Franziskaner Mission 2 | 2024

Abenteuerlust im Ordenskleid 100 Jahre Bolivienmission der Haller Schwestern Seit 100 Jahren sind die Tertiarschwestern des heiligen Franziskus aus Tirol, Österreich, nun in Bolivien tätig. Zunächst als Hilfskräfte für die Franziskanerbrüder angefragt, entwickelten sie sehr schnell ihre eigene Agenda für den Dienst an den Menschen. TEXT: Notburga Maringele HTTF | FOTOS: Tertiarschwestern des heiligen Franziskus in Hall, Österreich Im Jahr 1924 kam der Franziskanermissionar Pater Damasus Sartori nach Kaltern in Tirol, um Schwestern für die Mitarbeit in Bolivien zu erbitten. Es meldeten sich zwei mutige Frauen: Schwester Ehrentrudis Graßmayr und Schwester Kanisia Hafner, beides Lehrerinnen. Sie nahmen eine beschwerliche Reise auf sich: Nach der Überfahrt mit dem Schiff von Genua nach Südamerika und der Weiterreise mit der Eisenbahn von Chile über die Anden nach Bolivien, wartete auf sie eine mehrwöchige Reise auf Maultieren durch den Urwald ins Landesinnere. Dazu gehörte auch das Passieren von Flüssen. Um den 1.000 Meter breiten Rio Grande sicher zu überqueren, wurden die Schwestern von den Einheimischen in eine Kuhhaut gesetzt, die wie ein Tabaksbeutel oben geschlossen wurde. Ende Februar 1925 erreichten sie ihr Ziel: Ascensión in Guarayos. Hier wurden sie, nach dem Erlernen der Sprache, in der Schule eingesetzt. Drei Jahre später folgten bereits drei weitere Schwestern: Schwester Ignatia Bozzetta, Schwester Rosalia Fledersbacher und Schwester Carmela Sam. Erste Schritte Nicht alle Franziskanermissionare trauten den Schwestern die Strapazen der Missionsarbeit zu. So schrieb Pater Justin Knoflach in einem Brief an die Ordensleitung, als er die drei Tertiarschwestern abfahren sah: »Ich kann mir die Frauen nie anders vorstellen als ein wenig zitternd und verzagt und dies Zittern und Zagen steigert sich, wenn die Frauen gar Klosterfrauen sind und nun eine Reise machen sollen, die selbst starken Männern zu arg werden kann.« Doch diese Meinung musste er gründlich revidieren und er fährt fort: »Die drei Schwestern haben als echte brave und zähe Tirolerinnen ihre Sache auf der harten Reise gut gemacht und arbeiten jetzt als treue Helferinnen unserer Missionare und sind dabei glücklich.« Schwester Ehrentrudis war sehr sprachbegabt und übersetzte bald einfache deutsche Texte ins Spanische und in die Sprache der Guarayos. So entstanden die ersten Unterrichtsmaterialien. Schwester Kanisia unterrichtete ebenfalls und war, ebenso wie Schwester Rosalia, wegen ihrer verwegenen Reitkunst bekannt. Wie das Leben der Schwestern aussah, zeigt ein Auszug aus dem Tagebuch von Schwester Rosalia aus dem Jahr 1926: »Ich helfe jetzt in der Schule, doch es geht noch sehr schwer, weil ich erst beide Sprachen: Spanisch und Guarayu gut lernen muß. Beim Singen aber bin ich Meister. Ich singe bald spanisch, dann guarayu und deutsch. Die Indianer haben ein sehr feines Musikgehör. Neunzig Mädchen sind in unserer Klasse. Es sind recht liebe Kinder. Alles schreit uns zu, Groß und Klein, Männer und Frauen. Uns Schwestern haben sie recht gerne und wir haben sie auch gerne, die braunen Käfer. Die Kinder wollen den ganzen Tag bei uns sein und ich muß manchmal böse werden, um 30

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