den typischen ovalen Fenstern und einem Mittelgang für den Servicewagen der Flugbegleitung. Wer sich in einen der Sitze hineinfläzt, der kann sofort in die Rolle eines Touristen schlüpfen, der behaglich in Flipflops Richtung Sonne und Club mit Getränke-Flatrate düst. Zu hören bekommt er allerdings die Geschichte eines Geflüchteten. Der sitzt schräg gegenüber und wird gerade in das Land abgeschoben, in dem der Tourist seinem Manhattan-Cocktail entgegendämmert. Mein Auftrag lautet: Schreibe einen Text über eine dienende Kirche. Das sind zwei erste Beispiele dafür. Dienende Kirche klingt manchmal in meinen Ohren verbraucht, unredlich, wie ein rhetorischer Begriff ohne Leben. Vielleicht, weil diese beiden Worte von manchen Eliten in der Kirche allzu oft und allzu leichtfertig benutzt werden. Manch ein Bischof behauptet ja leichthin, in der Kirche gebe es keine Macht, nur Dienst, was natürlich Blödsinn ist. Ich habe als Student viel arbeiten müssen, da meine Eltern nicht das Geld hatten, die Studien meiner Brüder und mir zu finanzieren. Einige Jahre habe ich in einem Supermarkt Leergut angenommen und vor allem für einen Bäcker in einem Brotwagen Brot, Gebäck und Der Autor Peter Otten hat in Bonn katholische Theologie studiert. Seit 1999 ist er Pastoralreferent im Erzbistum Köln. Unter anderem arbeitete er in Remscheid, KölnHöhenberg/Vingst und als Diözesanleiter der KjG (Katholische junge Gemeinde). Seit 2015 ist Pastoralreferent in der katholischen Pfarrgemeinde St. Agnes in Köln. Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, zuletzt »Wir erzählen die Bibel« mit Christian Linker u.a. bei Herder. Seit einigen Jahren bloggt er mit Norbert Bauer unter www.theosalon.de. Mit Wibke Ladwig macht er den Podcast »Agnes trifft«. Teilchen verkauft. Ich glaube, da habe ich viel von dem gelernt, was mir heute für meine Arbeit bedeutsam ist. »Was darf es sein?« – die Frage, die ich tausende Male gestellt habe, habe ich später im Evangelium wiedergefunden. In der Frage, die Jesus dem Bettler stellt oder dem, der seine Stimme verloren hat. »Was darf es sein?« ist ja eine der erlösenden Fragen des Evangeliums. Denn diese Frage verändert ja das Kommunikationsgeschehen grundlegend. Vom elenden »Ich weiß, was dir guttut!« hin zum »Sag doch mal: Was ist los?« Das Evangelium ist keine Lehre der Besserwisserei. Es hat Geschichten, die in ihrer Struktur konsequent vom Gegenüber her erzählt sind. Vom Besessenen, der endlich den Raum bekommt, in seinem Kopf aufräumen zu können. Vom Zöllner, der endlich eine Bühne bekommt, die das Augenmerk endlich von seiner elenden Berufsmarkierung wegführt. Das Evangelium ist die Betrachtung der Welt durch die Augen des Gegenübers, mit aller Konsequenz. Da ist die Frage »Was kann ich für euch tun?« an drei arme Teufel, die sich über die Balkanroute nach Europa gekämpft haben, einigermaßen plausibel. Aber auch gegenüber Studierenden ist diese Frage interessant, wenn sie sich mal in einer Kirchenarchitektur, die ihnen vermutlich völlig fremd ist mit dem, was sie politisch, gesellschaftlich oder künstlerisch bewegt ausprobieren können. Natürlich ist unser Raum auch ihr Raum. Was denn sonst? Und wie aufregend ist das, wenn ich ihn für einige Tage durch ihre Augen betrachten darf! Kirche ist Kommunion »Was kann ich für dich tun?« Ich finde, diese Frage ist die Grundierung dessen, was wir Kirche nennen. Sie drückt sich in der Erstkommunionvorbereitung aus, wenn ich beim Infoabend den gestressten Eltern die Angst nehme, sie müssten jetzt bis auf Weiteres ihr gesamtes restliches Leben zugunsten einer aufwendigen und bedeutsamen Vorbereitung mit allerlei wichtigen Terminen komplett abändern. Sie strahlen, wenn sie hören, dass auch die Oma in Quickborn wichtig ist, genauso wie das Hockeyturnier, und dass Gemeinschaftspflege immer ein Sakrament ist, nicht nur in der Kirche. Und sie sind erleichtert, wenn sie ihren Hund am Weißen Sonntag mitbringen dürfen. Denn: Was soll daran Kommunion sein, wenn der Opa während der Messe draußen mit dem Pudel wartet? Eben. Sie drückt sich darin aus, dass ich mich bemühe, einen Gesprächswunsch innerhalb von zwei bis drei Tagen möglich zu machen. Darin, dass ich bei einer Beerdigung selbstverständlich am Grab warte, bis alle Gäste Abschied genommen haben und mich nicht vorher wegstehle, womöglich noch mit einem wartenden Taxi, dessen Uhr auf Kosten der Angehörigen rattert. Darin, dass wir mit einer Truppe toller Menschen die Wiesen um St. Agnes mit 2.000 Blumen bepflanzen, das Gras mähen und die Beete pflegen. »Aber das ist doch städtisches Gelände!«, haben die Leute gesagt. »Eben«, habe ich entgegnet. Die drei Geflüchteten helfen bei der Gartenarbeit. Ihr einfaches Nachtlager ist durch Kirchenasyl geschützt. 9
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