Franziskaner Mission 2 | 2024

Ich wache in den letzten Nächten immer wieder mal auf. Dann denke ich an Jabbar, Khalid und Mohamad (Namen geändert). Seit Montag letzter Woche haben wir für die drei ein Kirchenasyl bei uns in der Agnespfarrei, der Katholischen Pfarrgemeinde Sankt Agnes in Köln, begonnen. Die drei kommen aus Syrien und haben sich wie viele Menschen unter lebensbedrohlichen Bedingungen auf den Weg nach Europa gemacht. Als sie am Montag vor mir stehen, stehen da drei Jungs. Schmal, mit Turnschuhen an den Füßen, ihre Habseligkeiten in einer kleinen Tasche. Ihre Augen lassen ein wenig erahnen, was sie erlebt haben müssen. Vor allem bei Khalid ist das so. Er scheint manchmal durch mich hindurchzublicken. Seine Traurigkeit ist ohne Maß. Dieses Mal war es schwierig, eine Wohnung zu finden. Erst in sechs Wochen werden wir vorübergehend eine richtige Bleibe für sie einrichten können. Bis dahin haben wir in einem Kellerraum, in einer unserer Kirchen, einen ehemaligen Jugendraum mit Stockbetten, einem Regal, Geschirr und einem kleinen Herd notdürftig eingerichtet. Ich habe ein paar Menschen aus dem Umfeld der Gemeinde gefragt, was sie beisteuern können. Christen, Atheisten, Agnostiker und vollkommen Unbekannte darunter. Nach und nach haben sie ihre Sachen in der Kirche abgestellt. Tobias hat das Stockbett seiner Kinder gebracht. Es ist von einem schwedischen Möbelhaus und trägt den Namen Vitval, was auf Deutsch so viel wie Weißwal bedeutet. Als Jabbar es aufgebaut hat, fällt mir die Geschichte von Jona und dem Walfisch ein. Der Walfisch ist in der Geschichte ja zwiespältig. Einerseits hat er Jona verschlungen. Andererseits hat er ihn nicht verdaut, sondern, als es Zeit war, ausgespuckt. Dieses ambivalente Bild passt auf die Situation des Kirchenasyls. Die drei können erstmal durchatmen. Einerseits. Und doch frage ich mich andererseits, wenn ich nachts aufwache: Haben wir genug getan? Haben wir wirklich nicht mehr auftreiben können als diesen armseligen Raum, der bis vor ein paar Tagen noch ein Stuhllager war? Ich denke an Jabbar, wie er gewissenhaft eine letzte Schraube in das Bettgestell mit dem Namen Vitval dreht. Uns verbindet wohl beide die Hoffnung, dass dieser Wal in diesem Keller sie irgendwann wieder ausspucken wird. In ein sichereres Leben als das, was sie hierher gespült hat. Brücken bauen Vor ein paar Wochen noch haben ungefähr 20 Studierende ein Stockwerk über dem Raum, in dem die drei schlafen, essen und lernen, eine Ausstellung über das Thema Migration organisiert. Im Kirchraum von St. Gertrud, einer Kirche, die auch zur Agnespfarrei gehört, nämlich. Sie studieren Ausstellungsarchitektur in Düsseldorf. Es ist schon die dritte Kooperation mit der Hochschule Düsseldorf, Fachbereich Architektur und Design, und ihrem Dozenten. Vor ein paar Jahren hat er mich gefragt, ob seine Studierenden sich in St. Gertrud mal mit dem, was sie gelernt haben, ausprobieren können. Ich finde das wichtig. Und weil wir uns in St. Gertrud sowieso mit Kunst und Kultur beschäftigen, haben wir auch in diesem Jahr eine Lücke im Kalender gefunden. Und die Studierendengruppe hat erneut eine beeindruckende Schau zusammengestellt. Links von den Beichtstühlen haben sie eine Flugzeugkabine nachgebaut. Mit echten Flugzeugsitzen, TEXT UND FOTOS: Peter Otten Was darf es sein? Auf Augenhöhe mit den Menschen 8

RkJQdWJsaXNoZXIy NDQ1NDk=