Franziskaner Mission 2 | 2024

meinden aus allen zwölf Diözesen des Bundesstaats Maranhão initiativ etwas beigetragen: Gärten angelegt, Events für Spendeneinnahmen organisiert, Hühner, Schweine, Ziegen und andere Tiere großgezogen und im Hinblick auf das Treffen verkauft. Der Vorbereitungsprozess war nicht nur von Harmonie geprägt. Dank Dialogs kam es zu Änderungen von Haltungen und zu einer integralen Umstellung auf Synodalität: die Erfahrung einer kreisförmigen, gemeinschaftlichen Kirche, in der alle in gleicher Würde und mit allen Unterschieden respektiert werden. Was ich damals – durch die Teilnahme – verstanden und erlebt habe, ist in den Papieren und Berichten wie folgt zusammengefasst: »Die Methodik ist auch der Inhalt.« Genau in diesem Satz ist ein großer Teil des Auftrags und der pastoralen Dimension unserer Kirche zu lesen. Seelsorge zu leben, an der Seite der Menschen präsent zu sein, in ihre Perspektiven und Lebenswelten einzutauchen, ist Seelsorge selbst. »Die Methodik ist auch der Inhalt« – dabei geht es nicht darum, sich in mögliche methodische Optionen zu vertiefen oder theoretische Diskussionen dazu zu führen, sondern es ging und geht darum, die faktische Lebensnähe des Inhalts so zu vermitteln, dass sie Teil der Logistik, Teil der gemeinsamen Lebensrealität wird. Die Armen zuerst Sich in die Welt der Menschen hineinzuversetzen, die physisch, materiell oder ideell an den Rand gedrängt werden, kann uns auf dem Weg zu einer gerechteren Welt für Alle leiten. »Niemanden zurücklassen«, der Anspruch der UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung, meint genau das. Daraus ergeben sich Fragen: Wen übersehen wir? Wie kann es sein, dass sich Regierungen trotz eines globalisierten Wirtschaftsgeflechts und weltumspannender Lieferketten verstärkt nationalstaatlicher Parolen bedienen? Wie kann es sein, dass die spürbaren Folgen der Klimakrise keine angemessene Reaktion und Bereitschaft für eine gesamtgesellschaftliche sozialökologische Transformation bringen? Dienende Kirche, wach und aufmerksam, zuhörend und offen, lernend mit Menschen vor Ort, in ihren Kontexten und ihrer Geschichte – eine wichtige Lernerfahrung für mich. Lebensnähe Von einer zweiten Erfahrung will ich erzählen, die bis heute in mir nachhallt. Das Echo kommt von den 1990er Jahren aus der Durchführung und Vorbereitung des »9. Interekklesialen Treffens der Basisgemeinden«, 1997. Fast 30 Jahre ist es her, dass sich in São Luís in Nordostbrasilien etwa 3.000 Personen versammelten, um sich gemeinsam über Aufgabe und Wirken der Kirche inmitten der Gesellschaft Gedanken zu machen. Kirchliche Basisgemeinden sahen wir (damals) nicht als eine neue Art, Kirche zu sein, sondern als einen neuen Weg für die ganze Kirche. Zu Beginn fehlten uns die Mittel, um ein Treffen dieser Größenordnung zu organisieren. Doch dies wurde mit viel Kreativität und kollektivem Engagement überwunden. Die Vorbereitungen wurden Teil des Prozesses. Während der vierjährigen Vorlaufzeit haben Ge- »Es ist an der Zeit, die Richtung zu ändern. Wir müssen unseren Fokus von Profit auf Wohlstand, von Wirtschaftswachstum auf Nachhaltigkeit und von Materialität auf Menschenwürde verlagern,« sagte Kardinal Michael Czerny, als ihm im Januar 2024 in Aachen der Klaus-Hemmerle-Preis verliehen wurde. »Integrale Entwicklung« und »Inklusion« heißen die Ansätze, die auf den Fahnen einer zukunftsfähigen Entwicklungszusammenarbeit stehen. Und betont füge ich hinzu: Und die Armen zuerst. Der Autor Pirmin Spiegel war von April 2012 bis Juni 2024 Hauptgeschäftsführer des Bischöflichen Hilfswerkes Misereor in Aachen. Der Text entstand im Austausch mit Prof. Paulo Suess, heute theologischer Berater des brasilianischen Indigenenmissionsrats CIMI, und Lucineth C. Machado, Koordinatorin und Inspiratorin des 9. Interekklesialen Treffens der Kirchlichen Basisgemeinden in São Luís, Nordostbrasilien. Treffen mit Bewohnern des Stadtteils Bairro Pequiá und Aktivisten von Justiça nos Trilhos (im Bild: Antonia Flavia Silva, 29, comunicadora Justiça nos Trilhos), Açailândia, Maranhão, Brasilien Traditioneller Gesang mit Tanz der Mundurukú – Von Soja-Feldern umringt: Die Indigene Gemeinde Açaizal (Volk der Mundurukú), nahe Santarém, Pará, Brasilien 6 | 7

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