TEXT: Thomas von Celano | BILD: Pedro da Silva Pinheiro ofm Wunden verbinden Franziskus von Assisi in der Nachfolge Christi Quelle: Aus der ersten Lebensbeschreibung von Thomas von Celano, Franziskus-Quellen 256 Quelle: Aus dem Mirakelbuch von Thomas von Celano, Franziskus-Quellen S. 426 »Zwei Jahre bevor Franziskus seine Seele dem Himmel zurückgab, weilte er in einer Einsiedelei, die nach dem Ort, wo sie gelegen ist, Alverna heißt. Da sah er in einem Gottesgesicht einen Mann über sich schweben, einem Seraph ähnlich, der sechs Flügel hatte und mit ausgespannten Händen und aneinandergelegten Füßen ans Kreuz geheftet war. Zwei Flügel erhoben sich über seinem Haupt, zwei waren zum Fluge ausgespannt, zwei endlich verhüllten den ganzen Körper. Als der selige Diener des Allerhöchsten dies schaute, wurde er von größtem Staunen erfüllt, konnte sich aber nicht erklären, was diese Vision bedeuten sollte. Große Wonne durchdrang ihn, und noch tiefere Freude erfasste ihn über den gütigen und gnadenvollen Blick, mit dem er sich vom Seraph angeschaut sah, dessen Schönheit unbeschreiblich war; doch sein Hängen am Kreuz und die Bitterkeit seines Leidens erfüllte ihn ganz mit Entsetzen. Und so erhob er sich, sozusagen traurig und freudig zugleich, und Wonne und Betrübnis wechselten in ihm miteinander. Er dachte voll Unruhe nach, was diese Vision wohl bedeute, und um seinen innersten Sinn zu erfassen, ängstigte sich sein Geist gar sehr. Während er sich verstandesmäßig über die Vision nicht klar zu werden vermochte und das Neuartige an ihr stark sein Herz beschäftigte, begannen an seinen Händen und Füßen die Male der Nägel sichtbar zu werden, in derselben Weise, wie er es kurz zuvor an dem gekreuzigten Mann über sich gesehen hatte. Seine Hände und Füße schienen in ihrer Mitte mit Nägeln durchbohrt, wobei die Köpfe der Nägel an den Händen auf der inneren und an den Füßen auf der oberen Fläche erschienen, während ihre Spitzen sich an der Gegenseite zeigten … Ferner war die rechte Seite wie mit einer Lanze durchbohrt und zeigte eine vernarbte Wunde, aus der häufig Blut floss, so dass seine Kutte und Hose oftmals mit heiligem Blut getränkt wurden.« »Der neue Mensch Franziskus wurde durch ein neues und Staunen erregendes Wunder berühmt. Mit einem einzig dastehenden Privileg, das in vergangenen Jahrhunderten nicht gewährt worden war, erschien er ausgezeichnet, nämlich geschmückt mit den heiligen Wundmalen und in diesem Todesleibe gleichgestaltet dem Leibe des Gekreuzigten. Wie sein Geist im Innern den gekreuzigten Herrn angezogen hatte, ebenso sollte sein ganzer Leib das Kreuz Christi auch äußerlich anziehen …« 6 | 7
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