Während meiner 34 Jahre in Ostafrika habe ich immer wieder erlebt: Glaube und Zugehörigkeit zu einem Volksstamm spielen für die Menschen hier eine zentrale Rolle. Beides – Glaube und Stammeszugehörigkeit – sind feste Bestandteile ihrer Kultur und schaffen enge Bindungen zwischen Familien und Gemeindemitgliedern. Im Oktober 1990, kurz nach dem Bürgerkrieg, kam ich in Uganda zu meiner ersten Missionsstation. Die AIDS-Epidemie befand sich auf dem Höhepunkt. Vom Flughafen bis zu unserem Haus in Mbarara waren Särge am Straßenrand aufgereiht. Die Hauptstadt Kampala war durch den Krieg stark zerstört. Die einzigen unbeschädigten Gebäude waren das Sheraton Hotel, die Uganda Commercial Bank und das Postamt. Infolge des jüngsten Konflikts waren die Menschen äußerst vorsichtig und vertrauten einander nicht. Uns Franziskanern gegenüber aber waren sie bereit, offen zu sprechen. Nach 13 Jahren wurde ich im Juli 2003 nach Kivumu in Ruanda versetzt. Obwohl die Infrastruktur nicht stark zerstört worden war, litten die Menschen schrecklich unter dem, was neun Jahre vorher im Völkermord passiert war. Der Schock stand noch immer in ihren Gesichtern. Alle Gemeinden mussten sich irgendwie mit der Tragik des Geschehenen auseinandersetzen. Seit Juli 2022 bin ich in Sambia mit dem Aufbau einer neuen Gemeinde beauftragt. In Mwakapandula, einem abgelegenen Ort auf dem Land, sind die Menschen gezwungen, alle notwendigen Lebensmittel auf ihren kleinen Grundstücken selbst anzubauen. Die Folgen des Klimawandels sind deutlich spürbar: Es herrscht große Armut, obwohl das Land reich ist an Bodenschätzen und touristischen Angeboten. Es fehlt jedoch an guter Bildung und medizinischer Versorgung. Die Menschen leben immer noch in Lehmziegelhütten mit Strohdächern, ohne fließendes Wasser und elektrischen Strom. Alle Gesundheitszentren, Schulen und Kirchen sind in marodem Zustand. Gelebte Solidarität Unabhängig von vielen schwierigen Lebensbedingungen in diesen drei Ländern – Uganda, Ruanda und Sambia – haben die Menschen eines gemeinsam: Sie halten zusammen, sowohl in ihren Familien als auch in ihren Dorfgemeinschaften, und unterstützen sich gegenseitig. Die Menschen haben ihren Glauben trotz schrecklicher Nöte und Herausforderungen nicht verloren. Die Kirche spielt in ihrem Leben eine wichtige Rolle: Sie gibt ihnen Kraft, als Gemeinschaft zusammenzustehen und ihr zerbrochenes Leben wiederaufzubauen. Sie finden Freude in der Gemeinschaft des Glaubens. Wenn ein freudiges Ereignis, zum Beispiel die Taufe eines Kindes, stattfindet, kommen Familienmitglieder von weit her angereist, um das besondere Fest mitzufeiern. Auch zu Hochzeiten, Erstkommunion- und Firmungsfeiern kommen viele Familienmitglieder zusammen. Und wenn jemand den Bau seines Hauses fertiggestellt hat, beteiligt sich die Gemeinde mit einem Festmahl. Bei einem Todesfall kommt das ganze Dorf zusammen, um zu trauern und zu trösten. In Ruanda und Uganda wird von der Familie, wenn es sich bei dem Toten um einen angesehenen Mann handelt, erwartet, einen Bullen TEXT UND FOTOS: Ivica Perić ofm Lebendige Gemeinde Überzeugender Glaube in Ostafrika Die Menschen in Mwakapandula müssen lange Strecken zurücklegen, um ihre Familien mit dem Nötigsten zu versorgen. 12 | 13
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