Familien, Kinder und ältere Menschen unabhängig vom Geschlecht, die weder ein Dach über dem Kopf noch einen Ort haben, an dem sie ihr Hab und Gut aufbewahren und in Ruhe schlafen können. 90 Prozent von ihnen können lesen und schreiben, und 68 Prozent haben bereits ein gesichertes Beschäftigungsverhältnis. Das sind Menschen, die eine Chance brauchen, um aus der Obdachlosigkeit herauszukommen. Sorge um Kinder Gewalt ist eine weitere offene Wunde in Brasilien, die SEFRAS täglich herausfordert. Juliana, 11 Jahre alt, ist eines der Kinder, die in der franziskanischen Einrichtung in der Stadt Duque de Caxias, Rio de Janeiro, betreut werden. Dort kümmern sich die Franziskaner um Kinder in einer Region, in der Drogenhandel und Zusammenstöße mit der Polizei ein hohes Maß an Gewalt verursachen. Wie Juliana leben Hunderte von Kindern und Jugendlichen mit Schießereien, dem Verlust von Familie und Freunden und der Angst, auf die Straße zu gehen. Das alles wirkt sich mit erheblichen Defiziten auf ihre Schulbildung und ihre Entwicklungsmöglichkeiten aus. Abgesehen von der strukturellen Gewalt, die Julianas Leben beeinflusst, lebte sie bis zu ihrem zehnten Lebensjahr bei ihrer Mutter und ihren Geschwistern. Sie hatte keine Geburtsurkunde oder Ausweispapiere, war nie in der Schule und hat keine Impfungen erhalten. Ihre Mutter, die unter schweren psychischen Problemen leidet, war nicht in der Lage, für sich selbst zu sorgen, geschweige denn für ihre Tochter. Nach wiederholten Anzeigen von Nachbarn beim Jugendamt zog Juliana zu ihrer Großmutter, die sich an SEFRAS wandte, um sich beraten zu lassen. Sie wurde an die Justiz verwiesen, damit Juliana ihre Geburtsurkunde erhält. Danach konnte das Mädchen oder mietete Zimmer in Pensionen. Er verlor allmählich den Kontakt zu seiner Familie. In den letzten Jahren kam er regelmäßig als Gast zur Suppenküche (»Chá do Padre«) von SEFRAS. Die Essensvergabe findet im Zentrum der Millionenstadt São Paulo statt. Dort bekommen obdachlose Menschen eine Mahlzeit, können duschen und werden durch psychologische Betreuung oder sozialpädagogische Aktivitäten betreut. Während einer dieser Sitzungen wurde Manoel geraten, sich nach einer finanziellen Unterstützung umzusehen, damit er von der Straße wegkommt. Es war ein langer Weg trotz Unterstützung von SEFRAS, bis Manoel die Straße verlassen und ein Zimmer in einer Pension mieten konnte. Das Geld reicht jedoch immer noch nicht aus, um Medikamente, Lebensmittel, Kleidung und andere Ausgaben zu bezahlen, sodass Manoel weiterhin auf die Suppenküche angewiesen ist. Jeden Tag bekommt er Frühstück, Mittag- und Abendessen, und jede Woche nimmt er an einer Seniorengruppe teil, deren Mitglieder teilweise noch obdachlos sind oder gerade versuchen, das Leben auf den Straßen zu verlassen. Bei dem Gruppentreffen wiederholt er immer, dass er ohne die Suppenküche hungern würde. Die staatliche Unterstützung, die er seit Kurzem erhält, reicht nicht für die Grundversorgung aus. Manoel hungert nicht mehr – aber weitere 33 Millionen Brasilianer, die jeden Tag nicht ausreichend zu essen oder sogar gar nichts auf ihren Tellern haben. Es sind nicht nur Obdachlose, die bei SEFRAS dreimal täglich Essen bekommen. Jeden Tag gibt SEFRAS 4.000 Mahlzeiten für alle betreuten Personen aus. Und es kommen jeden Tag mehr Menschen zu den Hilfsstationen. Denn die wirtschaftliche und soziale Krise während der COVID-19-Pandemie und jetzt während des Kriegs zwischen Russland und der Ukraine hat die Lebenshaltungskosten in Brasilien drastisch erhöht. In Brasilien sind nach neuesten Untersuchungen rund 227.000 Menschen obdachlos, was einem Anstieg von 935 Prozent innerhalb von 10 Jahren entspricht. Es handelt sich um ordnungsgemäß von der öffentlichen Gesundheitsvorsorge medizinisch versorgt werden und entsprechend altersbedingte Impfungen erhalten und letztendlich die Schule besuchen. Leider ist Juliana nicht das einzige Kind, dem seine Rechte in Brasilien verweigert werden. Laut einem Bericht mit dem Titel »Scenario of Childhood and Adolescence in Brazil 2023« leben hier 10,6 Millionen Kinder und Jugendliche im Alter von 0 bis 14 Jahren in extremer Armut, mit einem monatlichen ProKopf-Haushaltseinkommen von höchstens einem Viertel des Mindestlohns, was ungefähr 65 Euro entspricht. Diese Zahl umfasst 24,1 Prozent der Menschen in der Altersgruppe 0 bis 14 und ist im Vergleich zur Erhebung im Jahr 2020 um 38 Prozent gestiegen. Diese Kinder und Jugendlichen leiden unter dem fehlenden Zugang zu Bildung und zur Gesundheitsversorgung und leiden unter Kinderarbeit und sexueller Ausbeutung. Für diese Situation und so viele andere, die täglich bei SEFRAS auftreten, ist Fürsorge von grundlegender Bedeutung und impliziert ein liebevolles Handeln: nicht nur bezüglich materieller Bedürfnisse, sondern für alle Dimensionen des menschlichen Lebens. Nach Leonardo Boff (brasilianischer Befreiungstheologe) ist »Fürsorge mehr als eine Handlung; sie ist eine Haltung. Daher umfasst sie mehr als nur einen Moment der Aufmerksamkeit. Sie stellt eine Haltung der Beschäftigung, der Sorge, der Verantwortlichkeit und der affektiven Beteiligung am anderen dar«. Es ist die Fürsorge, die stärkt, die Wunden heilt, die das Lächeln und die Hoffnung wiederherstellt. Sie mobilisiert, bringt Menschen zusammen und vermenschlicht sie, und sie kann neue Formen des Lebens und des brüderlichen Zusammenlebens schaffen. Die Autorin Rosângela Helena Pezoti hat in Sozialwissenschaften an der Päpstlichen Katholischen Universität in São Paulo, Brasilien, promoviert. Sie koordiniert heute den Bereich politische Soziologie beim »Franziskanischen Solidaritätsdienst« (SEFRAS) Übersetzung aus dem Portugiesischen: Márcia Santos Sant’Ana 13
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