Während seines 40-tägigen Fastens auf dem Berg La Verna im Jahr 1224 drückt Franziskus seinen Wunsch aus, sich voll und ganz mit Christus zu identifizieren. Er bittet darum, nicht nur den Schmerz Jesu zu fühlen, sondern auch den Grund und die Motivation für diesen Schmerz, nämlich die Liebe Jesu zur ganzen Menschheit. In der heutigen Welt finden wir eine schmerzhafte Situation vor, die sich in der globalen Spaltung durch Kriege, Klimawandel und die allgemeine Zunahme von Armut ausdrückt und die vielerorts große Migrations- und Fluchtbewegungen verursacht. Die Schmerzen, die wir in Bolivien erleiden, sind ge- kennzeichnet von einer weit verbreiteten Korruption, bei der die Justiz von der Regierung manipuliert und missbraucht wird, begleitet von einer Zunahme des Drogenhandels und des Drogenschmuggels. Wir sind außerdem Zeugen einer ernsthaften Zerstörung der Naturschutzgebiete und der ausgewiesenen Stammesgebiete der Indigenen durch die Ausweitung von landwirtschaftlichen Flächen. Diese Flächen dienen dann hauptsächlich dem Kokaanbau und weiteren Monokulturen von Großgrundbesitzern. Verheerend ist daneben auch der Raubbau an der Natur durch den Abbau von Rohstoffen – sei es durch die Lithiumgewinnung ohne Rücksicht auf die Erhaltung der Natur oder durch das illegale und mit giftigen Substanzen verbundene Goldschürfen. Es macht traurig, wenn man außerdem sieht, in welcher Menge Holz aus dem Urwald geschafft wird. Es gibt zwar festgelegte Höchstgrenzen, aber niemand kontrolliert sie. Nach dem Konflikt von 2019 im Rahmen der Präsidentschaftswahl und der Rückkehr der MAS (Movimiento Al Socialismo) in die Regierung erleben wir interne Auseinandersetzungen um die legitime Vertretung innerhalb der Partei. Sowohl der derzeitige Präsident Luis Arce als auch der ehemalige Präsident Evo Morales haben angekündigt, bei den nächsten Wahlen im Jahr 2025 zu kandidieren. Armut trotz Reichtum Bolivien ist ein Land mit vielen natürlichen Reichtümern aufgrund seiner unterschiedlichen Klimazonen, die eine große Artenvielfalt in Flora und Fauna begünstigen. Dazu kommen Rohstoffe wie Gold und Silber, Zinn, Erz, Lithium, Erdgas und andere. Die verschiedenen Regierungen, zuerst in den Militärdiktaturen und dann in der demokratischen Ära, haben jedoch die Nutzung dieser Ressourcen nicht nachhaltig entwickelt. Sie haben sich Option für die Armen Soziales Engagement in Bolivien auf den Verkauf der Rohstoffe und Schürfrechte an internationale Konzerne beschränkt – mit dem Ziel des unmittelbaren Gewinns. Durch Änderung der Verträge, die die MAS vorgenommen hat, konnte immerhin die Schaffung einiger Fonds ermöglicht werden, mit denen bestimmte Sozialleistungen finanziert werden. Die Mehrheit der Bevölkerung lebt jedoch ohne nennenswerte Sozialleistungen vom Verkauf verschiedener Produkte auf der Straße. Die Lösung liegt in einer Veränderung der politischen Strukturen, die eine stärkere Demokratisierung des Staates inklusive Gewaltenteilung ermöglichen sowie eine Verbesserung des staatlichen Produktions- und Import-/Exportsystems, das wiederum zu einer besseren Verteilung des Wohlstands führt. Hilfe durch Franziskaner Die Aktivitäten der Franziskanischen Familie (FFB) und der Franziskanischen Bewegung für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung (JPIC) helfen hier mit konkreten Projekten. Es liegt auf der Hand, dass strukturelle Lösungen von der Regierung und den politischen und sozialen Institutionen abhängen, die die notwendigen Veränderungen umsetzen. Daher ist das Engagement von FFB und JPIC eine wichtige Arbeit, die den Raum für Veränderungen ermöglicht. In diesem Sinne ist eines unserer Tätigkeitsfelder die Vermittlung menschlicher, christlicher und franziskanischer Werte in den verschiedenen Bildungseinheiten. Im Rahmen der Förderung des sozialen Bewusstseins und angesichts der oben erwähnten Korruption führen wir einen jährlichen »Tag der Ehrlichkeit« durch, der sich seit 20 Jahren mit verschiedenen sozialen Themen befasst, wie Bestechung, Bildung, Gesundheit, Politik und im Jahr 2023 mit Wirtschaft. TEXT: Carmelo Galdóz ofm|PLAKAT: JPIC Bolivien 14
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