu sorgen, dachte er in seinem Herzen darüber nach, wie er für das Kind, das nicht von seinem Blut war, Sorge tragen könne. Er öffnete seinen Verstand und sein Herz und nahm Gottes Willen an. Möge der heilige Josef, Patron der Arbeiter, Handwerker und Schreiner, helfen, unsere Arbeit an der PaterVjeko-Schule gewissenhaft zu erfüllen. 15

KÖNIGE Die Heiligen Drei Könige bringen dem neugeborenen Jesuskind Geschenke. Sie machen sich auf den Weg zur Not und helfen, wo Hilfe notwendig ist. Und dabei werden sie selbst beschenkt. Wie halten Menschen es heute mit dem Helfen? Warum spenden wir? Warum spende ich? Beweggründe einer Familie Helga Lausterer In der Weihnachtszeit, wenn ich vor der Krippe stehe, die mir mein Vater gebastelt und geschenkt hat, richtet sich mein Blick auf das Jesuskind. Aus der Ferne nähern sich die Heiligen Drei Könige. Sie bringen dem Neugeborenen wertvolle Geschenke: Gold, Weihrauch und Myrrhe. Warum bringen wir Bedürftigen Gaben und Geschenke? Ich bin in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen, in dem ne- ben dem Glauben auch Nächstenliebe vorgelebt wird. Deshalb habe ich wahr- scheinlich auch den Beruf einer Kranken- schwester und OP-Schwester erlernt. Für mich gibt es einige Gründe, warum ich spende. Zuerst empfinde ich tiefes Mitleid, wenn ich sehe, wie sich Menschen in Not jeglicher Art befinden. Ich bin dankbar für das, was ich habe. Mir geht es gut und deshalb habe ich die Verantwortung zu helfen, wenn ich kann. Es erfüllt mich mit Sinnhaftigkeit und einem Gefühl von großer innerer Freude. Dieses Gefühl ist unbezahlbar. Meine Spenden haben die Kraft, Leben zu verändern und Hoffnung zu schenken. Ich freue mich auch jedes Mal über Fotos oder Berichte von unseren finanzierten Projekten. Und es gibt nichts Schöneres als strahlende Augen auf den Fotos. Eigentlich müsste ich noch mehr von meinem Überfluss abgeben, aber davor habe ich Angst und das Vertrauen in Gott, dass Er immer für uns sorgt, ist zu klein. Meine Spenden sind Geschenke an Menschen in Not und sie tragen dazu bei, die Menschwerdung in unserer Zeit zu verwirklichen. Ich bin erfüllt von dem Wunsch, weiter zu helfen und die Franziskaner Mission und ihre Arbeit zu unterstützen. Armin Lausterer Vor vielen Jahren stieß ich auf das Gleichnis des reichen Kornbauern: »Es war ein reicher Mann, dessen Land hatte gut getragen. Und er dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun?« (Lk12,16). Er fasst den Entschluss, seine zu kleinen Scheunen abzubrechen und größere zu bauen. So konnte er seinen Vorrat lagern und sich für den Rest seines Lebens absichern. Doch Gott bezeichnet ihn als Narr, denn was nützen ihm all seine Schätze, wenn er in dieser Nacht sterben würde und er nicht reich im Sinne Gottes sei? Gott schenkt dem Einen reiche Ernte, die weit über dessen Bedürfnisse hinausgehen, während andere in bitterer Armut und Not leben. Warum ist das so, wenn er doch alle Menschen liebt? Ich persönlich glaube, wenn uns Gott mehr schenkt, als wir wirklich brauchen, so ist dieses »Mehr« für jemand anderen bestimmt. Dieses »Mehr« gehört mir nicht, ich bin lediglich der Verwalter dieses Geschenkes. Mit meiner Spende gebe ich aus freiem Willen das Geschenk weiter, welches nicht für mich allein bestimmt war. Ich empfinde tiefe Dankbarkeit dafür, dass Gott meiner Familie und mir Tag für Tag, Jahr für Jahr direkt alles gibt, was wir benötigen. Es erfüllt mich mit großer Freude und Zufriedenheit, dass jemanden anderes durch mein Zutun Gottes Geschenk erhält. TEXT UND FOTO: Helga und Armin Lausterer Die Autorin Helga Lausterer ist 54 Jahre alt, OP-Schwester und katholisch. Ihr Mann Armin Lausterer ist 57 Jahre alt, Diplomingenieur und evangelisch. Sie haben zwei Töchter: Svenja Lausterer, 20 Jahre alt, Studentin Physiotherapie, und Marie Lausterer, 18 Jahre alt, Abiturientin. 16 | 17

