körperlicher Schwäche an den Rollstuhl gebunden, ist Faith stets fröhlich. Sie lächelt und strahlt innere Stärke aus. Franziskus’ Wundmale Unsere Kinder werden von ›Müttern‹ – angestellte Frauen aus dem Dorf – betreut. Sie bereiten die täglichen Mahlzeiten, sorgen für die Hygiene der Kinder und Sauberkeit in allen Räumen. Eine von ihnen ist Mama Franco, eine Mutter von sechs Söhnen. Mit mütterlicher, mitfühlender Liebe sorgt sie für unsere jungen Menschen. Tiefgläubig, verehrt sie ihren Namenspatron, den heiligen Franziskus. Vor kurzem saß ich mit einigen älteren Kindern zur Vorbereitung des Mittagessens am Feuer, während Mama Franco ihnen von Franziskus, seiner Gottesfreundschaft, seinen Wundmalen an Händen, Füßen und der Seite erzählte. Alle hörten aufmerksam zu, und Faith war ergriffen von dieser Geschichte. Beeindruckt fragte sie neugierig: »Was waren das für Wunden, die denen des gekreuzigten Jesus ähnlich waren? Wie war das möglich?« Ich hörte zu und beobachtete Faith, als Mama Franco erklärte: »In der Einsamkeit auf dem Berg La Verna geschah es. Während Franziskus tief im Gebet versunken war, prägten sich in seinem Leib die Wunden Jesu ein, die Male der Kreuzigungsnägel und der Seitenwunde. Diese Male an seinem Körper waren exakt wie Jesu Wunden am Kreuz. Franziskus hatte sein Leben lang Christus am Kreuz betrachtet und mit ihm im Gebet Zwiesprache gehalten. So empfing er schließlich im September 1224 – zwei Jahre vor seinem Tod – Jesu Kreuzeswunden an seinem Leib. Diese Wunden waren für ihn Zeichen der Liebe Gottes zu ihm, gleichsam wie Gottes Umarmung.« Faith war erstaunt über diese Liebe, die so stark war, dass sie als Wundmale auf seinem Körper erschienen. Offen bekannte sie: »Ich kann nicht gehen und habe oft Schmerzen, aber trotzdem fühle ich Liebe. Vielleicht habe ich keine Wunden wie Franziskus, aber Gott schenkt uns Liebe, auch wenn wir sie vielleicht nicht spüren, aber immer gegenwärtig ist. Ich habe meine Wunden, auch du, Mama Franco, hast deine, jeder hat seine: Sie sind Zeichen der Liebe, die wir in uns tragen.« Diese Einsicht berührte alle und erinnerte daran, dass Gottes Liebe und Nähe immer gegenwärtig ist, sogar in schweren Stunden. Auch ich war erstaunt, weil ein Mädchen, von eigenen Eltern verlassen, ein so tiefes Verständnis zeigte und erkannte, dass ihre Behinderungen eigentlich Geschenke waren, Zeichen für wahre Liebe, innere Stärke und Verbundenheit mit Gott. So wie die Stigmata für Franziskus Zeichen der Gegenwart und der Liebe Gottes waren, so symbolisieren Behinderungen bei unseren Kindern innere Stärke und Lauterkeit der Seele. Kraft der Nächstenliebe Nach dem Mittagessen betrachtete ich diese Zeichen der Liebe und des Leidens Gottes weiter. Ich war tief berührt von einem zerbrechlichen Mädchen, das erkannte: Die Stigmata des heiligen Franziskus sind mit meinem Leben und dem der anderen Kinder mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen verflochten; sie bauen Brücken der Liebe und Hoffnung zwischen allen. Ihre Stärke, ihr Mut und ihre außerordentliche Liebe verdienen unsere Unterstützung. Lasst uns unsere Hände ausstrecken und ein Licht der Hoffnung sein für diese außergewöhnlichen, be- sonderen Kinder. Öffnen wir unsere Her- zen für Inklusion und liebevolle Hilfsbereitschaft. Gemeinsam können wir so eine Welt schaffen, in der jedes Kind, unabhängig von seinen Fähigkeiten, geliebt und akzeptiert wird. Unsere gemeinsame Hilfsbereitschaft kann die Brücke sein, die Vorurteile abbaut und eine bessere Zukunft für alle aufbaut. Die Stigmata des Franziskus erinnern: Liebe ist die größte Kraft, die die Welt bewegt. Franziskus von Assisi ist ein Beispiel bedingungsloser Liebe zu Gott und unseren Mitmenschen: Er empfing die Wunden des gekreuzigten Jesus an seinem Leib und nahm sie an. Hoffnung ist die treibende Kraft. Liebe der Ansporn. Mitgefühl der Weg. Der Autor Miroslav Babić gehört dem kroatischen Franziskanerorden an. Seit 2006 ist er in der Seelsorge in Subukia, Kenia, tätig. Darüber hinaus leitet er die Einrichtung »Small Home« im gleichen Ort. Übersetzung aus dem Englischen: Heinrich Gockel ofm Das geschwisterliche Leben in der franziskanischen Einrichtung »Small Home« bringt Hoffnung und Freude. 23
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