Die Leprakranken waren schon damals von der Gesellschaft ausgeschlossene Menschen, die durch alle Arten von Verwundbarkeit gekennzeichnet und verurteilt wurden. Einerseits zählten Leprakranke zu den von der Welt und der Liebe Gottes Ausgeschlossenen. Andererseits wurden sie in der mittelalterlichen Welt in hagiografischen Texten (Darstellung des Lebens von Heiligen) durch eine Theologie verherrlicht, die sie als einen anderen Christus ansah. In solchen Schriften stand, dass derjenige, der sich den Leprakranken nähert, das Heil findet und sein Leben ändern und die Solidarität voll ausüben kann. Franz von Assisi sah die Leprakranken der damaligen Zeit als seine Geschwister, die verletzlich und von der Gesellschaft stigmatisiert, aber zugleich auch Träger von Licht, Sensibilität und Widerstandskraft waren. Campo Grande, im Bundestaat Mato Grosso, ist ein gutes Beispiel dafür, was in den letzten 40 Jahren im Zusammenhang mit der Lepra in Brasilien geschehen ist. Propheten des Lebens 1941 richtete der damalige brasilianische Präsident Getúlio Vargas in Campo Grande, im damaligen Staat Mato Grosso, eine Leprakolonie ein, die den Namen Leprosário São Julião erhielt. Diese Einrichtung wurde im Norden, außerhalb der Stadt, weit weg vom Stadtzentrum angelegt. Es waren schwierige Zeiten, die von Diskriminierung und Ausgrenzung, geringem Wissen über die Krankheit und echter Unwissenheit über Gesundheit und sogar Aberglaube geprägt waren. Die Mentalität von Schuld und Strafe beschäftigte viele Menschen außerhalb und innerhalb der Leprakolonien. Isoliert von der Gesellschaft und ihren Familien hatten die Bewohner in den Menschen verachtenden Einrichtungen wenig Hoffnung, die sie aufrichten konnte. Die Stigmata der Lepra hatten ihren Körper, ihren Geist und ihr Herz tief gezeichnet. Das durch die Krankheit gefällte Todesurteil schien eine Erlösung vom Leid und das »Licht am Ende des Tunnels« zu sein. Im Juni 1968 begann der Franziskaner Hermano Hartmann den religiösen Dienst der Krankenhausseelsorge im heutigen Krankenhaus São Julião. Darüber hinaus arbeitete er zusätzlich im Gesundheitsbereich, indem er sich an klinischen Studien aktiv beteiligte und dadurch den Betroffenen hautnah half. Etwa zur gleichen Zeit besuchte Schwester Silvia Vecellio von der Kongregation Töchter Marias und Helferinnen der Christen (Salesianerinnen) zusammen mit einigen Studierenden und Medizindozenten regelmäßig das Krankenhaus. Sie kamen, um zu TEXT: Aluísio Alves Pereira Júnior ofm und Wanderley Gomes de Figueiredo ofm |FOTOS: Franziskaner Mission Stigmatisierung überwinden 40 Jahre Hilfe für Leprakranke helfen und die Verbesserungen der Lebenssituation für diese von der Gesellschaft verlassenen und leidenden Menschen zu bewirken. Die Salesianerin Silvia erhielt Unterstützung von den Salesianern in Turin sowie freiwilligen Laien, und der Franziskaner Hermano suchte darüber hinaus Hilfe bei Wohltätern in Deutschland. So begann in den 1970er Jahren eine gründliche Erneuerung des Krankenhauses São Julião, die sowohl dem Gebäude als auch den Patienten mehr Würde, Schönheit und Charme verlieh. Dank vieler Spenden aus Deutschland wurden die Schuhwerkstatt und die Bereiche der Physiotherapie renoviert. 1973 wurde der Bau der Kapelle der Heiligen Elisabeth von Ungarn abgeschlossen. Garten der Hoffnung Bruder Hermano war sich der Probleme bewusst, die nach der Entlassung aus dem Krankenhaus São Julião auf die Leprakranken zukamen. Denn sie konnten aufgrund von Ablehnung oder Verlust der familiären Bindungen nicht zu ihren Familien zurückkehren. So bat er um finanzielle Unterstützung in Form von Spenden, damit kleine Häuser im Viertel Nova Lima und in den angrenzenden Stadtteilen gebaut werden konnten. Diese Sozialhäuser bekamen den Namen »Lar São Francisco« (Haus des Heiligen Franziskus). Heute werden diese Häuser von der Gesellschaft des Heiligen Vinzenz von Paul, den Vinzentinern, betreut. Bruder Hermano gründete neben dem Krankenhaus São Julião auch das heutige Gesundheitszentrum São Francisco mit dem Ziel, die aus dem Sein Testament verfasste Franz von Assisi in den letzten Jahren seines Lebens. Dort sind entscheidende Momente für die Umkehr in seinem Leben genannt, die alles zum Guten wendeten und die Bitterkeit in seinem Herzen in Süße des Körpers und der Seele verwandelten. Einer dieser auschlaggebenden Momente war die Begegnung mit einem Aussätzigen. 24 | 25
RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=