TEXT ZUR MITTELSEITE Das Gemälde auf der folgenden Mittelseite stammt von der Künstlerin und Diplom-Designerin Anita Jäger (www.atelierblueart.de). Zu ihrem Werk, das speziell zu dieser Jubiläumsausgabe »800 Jahre Krippe in Greccio« entstanden ist, hat die Malerin folgende Deutung: Die Nacht steht symbolisch für das, was die Menschen aktuell erleiden müssen. Sie wird erhellt durch die Gestirne Mond und Sterne, die uns Orientierung geben und den Weg weisen. Der Weg führt zu einer zerklüfteten Landschaft, die ein unbeschreibliches Wunder birgt: Die Geburt von Gottes Sohn! Dieses Ereignis überstrahlt alles Dunkle im Innern der Welt. Menschen sind von überall her gekommen mit all ihrem Hab und Gut, um hier Heilung und Frieden zu finden. Getragen und umfangen wir dieser »Schatz« von Franziskus, der diese Botschaft in sich aufnimmt und in die Welt trägt. Die Autorin Mechthild Hoffmann ist ehemalige Leiterin der ComeniusGrundschule Dortmund und hat diese Partnerschaft 2005 ins Leben gerufen. Warum spenden wir? Beweggründe einer Partnerschule In der Schulgemeinschaft der Comenius-Grundschule kam der Wunsch nach einer langfristigen Unterstützung von hilfsbedürftigen Menschen auf. Wir waren auf der Suche nach einem Projekt, mit dem sich besonders unsere Grundschulkinder identifizieren können. Seit dem Jahr 2005 unterstützen wir nunmehr die Schule CONASA (Colégio de Nossa Senhora dos Anjos) im brasilianischen Bacabal. Mit unseren Spenden fördern wir besonders die Schulspeisung der Kinder und die Finanzierung der Monatsgehälter der Lehrkräfte. Unsere deutschen Schulkinder werden im Rahmen einer regelmäßig durchgeführten Projektwoche über das Leben der brasilianischen Kinder informiert und lernen die Unterschiede zu ihrem eigenen Lebensstandard kennen. So ist es zum Beispiel in Brasilien längst nicht selbstverständlich, zur Schule gehen zu dürfen oder eine geregelte Mahlzeit am Tag zu bekommen. Die Kinder dort leben nicht selten auf der Straße und müssen mit ihrer Arbeit die eigene Familie unterstützen. Unsere Erfahrung zeigt, dass Kinder in der Regel sehr empathiefähig sind und den bedürftigen Kindern auf der anderen Seite des Atlantiks viel Solidarität entgegenbringen. Mehr denn je ist es in der heutigen Zeit erforderlich, den Kindern Werte wie Teilen und Hilfsbereitschaft zu vermitteln. Mit einer Selbstverständlichkeit werden nach so vielen Jahren die Einnahmen bei Projektwochen, Kollekten in Schulgottesdiensten oder die Erlöse aus kleinen Bastelaktionen von Schulklassen an die Partnerschule weitergegeben. Unsere Schulgemeinschaft ist weiterhin sehr begeistert von diesem Projekt und wird auch in Zukunft weiter an dieser Brücke nach Brasilien bauen. Immer wieder gibt es erschütternde Katastrophen auf der ganzen Welt – besonders in den ärmsten Ländern dieser Erde. Da tut es Not, auch heute noch »Könige« zu haben, die einem Stern folgen und ihre Gaben bringen. TEXT: Mechthild Hoffmann | ABBILDUNG: Comenius-Grundschule

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=