Die Autorin Notburga Maringele ist seit 2014 Missionsprokuratorin für Bolivien der Tertiarschwestern des heiligen Franziskus in Hall, Österreich. Anmerkung der Redaktion: Alle Formulierungen in den Briefen und Tagebüchern sind im historischen Kontext zu lesen. Begriffe wie »Indianer« oder »braune Käfer« sind heute nicht mehr angemessen, im damaligen Sprachverständnis wurden sie unreflektiert, aber ohne Diskriminierung oder Herabwürdigung der Betroffenen genutzt. Wir haben die historischen Dokumente hier im Original zitiert. sie heimzutreiben. Ich habe täglich vier Stunden Schule und muß die übrige Zeit fleißig zu anderen Missionsarbeiten nutzen.« Noch mehr Schwestern aus Österreich gingen in den kommenden Jahren nach Bolivien. Sie unterrichteten in einfachen Schulen, bereiteten Kinder und Erwachsene auf die Sakramente vor und versorgten die Kranken in den entlegenen Dörfern im Urwald des östlichen Tieflandes. Durch ihren Ein- satz konnte die Kindersterblichkeit und die Anzahl der Tuberkulosekranken drastisch gesenkt werden. Eine Indigene aus Salvatierra sagte einmal zu Schwester Verena: »Bevor du kamst, sind alle meine Kinder gestorben, jetzt leben sie.« In der Anfangszeit legten die Schwestern die langen Wege im Busch auf Pferden, in Kanus, zu Fuß oder auf Fahrrädern zurück, was nicht gefahrlos war. Es konnte geschehen, dass sie im Urwald Begegnungen mit wilden Tieren hatten. Aber es ist ihnen nie etwas Schlimmes passiert. Mit finanzieller Hilfe aus der Heimat bauten die Schwestern ein Hospital in Ascención. Sie wurden dabei vom Franziskanerpater Stefan Gebhard aus Deutschland sehr unterstützt. Außerdem bauten sie kleine Ge- sundheitszentren in San Miguel, Urubichá und Yaguarú auf und leiteten diese viele Jahre. Sie betreuten und operierten unzäh- lige Kranke. Um das umfangreiche Gesundheitswesen zu bewältigen, bildeten sie interessierte Leute aus dem Dorf aus, die wiederum viel Aufklärungsarbeit in den abgelegenen Dörfern leisteten. Solide Ausbildung Ganz wichtig war und ist auch die Bildungsarbeit. Nur über sie können die Menschen die Armut überwinden. Mit Spenden, die vor allem von den Missionsprokuratorinnen zuhause gesammelt wurden, konnten etappenweise die kleinen Schulen vergrößert werden. In San Miguel entstanden Ende der 1960er zwei Volksschulen und Schwester Eva Maria Staller baute eine große weiterführende Schule. Auch in Ascensión vergrößerten die Schwestern die Schulen ständig. Schwester Andrea Schett errichtete eine neue Schule am Rand des Dorfes, die inzwischen zu einem großen Schulzentrum angewachsen ist, in dem die Jugendlichen bis zum Abitur unterrichtet werden. Schwester Ludmilla Wolf baute in Urubichá, gemeinsam mit dem Franziskaner Walter Neuwirth aus Bayern, die Schule aus und eröffnete zudem eine große Musikschule und eine Handwerksschule, die beide sehr angesehen sind. Insgesamt ermöglichen diese Schulen etwa 5.000 Kindern und Jugendlichen eine solide Ausbildung. Auch Erwachsene können in der Abendschule das Abitur nachholen. Schwester Eva Maria hat eine Schnitzwerkstatt aufgebaut, die einer Reihe von Familien ein regelmäßiges Einkommen ermöglicht. In Ascensión wurde zudem das heilpädagogische Förderzentrum TAU aufgebaut, in dem behinderte Kinder gefördert werden. Schwester Miriam Holaus hat mit Hilfe von Frau Dr. Ute Glock aus Deutschland das Ernährungszentrum Santa Clara eröffnet, in dem den vielen unter- oder fehlernährten Kindern und ihren Müttern geholfen wird. In Santa Cruz entstand ein großer Kindergarten, den Schwester Romana Hofmann jahrelang geleitet hat. So leistete sie in den weiten Außenbezirken des Ortes sehr wertvolle Sozial- und Pastoralarbeit. Partnerschaftlich Ungeachtet der vielen Arbeit engagieren sich die Schwestern auch in der Pastoralarbeit, bereiten auf die Sakramente vor und begleiten die Jugendlichen auf ihrem Glaubensweg. In allen Pfarreien arbeiten sie dabei mit den Franziskanerbrüdern zusammen. Am Anfang herrschte eine ziemliche Hierarchie, so aßen zum Beispiel die Patres nie mit den Schwestern zusammen. Auch in den Berichten, welche die Missionare schrieben, wurden die Schwestern fast nie mit Namen genannt, sie wurden lediglich als praktische Hilfskräfte gesehen. Dies hat sich aber grundlegend geändert und es gibt jetzt viel partnerschaftlichen Austausch der Ordensschwestern mit den Franziskanern. Heute arbeiten 21 Tertiarschwestern in Bolivien und führen die Arbeit der mutigen Pionierinnen fort. Vier von ihnen stammen aus Österreich. Sie sind alle schon über 80 Jahre alt und haben die Leitung der Schulen und Projekte an ihre jüngeren bolivianischen Mitschwestern abgegeben. Trotzdem arbeiten sie selbst noch unermüdlich mit, denn: »Ausruhen können wir uns im Himmel!«, so die Meinung von Schwester Andrea Schett. Schwester Verena bei einem Hausbesuch Missionarinnen sorgen sich um Kinder in San Miguel. 31
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